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Habermas und die Philosophie der Unfreiheit als Glaubensbekenntnis

Published On: 13. Oktober 2021 14:27

Mit Jürgen Habermas wurde der Linksliberalismus – also so etwas wie Liberalismus ohne Freiheit oder wie Marxismus mit bürgerlichem Gesicht – zur Leitideologie der Bundesrepublik. Besonders deutlich wird das im jüngsten Text des Philosophen über die Corona-Politik.

Philosophische Überlegungen beginnen mit Fragen, ideologische mit Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat. Jürgen Habermas beginnt seinen aktuellen Beitrag über die Grundrechtsdebatte in der pandemischen Ausnahmesituation mit der dogmatischen Setzung, dass eine pandemische Ausnahmesituation existiert. Das ist allerdings alles andere als philosophisch gedacht. Zuallererst müsste doch die Frage geklärt werden, ob eine pandemische Ausnahmesituation überhaupt besteht, denn die Ausnahmesituation ist ja nicht pandemisch, sie ist allenfalls gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich etc.. Oder befindet sich die Pandemie in einer Ausnahmesituation? Das kann nicht einmal Jürgen Habermas gemeint haben. 

Die Ausnahmesituation ist politisch verursacht, also gesellschaftlicher Natur, denn die deutsche Gesellschaft wurde durch die Lockdowns, durch Versammlungsverbot, durch Maskenpflicht, durch die Maßnahmen der Regierung in einen Ausnahmezustand versetzt. Daraus ergeben sich zwei miteinander zusammenhängende Fragen: Erstens: waren die Maßnahmen der Regierung sinnvoll? Und zweitens: war die Regierung zu diesen Maßnahmen berechtigt, besaß und besitzt sie das Recht, die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken?

In Frage steht der politische Umgang mit einem erhöhten Infektions-, Krankheits- und Sterberisiko, das durch einen höchst virulenten Erreger ausgelöst wird. Habermas lässt wie ein drittklassiger Zauberkünstler die Ursachen der Ausnahmesituation in einer quasi apokalyptischen Metapher verschwinden, um unhinterfragt die Ausnahmesituation als objektiv zu setzen. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation, weil wir uns in einer Ausnahmesituation befinden. In der Tautologie wird die Logik nur besonders zwingend. Aber allein der Blick auf Schweden zeigt, dass die „pandemische Ausgangssituation“ nicht objektiv gegeben ist, sondern der Umgang mit der Pandemie verschiedene Formen annehmen kann und keineswegs zu einer Ausnahmesituation führen muss, die in der Habermaschen Vorrausetzungslosigkeit nur eine Metapher für den Ausnahmezustand selbst darstellt.

Habermas gesteht das sogar selbst ein, ohne allerdings zu begreifen, dass er sich selbst widerspricht, wenn er die deutschen Pandemiemaßnahmen über den grünen Klee lobt, gesteht er ein, dass auch andere Maßnahmen existierten, was die objektive Setzung des „pandemischen Ausnahmezustandes“ in Frage stellt. Auch Habermas sieht, dass die Regierung undemokratisch gehandelt hat, doch will er im Gegenteil, diesen „Rückfall unter das rechtliche Niveau reifer Demokratien begründen“. Aus durchsichtigen Motiven fragt der Starphilosoph der Linksliberalen allerdings nicht danach, welche Kriterien für eine Ausnahmesituation gelten, sondern möchte rechtlich absichern, dass eine Regierung, wenn sie vermöge ihres Willens eine Ausnahmesituation deklariert, sie jegliches Recht besitzt, die Freiheitsrechte der Bürger zu kassieren. 

Obwohl der Ausnahmezustand nicht charakterisiert und erst recht nicht begrifflich gefasst wird, sieht der Philosoph den Ausnahmezustand, der objektiv sui generis ist, als Armageddon, als großes Verhängnis, als Weltuntergang. Man fühlt sich in den Werbetext zu Filmen wie „Independence Day“ versetzt, wenn Habermas allen Ernstes behauptet, dass die „Bekämpfung der Pandemie als eine (freilich mit ungleichen Waffen geführte) Kriegführung von Species gegen Species“ zu verstehen ist.

