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Britische Medien berichten über den Mörder von David Amess

Published On: 21. Oktober 2021 12:50

In der britischen Öffentlichkeit werden immer mehr Erkenntnisse zum Verdächtigen im Mordfall David Amess bekannt. Dennoch spielt das allem Anschein nach dschihadistische Motiv des Täters in vielen Medien kaum eine Rolle. Stattdessen scheint man fassungslos über den tiefen Fall eines Somaliers aus besserem Hause.

IMAGO / ZUMA Press

Der langjährige konservative Abgeordnete Sir David Amess wurde am vergangenen Freitagmittag in seinem Wahlkreisbüro durch 17 Messerstiche getötet. Er starb im Alter von 69 Jahren, hinterließ eine Frau und fünf erwachsene Kinder. Der mutmaßliche Täter wurde am Ort des Verbrechens in Leigh-on-Sea (Essex) in einem Zustand der Apathie (»blind behind the eyes«) gefasst. Doch die Tat war keineswegs aus »blindem Hass« begangen worden. Dieser Hass hatte eine Richtung und ein Ziel.

Der mutmaßliche Täter war, so drang schon kurz nach der Tat an die Öffentlichkeit, ein 25-jähriger Brite somalischer Herkunft und Muslim. Inzwischen wurde die Identität und ein Foto des Verdächtigen von der Boulevardzeitung The Sun veröffentlicht. Laut dem Blatt war Ali Harbi Ali schon vor einiger Zeit ins Visier des Anti-Terror-Präventionsprogramms der britischen Regierung geraten. Das ›Programm‹ ist eine eher lose Extremistenliste, auf der 6.000 Personen versammelt sind, die sich durch Online-Postings und Ähnliches verdächtig gemacht haben. In diesem Fall soll ein Lehrer – schon vor fünf Jahren – von der Radikalisierung Alis berichtet haben. Schulfreunde erzählen, dass Ali durch Online-Videos des islamistischen Predigers Anjem Choudary radikalisiert wurde. Er sei regelrecht besessen von Choudary gewesen.

Die Ermittler geben sich so gut wie sicher, dass die Tat nicht von ausländischen Terrorpaten gelenkt wurde. Sie durchsuchten drei Häuser in London, die möglicherweise in Verbindung zu der Bluttat standen. Beachtlich scheint, dass Ali 50 Meilen fuhr, um den Terrorakt in Leigh-on-Sea zu begehen. Laut Sun war Ali der Sohn eines ehemaligen Regierungsberaters aus Somalia, der in den 1990er Jahren ins Vereinigte Königreich einwanderte. Ali wuchs bis zum Alter von 16 oder 17 Jahren in einem Haus in London-Croydon bei seiner Mutter auf. Danach zogen er und sein Bruder aus, um zu studieren.

Zuvor hatte Ali lange als unauffällig und umgänglich gegolten. Er spielte Fußball und ging gern ins Kino, obwohl der Islam schon zu dieser Zeit eine große Rolle in seinem Leben spielte. Seine Persönlichkeit habe sich abrupt verändert, als er online auf Videos von Anjem Choudary stieß, der als »Hassprediger« und Feind der westlichen Lebensart gilt. Als möglicher Einfluss gilt außerdem die dschihadistische Gruppierung al-Shabaab, ein al-Qaida-Ableger aus Somalia.

Das diskrete Vorbeischauen der Medien am Motiv

Einzelne Kommentatoren bemerken derweil, dass in weiten Teilen der britischen Presse eine Täter-Opfer-Umkehr stattfindet, indem der Täter zur »verletzlichen Person« erklärt wird, die erst durch die Einsamkeit des Lockdowns radikalisiert wurde (so etwa die Times, einen Polizei- und Sicherheitsbericht zitierend). Zudem hat die Befürchtung viel Raum gefunden, dass der terroristische Akt eines Muslims zu vermehrten »Hassverbrechen« gegen Muslime führen könnte. Auch vom Internet und den sozialen Medien in toto ist wieder viel die Rede, als ob das Medium das Problem wäre. Dabei müsste es eigentlich um die Individuen gehen, die sich dieser Medien bedienen. Es geht hier nicht um eine anonyme Bedrohung aus dem Netz, sondern um Netzwerke, die auch außerhalb der »sozialen Medien« existieren, die Namen und Anschrift haben.

