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Auch nach dem Afghanistan-Debakel: Der Elefant im politischen Raum bleibt unbeachtet

Published On: 24. August 2021 18:23

Die deutsche Politik reagiert auch auf die Ereignisse in Afghanistan mit der eingeübten Verweigerungshaltung vor den harten Fragen der Wirklichkeit. Über Krieg und Militärisches spricht man gar nicht oder nur höchst moralisch. Und über Einwanderung nur im Tenor der Maximallösung.

IMAGO / photothek

Und noch ein Elefant im politischen Raum, der zu den bereits Backe an Backe harrenden Dickhäutern drängt. Doch unsere Politiker stehen, Haltung annehmend, lieber mit dem Rücken zum Porzellanladen. 

Nach allen Pleiten, Pech und Pannen seit Angela Merkels Amtsantritt nun auch noch das: Afghanistan. Hatten wir doch eigentlich längst vergessen, schließlich wurde stets darauf geachtet, dass möglichst niemand die sonnen- und sandgegerbten Veteranen bei der Rückkehr nach Deutschland zu Gesicht bekam. Der Flughafen Leipzig hatte extra einen Hinterausgang für sie bereit. Same procedure auch kürzlich, nachdem die letzten von einem zwanzig Jahre währenden Desaster zurückkamen: Corona sei Dank, dass man ihnen keinen großen Bahnhof bereiten musste.

Soldaten und Militär mag man bei uns nicht. Und wenn’s dann doch mal sein muss, möchten wir bitte nicht ins Detail gehen. Etwa, dass die 59 in Afghanistan ums Leben gekommenen deutschen Soldaten nicht beim Brunnenbauen oder der Begleitung von Mädchen in die Schule gestorben sind – im Dresdner Militärhistorischen Museum konnte man ein von Schüssen durchlöchertes Fahrzeug besichtigen. Und Krieg? Das böse K-Wort kommt uns nicht über die Lippen – dabei ist eine „militärische Aktion“ keineswegs harmloser, im Gegenteil: Im erklärten Krieg gelten wenigstens Regeln. 

Außenpolitik ist in unserem kleinen Paradies so unterentwickelt wie strategisch-militärisches Denken. Lieber hält man an der romantischen Vorstellung einer „Friedensarmee“ fest, in der auch Frauen im Schwangerschaftsanzug im Panzer ihren gewaltfreien Dienst tun. Der Unernst, mit dem Menschen behandelt werden, denen man im Fall des Falles zumuten muss, ihr Leben zu riskieren, ist atemberaubend. 

So urteilte Marcel Bohnert, der als Oberstleutnant im Generalstabsdienst der Bundeswehr dient, in einer Studie bereits 2017 über den Einsatz in Afghanistan: Zur Erreichung dieser Ziele habe es „nie eine umfassende und kohärente politische Strategie“ gegeben. Unzulängliche politische Vorgaben hätten es nicht erlaubt, eine schlüssige militärische Strategie zu definieren. Angesichts der unterlassenen geistig-strategischen Vorbereitung und mangels einer realistischen Beurteilung der Lage habe der Einsatz einem „naiven Abenteuer“ geglichen.

Auch im Auswärtigen Amt hat man das Denken über Militärisches und harte Sicherheitsfragen verlernt. Doch selbst jetzt wird die Debatte nicht geführt werden über Sinn und Zweck der Bundeswehr, die unter ständigem Verdacht (rechts!) steht und eine „Parlamentsarmee“ ist. Letzteres bedeutet nichts anderes, als dass sie von Dilettanten in Einsätze geschickt wird, deren Sinn und Zweck unter Moralgewolke versteckt wird, schon, weil man weder das eine noch das andere durchdacht hat. 

Denn gottlob steht jetzt wieder das Menschliche an vorderster Stelle, damit kennen wir uns besser aus – mitsamt der moralischen Erpressung, die bis eben noch hieß „Ja, sollen wir sie denn ertrinken lassen“?

Die Taliban waren schneller, als man annahm – und die milliardenschwer ausgebildete afghanische Armee lieferte sich und sämtliches militärisches Gerät den Sandalen- und Mopedkriegern friedlich-freundlich aus. Warum auch nicht? Offenbar haben sie an das moralisch hochstehende Kriegsziel gar nicht erst geglaubt: Dass man Demokratie und Rechtsstaat einführen bzw. deren noch nicht einmal rudimentär vorhandene Elemente verteidigen müsse. Die „selbstbewusste afghanische Zivilgesellschaft“ (Heiko Maas) jedenfalls ließ sich beim Vormarsch der Taliban nicht blicken.

Zwanzig Jahre lang haben die Interventionsstreitkräfte den einen im Land Hoffnung gemacht – den anderen waren sie ein Dorn im Auge. Zurück bleiben enttäuschte Hoffnungen und gefährdete Leben. Und nun? Um die sogenannten „Ortskräfte“, die Afghanen, die als Dolmetscher, Chauffeure, Köche usw. gearbeitet haben, hat man sich nicht rechtzeitig gekümmert. Und jetzt, im Chaos am Flughafen Kabul, weiß man erst recht nicht, wer legitimerweise Asyl in Deutschland erwarten darf und wer nicht. Eines jedenfalls lässt sich denken: Auch die bei uns straffällig gewordene Afghanen, so gar Islamisten, werden nun nicht mehr abgeschoben. Robert Habeck hat es schon ganz offen gefordert.

Derweil traut sich Laschet zu rufen: „2015 darf sich nicht wiederholen“. Also keine chaotische und unkontrollierte Einwanderung von Menschen, die sich mit dem Wort „Ortskraft“ ihre Eintrittskarte erworben haben – so wie man einst nur „Syrer“ sagen musste? Alle dürfen kommen, auch ohne Visum? Das ist schnell versprochen. Doch womöglich muss man das Versprechen gar nicht halten: Das dürften schon die Taliban selbst verhindern, die womöglich nicht daran interessiert sind, allein im Land zurückzubleiben… 

Doch die Deutschen, die noch nicht einmal enge Mitarbeiter evakuieren können, diskutieren bereits wieder über Maximallösungen: Am besten, wir retten alle. Wie passend, dass die US-Amerikaner ihre Afghanen erst mal in ihren deutschen Stützpunkt Ramstein ausfliegen.

Achja, das Menschliche – von allem anderen verstehen wir nichts, weshalb auch weder Außenminister noch Verteidigungsministerin ihren Hut nehmen müssen. Doch auch das Menschliche schafft dieses kaputtregierte Land nicht – Verantwortung zu übernehmen, ohne die Kontrolle zu verlieren. 


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