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Streit in der AfD um Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten eskaliert

Published On: 23. Januar 2022 19:08

Nachdem die CDU unter Friedrich Merz keinen Kandidaten für die Steinmeier-Nachfolge präsentieren kann, schafft es die AfD, sich darüber noch tiefer zu zerstreiten. Gegenüber TE geht Hans-Georg Maaßen auf Distanz zu Otte. Die Kandidatenkür wird zum Flügel-Krach.

IMAGO / Sammy Minkoff

Jörg Meuthen und Tino Chrupalla beim 10. AfD-Bundesparteitag in Braunschweig

Der Streit um die Nominierung des AfD-Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten im Februar spitzt sich zu einem erneuten Flügelkampf innerhalb der Partei zu. Nach TE-Informationen gab es ursprünglich eine interne Abmachung, nach der die beiden Bundessprecher der Partei, Jörg Meuthen und Tino Chrupalla, diese Frage im Einvernehmen klären sollten. Meuthen, der das Amt gerne loshaben will, gab dabei die Initiative an Chrupalla ab und blieb untätig. Meuthen hat seinen Rückzug angekündigt – allerdings findet die Partei keinen Ort für ihren Parteitag: Demokratie in Deutschland. Als Sprecher auf Abruf aber ist Meuthens Rolle in der Partei naturgemäß schwach.

Chrupalla plante daher einen Coup: Der Vorsitzende der WerteUnion, Max Otte, soll der AfD-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten werden – obwohl er Mitglied der CDU ist. Otte selbst bestätigte nach TE-Informationen gegenüber mehreren Parteimitgliedern seine Bereitschaft. Maßgeblich am Zustandekommen beteiligt ist Stephan Brandner. Er ist einer der führenden Köpfe des eher rechten Flügels.

Hinter der Nominierung Ottes steht so vor allem auch ein Manöver gegen den liberalen Flügel der Partei. Otte und Meuthen stehen seit Längerem in offenem Zwist. Otte hatte sich als Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung für die Einbindung des nationalkonservativen Flügels der Partei stark gemacht sowie Abgrenzungs- und Teilungsbestrebungen von Meuthen öffentlich scharf attackiert. So sieht er die Partei gelähmt, weil „Teilen der AfD Personalprobleme wichtiger zu sein scheinen, als die Einheit der Partei und die Entwicklung von Lösungsansätzen für Sachfragen“. 

Noch-Sprecher Meuthen reagiert ablehnend auf den Personal-Vorschlag Otte. In einer Telefonkonferenz der AfD-Landesspitzen am Freitag machte Meuthen seine Ablehnung gegen den Kandidaten nach TE-Informationen deutlich. Gegenüber Chrupalla selbst kündigte Meuthen trotz seiner geschwächten Position noch einmal Widerstand an. In einer TE vorliegenden internen Mail schrieb er:

„Der Versuch, einen maximal polarisierenden und höchst umstrittenen Kandidaten Otte auf Gedeih und Verderb gegen die Ablehnung reichlich der Hälfte der Partei und der Gremien durchzusetzen, wäre töricht, in hohem Maße spalterisch und bei der Wahl selbst ein peinlicher Rohrkrepierer zum Schaden der Partei im Ganzen. Das Thema Kandidatenfindung eignet sich wegen der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit nicht für die bei manchen hier so ungemein geliebten innerparteilichen Machtspielchen.“

Hintergrund der Nominierung ist in Teilen der AfD die Hoffnung, die Wahl Ottes könnte die CDU spalten und dazu führen, dass einige namhafte Konservative in der CDU den AfD-Kandidaten unterstützen. Tino Chrupalla selbst geht nach TE-Informationen davon aus, dass sich Hans-Georg Maaßen hinter Otte stellen würde. Auch bei den ehemaligen CDU-Abgeordneten Sylvia Pantel und Veronika Bellmann hoffte man auf Unterstützung. Diese Spekulationen sind allerdings völlig haltlos; Pantel lehnt, obwohl sie auf dem CDU-Parteitag als Kandidatin für den Parteivorstand durchgefallen ist, eine Zusammenarbeit mit der AfD ab.

Maaßen erklärte zu den Otte-Plänen gegenüber TE: „Das geht gar nicht! Damit schadet er der Union. Es wäre gut, wenn er dementieren würde, dass er sich von der AfD für das Amt des Bundespräsidenten nominieren lassen möchte.“ Und fügte hinzu: „Sollte die AfD ihn nominieren, würde ich aus der WerteUnion austreten.“ Maaßen lässt seine Mitgliedschaft bei der WerteUnion ruhen, seit Otte zu deren Vorsitzendem gewählt wurde. Gegen Maaßen wurden Forderungen nach Parteiausschluss laut; hier will er sich durch die Abgrenzung von Otte wohl innerhalb der CDU absichern.

