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Das individualistische Manifest

Published On: 25. Oktober 2021 20:01

Ganz besonders hebt Mill hervor, dass keiner gezwungen werden darf, „etwas zu tun oder zu unterlassen, nur weil es so für ihn besser sei, ihn glücklicher machen würde oder nur weil andere meinen, dass es weise oder gerecht wäre, wenn er so handeln würde […]. Der Mensch ist Alleinherrscher über sich selbst, über seinen Körper und seinen Geist“ – Feststellungen von geradezu bestürzender Aktualität.

Als John Stuart Mills „Über die Freiheit“ („On Liberty“) 1859 erschienen war, wurde es in wenigen Wochen zu einem viel beachteten und vor allem unter der Jugend viel gelesenen Werk. Viele konnten ganze Passagen auswendig, Sätze daraus wurden zu geflügelten Worten. Wenige vor Mill haben so prägnant und emotional aufgeladen das klassische liberale Ideal vom Verhältnis zwischen Bürger, Staat und Gesellschaft dargestellt. Bis zum heutigen Tag gilt das Werk als das Manifest der liberalen Freiheitsidee und hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Doch es enthält auch schon all jene Elemente, die den Liberalismus für eine selbstzerstörerische, keineswegs freiheitliche linke Interpretation anfällig gemacht haben.

Anlass für Mill, seine Gedanken über die Freiheit niederzuschreiben war, dass durch Parlamentarismus und die Ausweitung des Wahlrechts eine neue Ära der Politik anbrach: Da inzwischen „die Machthaber wirklich dem Volk verantwortlich waren und von ihm ausgetauscht werden konnten, so konnte man wagen, sie mit einer Gewalt zu betrauen, deren Gebrauch das Volk selbst bestimmen konnte: Die Macht war nur die Macht des Volkes selbst“, schreibt er in der Einleitung.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Großbritannien in mehreren Schritten das Wahlrecht ausgeweitet, vor allem die Bevölkerung der schnell wachsenden Städte erhielt die Möglichkeit, sich an Wahlen zu beteiligen. Mill war zu jener Zeit Abgeordneter der liberalen Partei, die 1859, just im Erscheinungsjahr seines Werkes, unter der Führung von Lord Palmerston an die Macht gelangt war. Auch war Mill, leidenschaftlicher Vertreter der Handelsfreiheit, leitender Angestellter der Ostindischen Handelsgesellschaft, einer der wichtigen treibenden Kräfte des britischen Aufstiegs zur Weltmacht.

Die liberale Wirtschaftspolitik befeuerte die Konjunktur, das Eisenbahnnetz umfasste immer mehr Orte und war dabei, das Land zu vereinigen. Der Chartistenbewegung war es gelungen, die tägliche Arbeitszeit auf zehn Stunden zu beschränken, dank der wirtschaftlichen Entwicklung stieg das Lebensniveau, und eine neue, starke Mittelschicht war im Entstehen begriffen.

Großbritannien war zwar Vorreiter der radikalen Veränderungen, aber ganz Westeuropa wandelte sich in einem nie da gewesenen Tempo. Daraus speist sich Mills emphatische Bejahung und Einforderung der individuellen Freiheit – aber auch seine Ablehnung des sich abzeichnenden Neuen, der Entstehung der Massengesellschaft.

Die Tyrannei der Gesellschaft

Die frisch eroberte „Macht des Volkes“ warf neue Fragen auf, denn: „Das ‚Volk‘, das die Herrschaft ausübt, ist nicht immer dasselbe wie das, worüber sie ausgeübt wird, und die ‚Selbstregierung‘ bedeutet nicht, dass jeder von sich selbst beherrscht werde, sondern jeder von allen Übrigen“, schreibt Mill. Verwirklicht werde der Wille des größten und aktivsten Teil des Volkes: „Die Majorität umfasst diejenigen, denen es gelingt, sich als Mehrheit geltend zu machen; es ist darum möglich, dass das Volk wünscht, einen Teil aus seiner Mitte zu unterdrücken“, und so entstehe die „Tyrannei der Mehrheit“, und die Gesellschaft könne selbst zum Tyrannen werden. Deshalb reiche es nicht, das Individuum vor den Machthabern zu beschützen, es müsse auch vor der Tyrannei der herrschenden Meinung und des herrschenden Gefühls bewahrt werden, so Mill.

Das Eingreifen der kollektiven Meinung in die individuelle Lebensführung hat Grenzen, und Mill sucht nach einer Bestimmung dessen, wo diese Grenze zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlicher sowie politischer Kontrolle gezogen werden muss. Sein Grundsatz lautet: „Der einzige Grund, aus dem es der Gemeinschaft aller gestattet ist, einzeln oder vereint, eines ihrer Mitglieder in der Freiheit seines Tuns zu beschränken, ist der Selbstschutz. Und der einzige Zweck, um dessentwillen man mit Recht gegen ein Glied einer gebildeten Gesellschaft Gewalt gebrauchen darf, ist: Schaden für andere zu verhüten.“ Man beachte, dass hier von der gebildeten Gesellschaft, das heißt der Elite, die Rede ist.

