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Annalena Baerbock verdient Fairness – der Realitätsschock kommt früh genug

Published On: 22. Januar 2022 17:21

Außenministerin Baerbock darf bei ihren ersten Auslandsreisen den glücklichen Moment jedes Idealisten beim Start und auf der ersten Etappe genießen. Solange nicht die Realität gnadenlos zuschlägt, lässt sich rhetorisch jeder Widerspruch und jeder Mangel an Logik verbrämen.

IMAGO / photothek

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am 18. Januar 2022 in Moskau

Eine Erfolgsserie von Außenseitern, Exzentrikern und Dilettanten zieht sich wie ein roter Faden durch die Politik des freien Westens in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Die politischen Karrieren von Silvio Berlusconi, Donald Trump oder Joschka Fischer, neue Parteien von Komödianten und Milliardären, linken und rechten Populisten mögen als Belege dafür herhalten. Auch Annalena Baerbock darf stolz darauf sein, mit einer ungewöhnlich kargen akademischen Ausbildung und ohne jede Erfahrung in der Arbeitswelt in eines der höchsten Staatsämter Deutschlands gelangt zu sein.

Derzeit wollen Medien und Opposition betont fair mit der jungen Außenministerin umgehen; das gebietet schon die berühmte, durchaus sinnvolle 100-Tages-Frist, die jedem in einem neuen Amt vor einer Beurteilung zugestanden werden sollte. Wohl auch deshalb wurde Baerbock nach ihren Antrittsbesuchen in westlichen Hauptstädten und ihren Visiten in Kiew und Moskau vor allem mit Lob überschüttet. Viele Blätter schrieben von einem „souveränen Auftritt“ der Grünen-Politikerin, sie habe „die Feuerprobe“ bestanden. Gabor Steingart würdigte die Entschlossenheit Baerbocks, dem Kreml Moskau die Stirn zu bieten, mit der Aufgabe der Gas-Pipeline Nord Stream 2 zu drohen oder die Chinesen scharf wegen Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren.

Vielen schien es besonders wichtig, hervorzuheben, dass die neue Chefin im Auswärtigen Amt mit ihrem Anspruch einer „wertegeleiteten“ und „feministischen“ Außenpolitik ohne größere Pannen und Peinlichkeiten ihren frühen Parforceritt durch die Hauptstädte überstanden hat. Schließlich hatte die Grünen-Spitzenpolitikerin im Wahljahr 2021 vor allem mit eigenen Fehlleistungen zu ringen: Ihr Lebenslauf wurde als geschönt entlarvt, fragwürdige Einnahmen aus grünen Finanztöpfen mussten gerechtfertigt werden (noch immer ermittelt die Staatsanwaltschaft), ihr Buch wurde nach massiven Plagiatsvorwürfen vom Verlag zurückgezogen; ihre oft ungelenken, verkrampft wirkenden Auftritte und ihre rhetorischen Unzulänglichkeiten waren auch manchen Parteifreunden unangenehm. Die jüngsten Reisen zeigten, dass Baerbock – vermutlich mit professioneller Hilfe – an sich gearbeitet hat.

Auf der besonders heiklen Pressekonferenz in Moskau verschluckte sie nur selten Silben, ihr Ausrutscher mit „Fressefreiheit“ statt Pressefreiheit war diesmal eher untypisch, lediglich in der Fragerunde, ohne vorbereiteten Text, fiel sie zuweilen in enervierende „ähhs“ zwischen jedem neuen Gedanken oder auch Wort. Kaum jemand thematisierte ihre formalistischen und merkwürdigen Antworten auf die Frage nach den Sende-Problemen des russischen TV-Sender RT DE in Deutschland. In Deutschland gebe es keinerlei Einmischung in den Medienbereich, es gebe keinen staatlichen Rundfunk, weder einen deutschen noch einen anderen, betonte die Ministerin. Nichts anderes sind allerdings die Sender „Voice of America“, „Radio France“ oder auch die Deutsche Welle – und diese haben nicht die geringsten Probleme mit Funklizenzen in Deutschland.

Annalena Baerbock darf den glücklichen Moment jedes Idealisten beim Start und auf der ersten Etappe genießen. Solange nicht die Realität gnadenlos zuschlägt, lässt sich rhetorisch jeder Widerspruch und jeder Mangel an Logik vertreten und verbrämen, darf man munter Maximalforderungen stellen. Allerdings wird sich in Kiew ihr Amtskollege Dmytro Kuleba seinen Teil gedacht haben, als sie zwar jede Waffenlieferung an das akut bedrohte Land verweigerte, aber perspektivisch eine gemeinsame „Wasserstoff-Diplomatie“ vorschlug. Der höfliche russische Außenminister Sergej Lawrow musste die früheren Drohungen Baerbocks, die Gas-Pipeline Nord Stream 2 aufzugeben, kaum ernst nehmen, weiß er doch um die massive Unterstützung durch die Kanzler-Partei SPD in dieser Frage.

Und in Peking registrierte man aufmerksam, dass Firmenbosse wie VW-Chef Herbert Diess empört auf Erwägungen Baerbocks reagierten, Menschenrechtsverletzungen in China mit Handels-Sanktionen zu bestrafen. „Selten sah die Außenpolitik der Bundesrepublik dermaßen hilflos aus“, schreiben die Stuttgarter Nachrichten. Baerbock müsse eine Außenpolitik vertreten, „die so gern die Welt belehrt und in Moral-Kategorien redet, solange damit keine größeren Nachteile verbunden sind“.

Habeck hält seine Unfehlbarkeit für Vernunft

Kaum jemand spricht allerdings den Elefanten im Raum an: Das Auftreten Annalena Baerbocks bereitet vielen Unbehagen. Es stellt sich schon die Frage, ob jemand, der sich dermaßen um eine klare Sprache bemühen muss, jemand, dessen Körpersprache und Mimik so wenig Ruhe und Souveränität ausstrahlt, jemand, der sich nie intellektuell mit profundem Wissen und eigenen Ideen hervorgetan hat, jemand, der trotz Studiums in England ein fast erbärmliches Englisch spricht, wirklich prädestiniert ist, eine Mittelmacht wie Deutschland weltweit zu vertreten.

Im Jahr 2021 hat Baerbock mit dem Ausspielen der Frauenkarte ihrer Partei massiv geschadet. Mit der Durchsetzung ihrer Kanzler-Kandidatur gegen den populäreren und erfahreneren Robert Habeck hat sie vermutlich die große Chance der Grünen verspielt, erstmals ins Kanzleramt einzuziehen. Nun, als Außenministerin, wären es aber nicht die Grünen, die die Schwächen und Überforderung dieser ehrgeizigen Frau ausbaden müssten – diesmal stehen Interessen, Standing und Ansehen Deutschlands auf dem Spiel.

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