„In diesem „Krieg“ gegen das Virus werden dem Gegner allerdings keine Rechte zugeschrieben; daher ist der Vergleich mit der militärischen Auseinandersetzung zwischen Nationen nur von begrenztem Wert. Die beteiligten „Parteien“ bewegen sich nicht in einem geteilten sozialen Raum, beispielsweise dem des Völkerrechts; aber wie im Krieg besteht das strategische Ziel in der möglichst schnellen Bezwingung des Gegners bei möglichst geringen eigenen Verlusten.“

Die Viren besitzen also für Habermas ein strategisches Ziel, so als ob sie von einem Obervirus und dessen Generalstab in die Schlacht geschickt werden. Der Professor scheint, „Star Wars“ mit der Tagesschau zu verwechseln. Erstaunlich ist, dass Habermas den Virenstaat, den er imaginiert, im Grunde dann doch durch die Hintertür zu einem völkerrechtlichen Subjekt macht, das bewusst ein Ziel verfolgt, in dem Fall, den Feind Mensch schnell zu bezwingen. 

Die Vorstellung, dass die Menschen einen Krieg gegen das Virus führen, ist natürlich vollkommen abwegig, hat aber die Absicht, die Maßnahmen einer Regierung dadurch zu rechtfertigen, dass sie sich im Krieg, also in einem höheren Ausnahmezustand befindet, um dann die alte Leier „Not kennt kein Gebot“ mit Stentorstimme abzusingen. Denn: „Die asymmetrische Beanspruchung der Bürgersolidarität auf Kosten gleichmäßig gewährleisteter subjektiver Freiheiten kann durch die Herausforderungen einer Ausnahmesituation gerechtfertigt sein.“ Das kann sie aber nur, wenn auch die Annahme dieser Ausnahmesituation gerechtfertigt ist. Diese Rechtfertigung bedarf der Begründung, die Setzung reicht nicht aus, anders formuliert, sie muss im Rahmen des geltenden, nicht eines künftigen, von Habermas imaginierten Rechts überprüfbar sein. Gerade die Ausrufung eines Ausnahmezustandes bedarf keiner Schwächung der Gerichte, wie es Habermas vorschwebt, sondern im Gegenteil einer Stärkung, stärkerer juristischer Kontrolle. Souverän ist eben nicht, „wer über den Ausnahmezustand entscheidet“, er besitzt nur die Macht dazu. Hemmungslose Carl-Schmitt-Lektüre macht nicht immer klüger.

Die Argumentation von Jürgen Habermas läuft auf die Grundaxiome aller gehabten, aller existierenden und aller kommenden Diktaturen hinaus: um den von der Regierung oder den Machthabern behaupteten Weltuntergängen zu entgehen, sind alle Maßnahmen der Regierung gerechtfertigt und sie unbedingt und widerspruchslos zu befolgen, weil die Regierung nicht das Recht hat, den Weltuntergang eintreten zu lassen. Sie ist zur Selbstermächtigung gezwungen.

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Habermas redet das Wort einer politisch bestimmten Triage der Bürgerrechte. Er hebelt die staatsrechtlich gebotene Debatte aus, die zu klären hätte, durch welche realen Bedrohungen die Ausrufung eines Ausnahmezustandes gerechtfertigt ist und nicht weniger wichtig, welchen rechtlichen Kontrollen sich die Ausrufung des Ausnahmezustandes zu unterwerfen hat, indem er rhetorisch fragt, „ob der demokratische Rechtsstaat Politiken verfolgen darf, mit denen er vermeidbare Infektionszahlen und damit auch vermeidbare Todesfälle in Kauf nimmt.“

Da er kein Argument für die Selbstermächtigung der Regierung, um die es in Wahrheit geht, besitzt, wiederholt er die falsch gestellte Frage geradezu wie ein Mantra, doch wird sie auch in der Redundanz nicht richtiger. Denn die Frage lautet, die Habermas fürchtet und fürchten muss, weil sie seine ganze Argumentation den Boden entzieht, ob die Maßnahmen der Regierung „Infektionszahlen“ und „Todesfälle“ reduziert haben, denkt man nur an den offiziell und doch wieder euphemistisch eingeführten Terminus „mit und an Corona“ gestorben. Menschen, die einsam im Altersheim ohne ihre Angehörige verstarben, scheinen für Jürgen Habermas nur achselzuckend hingenommene Kollateralschäden zu sein, die dankenswerterweise das erforderliche Maß an „Solidarität“ aufgebracht haben. 