Ganz besonders hebt Mill hervor, dass keiner gezwungen werden darf, „etwas zu tun oder zu unterlassen, nur weil es so für ihn besser sei, ihn glücklicher machen würde oder nur weil andere meinen, dass es weise oder gerecht wäre, wenn er so handeln würde […]. Der Mensch ist Alleinherrscher über sich selbst, über seinen Körper und seinen Geist“ – Feststellungen von geradezu bestürzender Aktualität.

Der Einzelne muss frei sein, den Plan seines Lebens zu entwerfen, zu tun, was er will, auch dann, wenn andere sein Handeln für „töricht, falsch oder pervers“ halten sollten. „Die einzige Freiheit, die diesen Namen verdient, besteht darin, unser eigenes Wohl auf unsere eigene Art zu suchen, solange wir dabei nicht die Absicht hegen, andere ihrer Freiheit zu berauben oder ihre dahin zielenden Anstrengungen zu durchkreuzen.“

Was Mill hier so großartig darstellt, bezeichnet die Politikwissenschaft (seinem späten Nachfolger Isaiah Berlin folgend) als negative Freiheit. Es geht um das für klassische Liberale wichtigste Recht, nämlich darum, in Ruhe gelassen zu werden. Obwohl Mill an keiner Stelle eine exakte Definition seines Freiheitsbegriffs formuliert, geht aus dem Text eindeutig hervor, was er unter Freiheit versteht: Das Individuum kann tun und lassen, was es will, solange es anderen keinen Schaden zufügt.

Aber stimmt das auch? Kann ich zum Beispiel beschließen, eine eigene Sprache zu benutzen? Ich kann es versuchen, aber keiner wird mich verstehen. Kann ich frei beschließen, in einem Land oder einer Region meiner Wahl zu leben? Nein, denn – auch wenn heutige Globalisten es gern anders sehen – die menschlichen Assoziationen, in diesem Falle Nationen, entscheiden darüber, wer zu ihnen gehört, mit wem sie zusammenleben wollen und wo sie das Siedeln zulassen. Kann ein Mann beschließen, mit mehreren Frauen gleichzeitig eine Ehe einzugehen? Noch ist das in den Ländern, die zum westlichen Kulturkreis gehören, nicht erlaubt, denn die Gesetze spiegeln (meistens noch) in der Geschichte entstandene kulturelle Übereinkünfte innerhalb einer Gemeinschaft wider.

Der liberale Angriff auf Überliefertes

Es gibt also offensichtlich mehr berechtigte Einschränkungen des freien Handelns der Individuen, als Mill zu akzeptieren bereit ist. Menschen sind keine frei schwebenden Einheiten, die ohne jegliche Bindungen auf die Welt kommen. Sie werden in Gemeinschaften hineingeboren, eignen sich – bewusst oder unbewusst – von Anfang an deren Geschichte, Kultur, Sitten und Traditionen an und werden so zum Teil dieser Gemeinschaften. Nur als solche können sie jene Tugenden entwickeln, die für das friedliche gesellschaftliche Zusammenleben unerlässlich sind: Loyalität zur Gemeinschaft, Verlässlichkeit, Gesetzestreue, Verantwortungsbewusstsein für sich selbst und für andere und die Bereitschaft, in der Not auch unbekannten Bürgern beizustehen.

Mill ist sich dieser traditionsbedingten, geschichtlich gewachsenen Einschränkungen der individuellen Freiheit durchaus bewusst, doch er sieht sie nur in negativem Licht und bezeichnet sie pauschal als „öffentliche Meinung“. Hier zeigt sich, welche Schwierigkeiten es mit sich bringt, dass Mill die von ihm verwendeten Begriffe (auch den der Freiheit) nicht genau definiert. Offensichtlich gehören zur von ihm gegeißelten „öffentlichen Meinung“ Traditionen, Sitten, Gebräuche und Überlieferungen, die sich in Gesetzen, Sprache und Kultur eines Landes niederschlagen, ebenso wie die um sich greifenden Verrücktheiten, unberechenbaren Launen und Emotionen von Massengesellschaften.

