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Ungeimpfte als „Blinddarm“? ZDF-Intendant Bellut sieht kein Problem

Published On: 27. Januar 2022 19:02

Dass eine Komikerin Ungeimpfte entmenschlicht, ist für ZDF-Intendant Thomas Bellut offenbar in Ordnung. Das zeigt seine Antwort auf eine Programmbeschwerde des ehemaligen Bürgerrechtlers und Rundfunkpolitikers Arnold Vaatz, die TE vorliegt.

IMAGO / Mike Schmidt

Anfang Januar veröffentlichte TE eine Programmbeschwerde gegen das ZDF von Arnold Vaatz, ehemals Bürgerrechtler, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und als Rundfunkpolitiker u.a. am Entstehen des ZDF-Staatsvertrages 1991 beteiligt. Anlass für die Beschwerde von Vaatz war eine Äußerung der Komikerin Sarah Bosetti, die in ihrer ZDF-Sendung Ungeimpfte mit einem Blinddarm verglich (TE berichtete). Sie sagte damals: „Wäre die Spaltung der Gesellschaft wirklich etwas so Schlimmes? Sie würde ja nicht in der Mitte auseinanderbrechen, sondern ziemlich weit rechts unten. Und so ein Blinddarm ist ja nicht im strengeren Sinne essentiell für das Überleben des Gesamtkomplexes.“

Zahlreiche Kritiker aus allen politischen Lagern empfanden diesen Vergleich mehr als überzogen, viele fühlten sich bei der Wortwahl an NS-Vokabular erinnert – laut Vaatz greift das ZDF mit diesen Aussagen gegenüber Ungeimpften und politisch nicht-links zu verortenden Menschen „offen eine Argumentationskette der Nazis auf, wie sie der im KZ Bergen-Belsen tätige und 1945 wegen seiner Verbrechen hingerichtete SS-Arzt Fritz Klein in Bezug auf Juden äußerte.“ Er bezieht sich dabei auf dieses Zitat des Truppenarztes bei der Waffen-SS, Fritz Klein: „Aus Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben würde ich einen eiternden Blinddarm aus einem kranken Körper entfernen. Der Jude ist der eiternde Blinddarm im Körper der Menschheit.“ Vaatz fordert den Rücktritt unter anderem des ZDF-Intendanten Thomas Bellut

Nun hat dieser die Beschwerde von Vaatz beantwortet, das Schreiben liegt TE vor. Bellut ist sich keiner Schuld bewusst: Er sieht kein NS-Vokabular – Bosetti habe lediglich auf „satirische Art und Weise ihren Frust über die aktuelle Corona-Situation“ zum Ausdruck gebracht. Der Blinddarm-Vergleich soll ein „als solches erkennbares Zitat des Liedermachers Rainald Grebe“ sein, mit dem dieser „die spießbürgerliche Gesellschaft“ kritisiert habe. Rainald Grebe sang: „Sie kam im Schneidersitz zur Welt. Ohne Ausdauer und Schnellkraft. Ich glaub da sitzt sie immer noch. Im Blinddarm der Gesellschaft. Sie hieß Dörte Becker“.

Ob die Aussage Bosettis wirklich ein „als solches erkennbaren Zitat“ dieser Strophe ist und als solches gemeint war? Im Lied ist der Blinddarm ein Raum, in dem sich jemand befinden kann: In Bosettis Vergleich sind bestimmte Gesellschaftsteile und damit bestimme Menschen selbst der Blinddarm. Den Vorwurf des NS-Vokabulars lässt Bellut gar Bosetti selbst bewerten: „Gegen den Vorwurf, sie verwende mit diesem Bild NS-Semantik, verwahrt sich Frau Bosetti selbst“. Wenn das als Argument ausreicht…

Vor diesem Hintergrund sei „eine Verletzung der Programmgrundsätze des ZDF nicht zu erkennen.“

Vaatz bezog sich in seiner Beschwerde auf Paragraph 5, Absatz Zwei des ZDF-Staatsvertrages. Darin heißt es, das ZDF habe in „seinen Angeboten die Würde des Menschen zu achten und zu schützen“ und solle dazu beitragen „die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinung anderer zu stärken“. Vaatz kündigte gegenüber TE an, auf eine Antwort des Fernsehrates zu bestehen, schließlich habe er sich an das Aufsichtsgremium gewandt und nicht mit dem (verantwortlichen und beschuldigten) Intendanten Bellut selbst korrespondiert.