Bleiben wir bei dem Beispiel: „Das solidarische Verhalten, das Staatsbürger voneinander erwarten dürfen, wird vielmehr getragen von dem reziproken Vertrauen auf die Bereitschaft des anderen, sich in Zukunft ebenso zu verhalten, sobald sich eine ähnliche Situation mit anderer Rollenverteilung ergeben sollte“, schreibt Habermas. Durften die einsam im Altersheim Verstorbenen, im Sterben im „reziproken Vertrauen“ erwarten, dass ihre Enkel „sich in Zukunft ebenso … verhalten“, also auch einsam sterben werden? Man kann kein normatives Verhalten mit einem Vorgriff auf ein imaginiertes Verhalten in der Zukunft begründen. 

In seiner Hilflosigkeit argumentiert Habermas mit dem „finalen Rettungsschuss“. „Dementsprechend greift der Staat im Falle des „finalen Rettungsschusses“ als der neutrale Hüter des Rechts in einen lebensgefährlichen Streit zwischen einzelnen Personen ein, während er heute in der Rolle eines politischen Akteurs bei der Verfolgung kollektiver Ziele die Verantwortung für mögliche Nebenfolgen des eigenen Handelns trägt; in dieser Rolle hat er die Pflicht, nach Möglichkeit alles zu vermeiden, was das Leben von Bürgern aufs Spiel setzt.“

Nur geht es beim finalen Rettungsschuss nicht um „kollektive Ziele“, sondern ist er individuell an den konkreten Fall gebunden. Zudem wird die Notwendigkeit, die Rechtlichkeit der Anwendung der Schusswaffe in einem gesetzten Verfahren untersucht. Diese Argumentation lässt sich nicht von einer Einzelperson auf eine Nation übertragen. Mit dem einen gezielten Schuss ist das Virus eben nicht eliminiert – und, um im Bild zu bleiben, würde in diesem Fall die Waffe auf das Opfer, auf die Gesellschaft, angelegt werden. Entscheidend ist jetzt doch, dass Habermas die Regierung nicht in der Pflicht sieht, sich rechtlich zu verantworten, denn die Bürger müssen darauf vertrauen, „dass die Regierung das gesundheitspolitisch begründete Regime der gesetzlich verordneten Solidaritätsleistungen nicht über die aktuelle Gefahrensituation hinaus verstetigt.“ Den Bürgern bleibt also nur das blinde Vertrauen in die Ehrenhaftigkeit und Kompetenz der Regierung? 

Habermas spricht nicht vom grundgesetzverbrieften Widerstandsrecht der Bürger, das er gänzlich vergessen hat, nicht von der Einklagbarkeit der Rechte, sondern vom frommen Vertrauen des Bürgers in die Regierung. Für Habermas liegt das „Geheimnis jenes demokratischen Rechtsstaates“, darin, dass er „durch politische Vergemeinschaftung der Bürger zugleich deren Individualisierung ermöglicht.“ Es ist eine hübsche Pointe, dass es im Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels über den Kommunismus heißt, dass er eine Gesellschaft sei „worin die freie Entwicklung eines Jeden die Bedingung für die freie Entwicklung Aller ist.“ Doch genau wie Jürgen Habermas haben die SED-Oberen den Satz stets genau andersherum verstanden, nachdem der Kommunismus eine Gesellschaft sei, „worin die freie Entwicklung Aller die Bedingung für die freie Entwicklung eines Jeden ist.“ Selbst der Gesellschaftsentwurf von Karl Marx und Friedrich Engels war vom Grundsatz liberaler als das totalitäre Gebilde des linksliberalen Meisterdenkers. 

