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Zieht die Notbremse! Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken sind möglich

Published On: 10. Oktober 2021 14:45

Die auf uns zurollende „Stromlücke“ drängt dazu, die Notbremse zu ziehen und den endgültigen Atomausstieg zu korrigieren. Technisch und organisatorisch wäre ein Weiterbetrieb der sechs verbliebenen Atomkraftwerke jedenfalls möglich. Von Henrik Paulitz

Energiepolitik ist kein Wunschkonzert. Auch wenn es manche nicht wissen: Schon immer ging es in der Energiepolitik neben Umweltschutzzielen ganz nüchtern um Fragen der technischen Machbarkeit, der Preisentwicklung und der Versorgungssicherheit. Der gleichzeitige Atom- und Kohleausstieg ohne jegliches Backup-System führt dieses Land derzeit in eine profunde Energie-, Wirtschafts- und Versorgungskrise. Kaum noch jemand bestreitet die auf uns zurollende „Stromlücke“ und die gefährlichen Folgen immer höherer Energiepreise. Am 31. Dezember 2021 sollen drei weitere Atomkraftwerke stillgelegt werden. Es ist an der Zeit, die Notbremse zu ziehen. Eine vertrauliche Umfrage unter Vorständen und Führungskräften von Unternehmen der Kerntechnik ergab: Technisch und organisatorisch wäre ein Weiterbetrieb der sechs verbliebenen Atomkraftwerke möglich. Das brisante Papier könnte in den Sondierungsgesprächen zur Bildung der neuen Bundesregierung eine zentrale Rolle spielen. Ausschlaggebend könnte dabei sein, dass der Weltklimarat IPCC die Atomenergie als zentrales Klimaschutz-Instrument eingestuft hat.

Die Nervosität steigt. Medienberichte über die Probleme der Energiewende kommen mehr und mehr, wenn auch verhalten, seit Monaten schon. Die Energiekrise ist da. Die Stromlücke wird nicht mehr bestritten. Die Energiepreise explodieren. Mit dem gleichzeitigen Atom- und Kohleausstieg bei fehlenden Langzeitspeichern für die Wind- und Solarenergie steht die Energiewende vor einem Scherbenhaufen. Nur will man es nicht wahrhaben und versucht sich darin, die Deutungshoheit zu bewahren: So wird am Narrativ gearbeitet, die Energiewende sei nicht das Problem für die „aufreißende Stromlücke“, sondern die Lösung. In verantwortungsloser Weise wird die Legende konstruiert, man müsse nur endlich noch mehr Wind- und Solaranlagen ans Netz bringen, um den fehlenden Strom erzeugen zu können (vgl. ARD/Plusminus, „Besorgniserregende Stromlücke“, 06.10.2021).

Die Milliarden sollen weiterfließen, so will es die Lobby, so wollen es die Profiteure, selbst dann, wenn dieses Land bereits am Abgrund steht und immer mehr Menschen sich die immer teurer werdende Energie kaum noch leisten können und immer mehr Industriebetriebe jetzt schon Produktionsunterbrechungen hinnehmen müssen, die ihre Anlagen und ihr Überleben gefährden.

Die sozialen Folgen dieser längst aus dem Ruder gelaufenen Energiewende scheinen insbesondere denjenigen gleichgültig zu sein, die sich „soziale Gerechtigkeit“ auf die Fahnen geschrieben haben.

Dass die De-Industrialisierung längst begonnen hat, scheint in Zeiten der Verzichts-Ideologie nicht zu bekümmern, scheinbar lebt die soziale Marktwirtschaft dieser Republik neuerdings nicht mehr von engagierten Unternehmern des Mittelstands und von engagierten Mitarbeitern, sondern von einer Zentralbank, die losgelöst von der volkswirtschaftlichen Leistung Geld druckt und die Inflation weiter anheizt.

Und wenn CO2-Emissionen künftig nicht mehr durch Industrieproduktion in Deutschland entstehen, sondern nach der Verlagerung der Produktion in andere Weltregionen eben dort und wegen geringerer Effizienz in noch größerem Ausmaß, dann scheint das manche ideologisch zu beglücken, einem „Klimaschutz“ ist damit aber dennoch nicht gedient.

Es positionieren sich nun quer über alle politische Strömungen hinweg mehr und mehr Kräfte in diesem Land, die wissen, dass all das nicht gut gehen kann und die nun versuchen, die Reißleine zu ziehen.