Lesen Sie hier die ganze Antwort von ZDF-Intendant Thomas Bellut an Arnold Vaatz:

„Sehr geehrter Herr Vaatz,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30.12.2021 an den ZDF-Fernsehrat. Sie haben darin unser Online-Format „Bosetti will reden!“ vom 03.12.2021 angesprochen. Die Fernsehratsvorsitzende hat Ihre Eingabe gem. § 21 Abs. 2 der ZDF-Satzung (Beschwerdeordnung) an mich zur Prüfung weitergeleitet. Gerne möchte ich Ihnen hiermit antworten und Sie zugleich darüber informieren, dass die Fernsehratsvorsitzende eine Kopie dieses Schreibens zur Kenntnis erhält. Konkret kritisieren Sie an der genannten Ausgabe unseres Satireformats, sie würde „konkrete Vernichtungsphantasien gegen Menschen aufgrund ihrer politischen Einstellung“ äußern und dabei eine „Argumentationskette der Nazis“ aµfgreifen. „Bosetti will reden!“ ist ein Satireformat für die ZDF-Mediathek und soll anregen, kontrovers über Meinungen und Inhalte des gesellschaftlichen und politischen Zeitgeschehens zu sprechen. Humoristische Stilmittel, wie Zynismus oder Übertreibung sollen dafür sorgen, dass sich Menschen Gedanken zu den angesprochenen Themen machen. In dem Clip „Omikron – und täglich grüßt das Lockdowntier“ erläutert Frau Bosetti auf satirische Art und Weise ihren Frust über die aktuelle Corona-Situation. Wörtlich sagt sie: „Steift euch vor, es hätten sich einfach alle, die können, impfen lassen und wir hätten vor zwei Monaten mit dem Boostern angefangen – wir hätten jetzt ein Problem weniger. Aber Kritik an unsolidarischem Verhalten gilt dieser Tage ja als Aufruf zur Spaltung der Gesellschaft und es mag sogar stimmen. Aber ich beginne mich langsam zu fragen, ob die Spaltung der Gesellschaft wirklich etwas so Schlimmes ist.“

Sie führt diesen Gedanken weiter aus, indem sie feststellt, dass die Gesellschaft nicht einfach in der Mitte auseinanderbrechen würde. Hier bringt sie, mit einem deutlich als solches erkennbaren Zitat des Liedermachers Rainald Grebe, das Bild des „Blinddarms der Gesellschaft“ ins Spiel, mit dem dieser schon vor knapp 20 Jahren die spießbürgerliche Gesellschaft kritisierte. Ein Bild, das sie selbstironisch als „keinen Teil einer Biologie-Vorlesung, sondern einen mit schiefen Vergleichen gespickten Ausdruck tiefer Corona-Frustration“ einordnet. Gegen den Vorwurf, sie verwende mit diesem Bild NS-Semantik, verwahrt sich Frau Bosetti selbst und hat dies in einem weiteren Clip auf ihrem persönlichen Youtube-Kanal unmissverständlich klargestellt: https://www.youtube.com/watch?v=d4QIFFS53Rc Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung der Programmgrundsätze des ZDF nicht zu erkennen. 

Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Vaatz, für die kritische Begleitung unseres Programms. In der Hoffnung Ihre Bedenken mit meinen Ausführungen ausgeräumt zu haben, würde ich mich freuen, wenn Sie dem ZDF auch weiterhin als interessierter und kritischer Zuschauer erhalten bleiben.

Mit freundliche Grüßen,

Thomas Bellut“

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