Um dem Staat die totalitären Prärogative einzuräumen, vergesellschaftet Habermas den Staatsbürger, der Vertrauen zu den Maßnahmen der Regierung haben muss und unter deren „staatlicher Schutzpflicht“ er steht. Diktatorischer geht es nimmer: Der Bürger steht unter „staatlicher Schutzpflicht“. Um das zu begründen, spielt Habermas unterschiedliche Grundrechte des Grundgesetzes gegeneinander aus. Er behauptet, dass die Würde des Menschen nur geschützt werden kann, wenn dessen Physis unversehrt ist. Wie soll der Staat aber garantieren, dass die Physis des Menschen unversehrt bleibt, wie soll er jeden Verkehrsunfall verhindern, das gelingt nicht einmal mit der flächendeckenden Einführung des Lastenfahrrads. Der Staat kann keine Garantie für die physische Unversertheit übernehmen, aber er kann rechtlich die Verletzung der Würde sanktionieren.

Wer aber die Würde des Menschen, wie Habermas es unternimmt, auf die physische  Unversertheit reduziert, raubt dem Menschen bereits die Würde. Es hat schon Orwellsches Format, die Freiheit mit dem Erhalt der Freiheit abschaffen zu wollen.  Den Satz des Grundgesetzes „Die Freiheit der Person ist unverletzlich“, scheint Habermas so zu verstehen: Da ohne den Schutz des Lebens keine Freiheit möglich ist, ist es gerechtfertigt zum Schutz des Lebens, Freiheit außer Kraft zu setzen, denn durch die Suspendierung der Freiheit wird durch die Rettung des Lebens die Freiheit erhalten. 

Habermas balanciert nicht die Schutzpflichten des Staates und die Freiheitsrechte der Bürger aus. Das Grundgesetz schiebt er beiseite oder er versucht sich an einer Verkehrung des Grundgesetzes. Der Staat ist auf die „Solidarleistungen“ der Bürger angewiesen, die er auch erzwingen darf. Denn: „Die asymmetrische Beanspruchung der Bürgersolidarität auf Kosten gleichmäßig gewährleisteter subjektiver Freiheiten kann durch die Herausforderungen einer Ausnahmesituation gerechtfertigt sein.“

Selbst wenn man das seltsame Wort „Bürgersolidarität“ nicht mit Untertanengeist übersetzen möchte, bleibt die normative Begründung der Ausnahmesituation und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit außen vor. Die „pandemische Ausnahmesituation“ mit Rückgriffen auf den „finalen Rettungsschusses“ und auf den Kriegszustand abzusichern, greift ins Leere, denn im Gegensatz zur „pandemischen Ausnahmesituation“ sind die beiden anderen Fälle klar rechtlich definiert und umrissen und auch temporär einsehbaren Normen unterworfen. Habermas behilft sich damit, dass er die hochgeschätzten „medizinischen Experten“ gegen die herabgesetzten juristischen Experten ausspielt.

Aus dem Maschinenraum des Nonsens

Mal ganz abgesehen davon, dass Habermas Äpfel mit Birnen vergleicht, weil hier unterschiedliche Bereiche und unterschiedliche Expertisen in Rede stünden, verkennt oder verschweigt der linksliberale Meisterdenker, dass auch die medizinischen Experten nicht einer Meinung waren. Gerade die wissenschaftliche Einschätzung der Pandemie und der wirksamen Maßnahmen stand und steht in der Diskussion. Gerade er müsste, wenn er es denn mit der Freiheit und der Wissenschaft und mit der Freiheit der Wissenschaft ernst nähme, gegen eine wissenschaftsfeindliche und zudem zutiefst demagogische (oder verschwörungstheoretische wie das neuen Wort für Demagogie lautet) Praxis das Wort erheben, die darin besteht, eine einzelne wissenschaftliche Meinung zu verabsolutieren, um sie als Gesamtmeinung der Wissenschaft zu präsentieren, wobei ihre wissenschaftliche Qualität oder Konsistenz keine Rolle spielt, sondern nur der politische Nutzen, der sich aus der wissenschaftlichen Hypothese ziehen lässt. Damit entwissenschaftlicht sich Wissenschaft und wird zum Dogmenproduzenten einer neuen Säkularreligion, säkular deshalb, weil sie jede Transzendenz, die Religion erst bedingt, ablehnt. 