Auch der Vergleich mit dem Mord an der Labour-Politikerin Jo Cox im Jahr 2016 fällt nicht unbedingt günstig aus: Damals zögerten viele Medien nicht, die Schuld an diesem Geschehen den Brexit-Anhängern oder den Gegnern einer ungezügelten Immigration in die Schuhe zu schieben. Doch dass die Tat von Ali Harbi Ali vor allem mit seinem Dschihadismus zu tun hat, spielt heute in vielen Medien kaum eine Rolle. Stattdessen ist viel die Rede vom (durch die Tat) »traumatisierten« Vater des Täters.

Dabei müsste die Erinnerung an ähnliche Vorfälle in den letzten Jahren eine andere Sicht auf diesen politischen Mord bedingen: Im Mai 2010 wurde der Labour-Abgeordnete Stephen Timms von der Islamistin Roshonara Choudhry zweimal mit einem Messer in den Bauch gestochen. 2013 wurde der Soldat Lee Rigby unter Skandierung islamistischer Parolen mit Hiebwaffen und Messer ermordet. Im März 2017 fuhr ein Befürworter des Dschihad sein Auto in eine Menschenmenge in der Nähe des Parlamentsgebäudes und tötete vier Menschen, im Juni desselben Jahres fand ein ähnlicher Vorfall auf der London Bridge statt, wobei auch Messerangriffe dazukamen: Acht Menschen starben, 48 wurden verletzt.

Im November 2019 erstach ein ehemaliger Sträfling bei einem Reintegrationskurs an der London Bridge zwei Menschen und verletzte weitere. Man könnte die Liste wohl problemlos fortsetzen. Es geht nicht nur um Politiker, doch auch sie zählen zu den Opfern dieser Angriffe. Im Wochenmagazin Spectator bemerkt Sam Ashworth-Hayes, dass der radikal-islamische Hintergrund im neuesten Fall eher weniger als mehr Beachtung erfuhr. Dabei müsste ein solches Motiv gerade in diesem Fall besonders beunruhigen. Angegriffen wurde ein Repräsentant der britischen Demokratie.

Dschihadist Choudary: Gerüchte besagen, dass Amess für Israel war

Inzwischen hat sich auch Anjem Choudary, ehemaliger Anführer einer islamistischen Gruppe mit Verbindungen zum IS, das Internet-Idol Ali Harbi Alis, zu Wort gemeldet und bestätigt, dass er der Ermordung von David Amess durchaus Positives abgewinnen kann. Sein Hauptargument: »Gerüchte besagen, dass Amess pro-Israel war.« Für den ausgebildeten Juristen Choudary scheint das Grund genug für die Bluttat zu sein. In der Tat war Amess ein führendes Mitglied der Conservative Friends of Israel. Doch, so Choudary weiter, auch als Mitglied der Konservativen Partei, habe er Schuld auf sich gehäuft – und kam folglich als Terror-Opfer in Frage. Der Jurist Choudary hängte an, dass er natürlich keine solche Tat befürworte.

Am Ende könnte das Attentat weitreichende Auswirkungen auf die britische Politik haben. So forderte der konservative Ex-Minister Tobias Ellwood, auf Wahlkreisbüros überhaupt zu verzichten und im nächsten Schritt auf Zoom-Sitzungen umzustellen. Auch mit Telefongesprächen könne man oft viel schneller etwas bewirken. Erwirbt das Land von Speakers’ Corner nun eine Phobie vor dem öffentlichen Dialog?

Der neue Justizminister Dominic Raab, davor Außenminister, kündigte nun eine Strafverschärfung für Terroristen an, die mindestens zwei (warum nicht eine?) Person töten wollen oder in Kriegszonen reisen. 14 Jahre Haft sollen künftig diejenigen erwarten, die »im Namen verschrobener und fanatischer Ideologien morden«.

Am Montag besuchte Boris Johnson zusammen mit Innenministerin Priti Patel, Oppositionsführer Keir Starmer und dem Speaker des Unterhauses, Lindsay Hoyle den Tatort in Leigh-on-Sea, um dem ermordeten David Amess die letzte Ehre zu erweisen. Patel kündigte zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für Abgeordnete an, aber sprach sich nachdrücklich für eine Fortsetzung der Präsenztreffen von Politikern und Bürgern aus.

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