Dazu zählt insbesondere auch der „Aktionskreis Energie und Naturschutz (AKEN)“, ein Netzwerk kritischer Wissenschaftler, mittelständischer Unternehmer und Naturschützer. Aus diesem Netzwerk heraus erging eine vertrauliche Anfrage an Vorstände und Führungskräfte führender Unternehmen der Kerntechnik und der Betreiber von Kernkraftwerken, ob die jetzt noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke weiterbetrieben werden könnten. Darüber berichtet aktuell die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Gretchenfrage für die Ampelkoalition

Aus atomkritischer Sicht, seitens der Umweltverbände und NGOs mag man das leichtfertig als „ewiggestrigen Atomlobbyismus“ abtun. Daher sei der erste Satz dieses Artikels noch einmal wiederholt: „Energiepolitik ist kein Wunschkonzert!“

Und es sei insbesondere auch darauf verwiesen, dass ausgerechnet der Bundesverband Solarwirtschaft in einer Presseinformation vom 2. Dezember 2020 von einer unmittelbar bevorstehenden, „bereits 2022 aufreißenden Stromlücke“ warnte, weswegen Laufzeitverlängerungen von Kohlekraftwerken „unausweichlich“ seien.

NGOs, Umweltverbände, „Fridays for Future“ und andere sollten daraus zumindest die Erkenntnis ziehen, dass es ein ganz gewaltiges Problem gibt, welches nicht mit einem schlichten „Weiter so“ zu lösen ist.

Wenn der Bundesverband Solarwirtschaft Laufzeitverlängerungen von Kohlekraftwerken als „unausweichlich“ bezeichnet, während „Klimaschützer“ einen schnellstmöglichen Kohleausstieg als zwingend erachten, dann gibt es objektiv ein ganz erhebliches Problem.

Die Kohlekommission kam vor Jahren unter Beteiligung der Umweltverbände und des Öko-Instituts zu einem klaren Ergebnis: Bei einem gleichzeitigen Kohle- und Atomausstieg müssen ganz schnell sehr viele Gaskraftwerke als Backup-System für die Wind- und Solarenergie gebaut werden. Entsprechendes war auch aus der Energiewirtschaft zu hören.

In der Realität wurden aber kaum Gaskraftwerke gebaut, sondern sogar stillgelegt, und neuerdings werden Gaskraftwerke von den Umweltverbänden, von Grünen und von NGOs aus Gründen des Klimaschutzes auf EU-Ebene sogar intensiv bekämpft.

Wie der Strom dann auf zuverlässige Weise erzeugt werden soll, wird der Öffentlichkeit nicht erklärt. Da seitens der Medien auch nicht intensiver nachgefragt wird, obwohl Journalisten (andersdenkende) Politiker sonst gerne sehr hartnäckig „ins Kreuzverhör“ nehmen und nicht locker lassen, kommt man damit auf eher wundersame Weise durch.

Das Nachsehen haben wir alle, weil dieser eklatante Widerspruch völlig unaufgelöst bleibt.

Doch nicht ganz: Schon in den vergangenen Monaten gab es zunehmend vereinzelte Medienberichte, die die Frage aufwarfen, ob die Versorgungssicherheit nach Abschaltung der letzten sechs Atomkraftwerke Ende 2021 und Ende 2022 noch gewährleistet ist. Vielen kompetenten Journalisten, zumal Fachjournalisten, ist längst klar, dass die Energiewende in der aktuellen Form gescheitert ist. „Laufzeitverlängerungen“ stehen nun wider Erwarten auf der politischen Tagesordnung, ausgelöst von so unterschiedlichen Akteuren wie dem Bundesverband Solarwirtschaft und dem Aktionskreis Energie und Naturschutz (AKEN). Die Gemeinsamkeit bei allen Unterschieden besteht darin: Es gibt ein Problem, das nicht länger wegdiskutiert werden kann.

Das zentrale Ergebnis der AKEN-Recherche lautet: „Eine Laufzeitverlängerung der verbliebenen Kernkraftwerke ist möglich, würde über die Jahre rund eine Gigatonne CO2-Emissionen einsparen und helfen, die Energiepreise abzusenken. Es wurden keine unüberwindbaren Erschwernisse identifiziert, schnelle und konsequente Entscheidungen auf politischer und Verwaltungsebene sind aber erforderlich.“

Das wirft die Frage auf, welche Rolle Laufzeitverlängerungen von Kohle- und Kernkraftwerken in den aktuellen Sondierungsgesprächen zur Bildung einer neuen Bundesregierung spielen werden.