Mithilfe dieses pauschalen, nebelhaften Begriffs verwirft er alles, was „Sitte und Gewohnheit“ ist: Von all der Last des Tradierten sollten sich Menschen befreien, um sich endlich dem Fortschritt und der Reform anzuschließen. Es sei schon ein Verdienst, wenn jemand „nicht vor Sitte und Gewohnheit das Knie beugt“ und: „Die Tyrannei der Sitte ist überall das stehende Hindernis des menschlichen Fortschritts.“

Mill schließt jene Völker, die nach ererbten Sitten handeln, sogar aus der Geschichte aus: „Schließt doch Freiheit stets auch Befreiung vom Zwang der Gewohnheit ein; der Kampf zwischen diesen beiden Faktoren stellt das Hauptinteresse in der Geschichte der Menschheit dar. Der größere Teil der Welt hat im eigentlichen Sinne keine Geschichte, denn er steht völlig unter der Tyrannei der Sitte.“

Was sollen die Menschen nun, befreit von ihren tradierten Fesseln, mit ihrer Freiheit anfangen? Mills Rezept heißt: Sie sollen die eigene Persönlichkeit in voller Freiheit und Unabhängigkeit entwickeln. Aber wie soll das ohne die Gemeinschaft möglich sein? Das einfache Volk, offensichtlich die Mehrheit seiner Zeit, mochte diesen Weg – noch – nicht gehen. Die Mehrheit konnte nicht begreifen, warum diese Art, nach „überkommenen Mustern“ zu leben, nicht gut genug für jeden sein sollte. Und was noch schlimmer war: Selbstbestimmung gehörte nicht zu den Idealen der meisten. Die „Gesellschaft“ hat „den Sieg über das Individuum davongetragen“, und „die Gefahr, die der menschlichen Natur nun droht, ist nicht ein Übermaß, sondern ein Mangel an persönlichen Trieben und Neigungen […] Wer sich seinen Lebensplan von der Welt oder seiner engeren Umgebung vorzeichnen lässt, der bedarf dazu keiner anderen Begabung als der affenähnlichen Nachahmung.“ Welcher Menschentypus Mill als Ergebnis der Ausübung von Freiheit vorschwebte, kann man erkennen, wenn man betrachtet, wen oder was er kritisiert: „Eigenheiten im Geschmack, Exzentrizitäten im Handeln werden wie Verbrechen gemieden […] Ihre menschlichen Fähigkeiten verdorren und sterben ab; sie werden unfähig, starke Wünsche oder eingeborene Leidenschaften überhaupt zu empfinden.“ Hier sieht Mill die Schrecken der heraufziehenden Massengesellschaft und betrachtet Freiheit als das einzige Gegenmittel zu deren Vulgarität und Uniformität.

Schrecken der Massengesellschaft

Wie schon an vielen anderen Stellen seines Buches hat Mill recht und unrecht zugleich. Er ist ganz der elitäre Liberale, der – nicht anders als seine modernen Nachfolger – nur Verachtung für die ungebildeten, dem Individualismus fremd gegenüberstehenden Massen übrig hat. Von deren Bündnis mit der „Regierung des Volkes“ befürchtet er das Schlimmste, und das abermals zu Recht: „Gegenwärtig geht alle Individualität in der Masse unter. In der Politik ist es fast eine Trivialität zu sagen, dass die öffentliche Meinung jetzt die Welt beherrscht. Die einzige Macht, die diesen Namen verdient, ist die Macht der Massen und der Regierungen, sofern diese sich zum Organ für die Neigungen und Instinkte der Massen machen.“

Mit seinem Entsetzen über die im Entstehen begriffene Massengesellschaft ist Mill in seiner Zeit nicht allein. Seine konservativen Zeitgenossen wie John Ruskin oder Matthew Arnold blickten in den gleichen Abgrund, doch sie betrauerten im Unterschied zu ihm den Verlust des christlichen Glaubens, der Tradition und der Gemeinschaft. Mill dagegen wollte die Auflösungserscheinungen sogar beschleunigen, denn ihm war nicht bewusst, dass sein Rezept für die Freiheit – die Loslösung von Tradition und Glaube – zur Entstehung ebenjenes Massenmenschen führt, den er so verabscheute.

Was also bleibt von der Freiheitsidee John Stuart Mills? Gewiss die bedingungslose Einforderung der Selbstbestimmung des Individuums, seines Rechts, ein Leben nach eigenem Ermessen zu führen, auch wenn es Dummheiten begeht und sein Lebensstil anderen nicht gefällt – solange es anderen keinen Schaden zufügt. Von hohem Wert ist gewiss auch Mills Erkenntnis, zu welch unterdrückerischer Macht das Bündnis zwischen Regierung und aggressiven Trägern der öffentlichen Meinung werden kann, wenn das Ziel der Regierungstätigkeit nicht das Wohl der Nation, sondern die Bedienung wahlentscheidender Gruppen ist: Wir erleben diese Macht inzwischen tagtäglich.

Den größten Eindruck unter Intellektuellen hinterließ allerdings die zerstörerische Idee, dass wir uns erst von Sitten und Traditionen befreien müssten – heute würde man sie „Strukturen“ nennen –, um uns der freien Selbstverwirklichung widmen zu können. Letzteres ist zu einem der zentralen Anliegen des linken politischen Denkens seit Anfang des 20. Jahrhunderts geworden, weitergetragen von Intellektuellen wie Jean-Paul Sartre, Michel Foucault oder der Frankfurter Schule.

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