Auf TE-Anfrage erklärte Sylvia Pantel: „In der Politik war und ist mir wichtig, offen und kontrovers über unterschiedliche Positionen und Meinungen zu diskutieren. Aber sich in einer Vorsitzenden-Rolle als CDU-Mitglied von einer anderen Partei für das Amt des Bundespräsidenten vorschlagen zu lassen, ist verantwortungslos und überschreitet die rote Linie. So etwas würde ich nie gutheißen, und wer das behauptet, lügt.“

Höcke spricht sich für Otte aus

In einer TE vorliegenden Mail des AfD-NRW-Vorsitzenden Rüdiger Lucassen an die Mitglieder des AfD-Bundesvorstands sowie die Landessprecher heißt es: „Max Otte hat mir heute Morgen bestätigt, dass er zur Verfügung steht und dass die Partei ‚auch mal zu Potte kommen‘ soll. Ja, genau das. Ich empfehle den medialen Aufriss zu nutzen, ihn zu unserer Strategie zu generieren und Max Otte als unseren Bundespräsidentenkandidaten zu vermarkten.“ Jetzt ginge es darum, „diesen publikumswirksamen Schwung operativ zu nutzen“. Friedrich Merz müsste die Nominierung „die Zornesröte in das Gesicht treiben“.

Dass die CDU auf einen eigenen Kandidaten verzichtet und Frank-Walter Steinmeier in höchsten Tönen lobt, macht diese Spielchen der AfD überhaupt erst möglich. Durch den Verzicht auf die Oppositionsrolle wird der AfD der Ball überhaupt erst zugespielt. Für Beobachter in der CDU gilt das als wichtige Grundsatzentscheidung: Statt klarer Kante setzt Merz auf einen Schmusekurs mit der Regierungskoalition.

Max Otte war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Auch Björn Höcke sprach sich in einer TE vorliegenden internen Mail für Otte aus. Er schrieb: „In der letzten Ländertelko wurde die Vorbereitung auf die Bundesversammlung thematisiert. Es gab – obgleich kein Stimmungsbild eingeholt wurde – offenkundig eine große Zustimmung zu der Überlegung, eine bekannte, noch im Establishment verankerte Person als Kandidat für unsere Partei zu gewinnen. Die am Freitag besprochene strategische Zielsetzung muß an dieser Stelle wahrscheinlich nicht mehr in Erinnerung gerufen werden. Ersichtlich ist für uns, daß selbige mit einer Kandidatur Max Ottes hervorragend personell untersetzt werden kann. Wir bitten die beiden Bundessprecher und die Bundesvorstände dringend um Unterstützung für diesen Kandidaten.“

Der liberale Flügel lehnt die Kandidatur Ottes vehement ab. Hauptargument: Otte ist kein Parteimitglied. Seine Kandidatur würde nicht die CDU, sondern die AfD spalten und im Gegenteil die CDU in der Ablehnung Ottes vereinen. Hier wird die Nominierung eines verdienten AfD-Mitgliedes vorbereitet.

Tino Chrupalla ist offenbar bereit, diesen Streit eskalieren zu lassen und öffentlich durchzukämpfen. Nach TE-Informationen ist sein riskanter Plan folgender: Montag will er den Vorschlag dem Bundesvorstand unterbreiten, obwohl auch er wissen kann, dass seine Chancen hier, auf eine Mehrheit zu kommen, gering sind. Sollte er scheitern, kündigte Chrupalla intern bereits an, dennoch, auch gegen den demokratisch legitimierten Bundesvorstand, in der Fraktionsspitze und anschließend in der Fraktion selbst eine Kampfabstimmung zu suchen. Sein Hauptargument jetzt: Durch die Veröffentlichung der Personalie Otte wurden Fakten geschaffen und die Partei müsse sich dahinter vereinen.

Der Versuch, nach ewigen Flügelkämpfen eine Einigkeit der Partei in der Bundespräsidenten-Frage zu erzielen, ist gescheitert – offenbar wegen der geschwächten Rolle Meuthens, und wegen des unausgesprochenen Vorstoßes von Chrupalla. Die Partei dürfte von all dem Schaden nehmen. Offenbar geht es vielen in der Partei aber ohnehin nicht mehr darum, der Partei als Ganzes zu Erfolgen zu verhelfen, sondern lediglich, dem eigenen Flügel parteiintern zu einer stärkeren Machtposition zu verhelfen. Dabei geht es immer rücksichtsloser zu.

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