In der FDP ist man sich der Problematik sehr wohl bewusst. Die Frage ist, ob die Verhandlungsführer den Mut haben, das Thema in den Sondierungsgesprächen mit Nachdruck und Konsequenz zur Sprache zu bringen.

In der SPD sollte man vom ehemaligen Abgeordneten Hermann Scheer eigentlich wissen, dass eine Energiewende allein nur mit Wind und Sonne, ohne Langzeitspeicher, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Olaf Scholz und die SPD sprechen aber nur noch vom Wind- und Solarenergieausbau und zuletzt sogar von einer „staatlich festgelegten Strommenge“, die zukünftig noch verbraucht werden dürfe (TE berichtete).

Ebenso war auch bei den Grünen zuletzt im Bundestag von einer „angebotsorientierten“ Energieversorgung (Sylvia Kotting-Uhl) als ‚schöne neue Welt‘ die Rede, bei der auf Strom regelmäßig verzichtet werden soll, wenn Wind und Sonne nicht genug liefern. Das Spitzenpersonal der Grünen verzichtete im Wahlkampf – geschont auch von den Medien – auf klare Aussagen, ob eine derart zerstörerische „StromMangelWirtschaft“ nun allen Ernstes eingeführt werden soll.

In der CDU war es Spitzenkandidat Armin Laschet, der regelmäßig eine „falsche Reihenfolge von Atom- und Kohleausstieg“ beklagte, somit das Thema in aller Deutlichkeit ansprach. Ebenso meldete sich auch Friedrich Merz mit deutlichen Anmerkungen zur derzeitigen Energiepolitik zu Wort.

Die parteilich einseitig orientierte Medienberichterstattung trug dazu bei, dass die Brisanz dieser Einlassungen in den vergangenen Monaten nicht erkannt wurde. Eine vertiefte, sach-orientierte Debatte wurde insbesondere vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitgehend unterbunden. Nun erreicht uns – in Konsequenz dessen – die Energiekrise mit voller Wucht.

Manche tun das alles als Panikmache ab und verweisen auf die – bislang noch tatsächlich sehr – zuverlässige Stromversorgung in Deutschland und darauf, dass die Kohlekraftwerke nach „offizieller“ Stilllegung doch noch teilweise verfügbar und in Reserve gehalten werden würden. Das aber ist eine sehr verlogene Argumentation, bei der man sich auf derzeit noch vorhandene, regulär betriebene Kohle- und Atomkraftwerke, auf teilweise noch verfügbare Reserve-Kohlekraftwerke (auch wenn man sie nicht mehr so benennt) und nicht zuletzt auch auf Kohle- und Atomstromimporte stützt, die alles andere als sichergestellt sind, wie die jüngste Vergangenheit mit mehreren Engpass-Situationen zeigte.

Von „Klimaschutz“ ist dabei immer dann keine Rede, wenn man auf Reserve-Kohlestrom und auf Kohlestrom-Importe aus Ländern wie Polen oder Tschechien zurückgreift, während man zugleich auch an diesem Ast, auf dem man unentrinnbar sitzt, beständig sägt.

Es liegt nun an den maßgeblichen Akteuren der Sondierungsgespräche und ihren Hintermännern, einen energie-, wirtschafts und sozialpolitischen Kollaps dieses Landes zu verhindern. Sofern sie dem Rat des Weltklimarats folgen, dann sollten sie das Recherche-Papier des Aktionskreises Energie und Naturschutz zur Möglichkeit von Laufzeitverlängerungen intensiv studieren und zu einem zentralen Gegenstand der Verhandlungen machen.

Aus energiewirtschaftlicher Sicht gilt es zu retten, was noch zu retten ist: Das Bundeswirtschaftsministerium müsste schnellstmöglich auf dem Verordnungsweg ein Rückbauverbot für Atomkraftwerke erlassen. Ferner müsste der Deutsche Bundestag mit Zustimmung von Grünen und SPD „in Verantwortung für dieses Land“ das Atomgesetz novellieren, so dass ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit, Preiswürdigkeit und CO2-Minderung möglich ist.

Um abschließend noch ein weiteres Mal den Eingangssatz zu wiederholten: Energiepolitik ist kein Wunschkonzert! Das müssen endlich auch Umweltverbände, NGOs und die Bewegung „Fridays for Future“ begreifen. Es geht um die Notwendigkeit, zu einer realitätstauglichen Energiepolitik auf der Höhe der Zeit „Ja“ zu sagen, insbesondere auch, um Schaden von künftigen Generationen abzuwenden.


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