Humor besitzt Habermas jedenfalls. Er nennt Karl Lauterbach einen „hartnäckigen Fachpolitiker“ und dankt ihm überschwänglich, dem Retter des Vaterlandes. Während sich die medizinischen Experten, zumindest die, die der Meisterdenker kennt, um die Volksgesundheit verdient gemacht haben, „haben die Fürsprecher der Lockerungslobby unter Berufung auf den öffentlichen Rat juristischer Experten die grundrechtlich geschützten subjektiven Freiheiten der Bürger gegen angeblich unnötige oder unverhältnismäßige Eingriffe des Staates eingeklagt.“ Fazit: Wer nicht Karl Lauterbachs und Jürgen Habermas‘ Meinung ist, wer auf Freiheitsrechte pocht und nicht der Selbstermächtigung der Regierung zustimmt, wer kritische Fragen stellt und auf Wissenschaft in ihrer einzig möglichen, nämlich pluralistischen Form besteht, wird als „Corona-Leugner“ aus dem Kreis der Diskussion verbannt.

Habermas versteht unter Diskurs das Selbstgespräch des Jürgen Habermas mit sich selbst, denn die anderen betreiben „die politisch aggressive und verschwörungstheoretisch begründete Verleugnung der pandemiebedingten Infektions- und Sterberisiken“. Die „Proteste der Corona-Leugner“ sind „scheinliberal“ und besitzen einen „rechtsradikalen Kern“. Wer Auskünfte über die Querdenker bspw. wünscht, muss sich nur an den Weltgeist beim Ansehen der Tagesschau, an Jürgen Habermas, wenden, der sich nicht zu schade dafür ist, eine Verschwörungstheorie nachzuplappern, die Jürgen Trittin Anfang der neunziger Jahre in seinem Buch „Gefahr aus der Mitte. Die deutsche Politik rutscht nach rechts“ unter das Medienvolk brachte, wenn Habermas in diesem Zusammenhang vom „in libertären Formen auftretenden Extremismus der Mitte“ spricht. 

Forum unterschiedlicher Meinungen

Wenn Jürgen Habermas sich die Zeit genommen hätte, Wolfgang Schäuble zuzuhören, hätte er uns entweder die totalitären Träumereien seines Textes erspart, oder sich bestätigt gefühlt, denn die Maßnahmen der Regierung schätzte Schäuble wie folgt ein: „Die Coronakrise ist eine große Chance. Der Widerstand gegen Veränderung wird in der Krise geringer. Wir können die Wirtschafts- und Finanzunion, die wir politisch bisher nicht zustande gebracht haben, jetzt hinbekommen …“ Pandemiemaßnahmen also auch als Mittel zum politischen Zweck. Stellt das nicht die von Habermas behauptete Dignität selbiger in Frage?

Das interessante am Text von Jürgen Habermas ist, mit welcher Inbrunst er die Aufklärung ablehnt und einem staatsautoritären Gemeinwesen das Wort redet, das die Interessen des Einzelnen, des Bürgers dem Herrschaftswillen einer Regierung unterordnet, einer höheren Moral, einem Vergemeinschaftungsideal. Denn indem Jürgen Habermas erstens vergisst, dass die Verfassung die Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat enthält, zweitens die Gewaltenteilung die Grundlage unserer Freiheit ist und er drittens eine über Carl Schmitt hinausgehende Vergötterung des Ausnahmezustandes vornimmt, rechtfertigt er die Selbstermächtigung der Regierung über die Freiheitsrechte der Bürger. Das nennt man dann einen autoritären Staat. Schließlich leben wir immer in Ausnahmezuständen, Krise ist immer, die Apokalypse allgegenwärtig.

Was heute im Namen der Bekämpfung der Pandemie an Freiheitsrechten außer Kraft gesetzt wird, geschieht morgen angesichts der behaupteten Klimakrise. Denn wie schrieb bereits der Jurist Schomerus: „Der Kampf gegen das Virus kann eine Vorbildwirkung für die Bekämpfung der globalen Erwärmung haben.“ Und er ist nicht der einzige, der das so sieht. Die neue Regierung, die sich zu bilden scheint, dürfte das nicht anders sehen, inspiriert von folgender Beobachtung: „Im Angesicht der tödlichen Gefahr … nimmt die Bevölkerung in einem beispiellosen Akt der Solidarität massivste Grundrechtseinschränkungen in Kauf … Diese werden ohne großes Murren hingenommen.“ Im Hinnehmen ohne Murren steckt die größte Gefahr für unsere Demokratie, für unsere Freiheit – für unser Leben. 


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