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Die Schwarzen holen sich die ÖVP von den Türkisen zurück

Published On: 16. Oktober 2021 9:57

Die Landeshauptleute der ÖVP haben die Möglichkeit ausgeschlagen, einen aus ihren Reihen als Kanzler an die Spitze der bisherigen Koalition oder einer anderen zu stellen. Damit haben sie die Wahrscheinlichkeit selbst befördert, dass der nächste Kanzler gar kein Schwarzer mehr sein wird.

Nicht weil es in der Affäre Kurz auch um Meinungsumfragen geht (mehr allerdings um ihre Umwegfinanzierung) verdient eine aktuelle Umfrage (Zeitraum 7. bis 11. Oktober) im Auftrag der Kronenzeitung Aufmerksamkeit, sondern weil ihre Ergebnisse mehr einfangen als nur eine Momentaufnahme.

Die Grafiken dürfen des Copyrights wegen hier nicht abgebildet werden. Aber das Entscheidende an den Zahlen lässt sich referieren und der Link zu krone.at einfügen. Bei den Nationalratswahlen, die Sebastian Kurz für die Volkspartei führte, holte er sie zweimal aus der Zwanziger Prozentzone in die Dreißiger und damit vor die SPÖ.

Die Sonntagsfrage ergab: ÖVP 26 Prozent, SPÖ 25, FPÖ 21, Grüne und NEOS je 11 Prozent. Die abgewandelte Sonntagsfrage wollte wissen, was die Befragten wählen wollen, wenn die MFG – Menschen, Freiheit, Grundrechte, die in Oberösterreich (aus dem Stand) den Einzug in den Landtag geschafft hat, österreichweit anträte. Ergebnis: ÖVP 25 Prozent, SPÖ 25, FPÖ 18, Grüne und NEOS je 11, MFG 7 Prozent.

Das signalisiert: Die Impf-Skeptiker bis Impf-Gegner MFG ziehen Wähler von ÖVP und FPÖ ab. Bei SPÖ, Grünen und NEOS gibt es nur Wähler-Bewegungen untereinander.

Dazu diese Grafik von statista.com:

Das zur Einstimmung. Jetzt als nächstes zum Themenkreis Anschuldigungen und Ermittlungen gegen Kurz und sein von den anderen so genannte „türkise System“. Als erstes zum lächerlichen Teil, Umfragen wären damals 2016 gegen Bezahlung im Tenor gefälscht worden. Wer Umfragen in Auftrag gibt, hat den Spin mitbestellt. Dem Spin kann jeder entnehmen, wer bestellt hat. Heißt der Tenor, 70 Prozent haben die Wahl der FPÖ oder der Grünen für sich ausgeschlossen, war keiner von den beiden der Auftraggeber, lautet der Spin hingegen, 30 Prozent können sich vorstellen, FPÖ oder Grüne zu wählen, dürfte die Rechnung von einer der beiden oder für eine der beiden bezahlt worden sein. Der Punkt in der Affäre Kurz ist nicht, welchen Spin welche Umfragen hatten, sondern wer sie illegal und illegitim mit Steuergeld bezahlt hat, damit sie von den Boulevardmedien der Brüder Fellner aus verbreitet wurden.

Den Kern der Affäre Kurz nennen alle anderen Parteien, fast alle Medien und Kritiker in der ÖVP selbst „das türkise System“. Dazu ist es gut zu wissen, mit welchen Vollmachten die ÖVP Sebastian Kurz im Juli 2017 in Paragraf 44 des ÖVP-Organisationsstatuts ausgestattet hat. Der Standard hat das kompakt gefasst:

Kurz bestellt als Bundesparteiobmann die Generalsekretäre und kann auch den Bundesgeschäftsführer bestellen – er kann sie auch jederzeit wieder abberufen. Der Bundesparteiobmann hat aber auch die Nominierungsrechte für die etwaige ÖVP-Regierungsmannschaft. Zusammengefasst trifft Kurz damit viele für den Bundesparteivorstand wesentliche Personalentscheidungen … bei jenen zum Europäischen Parlament sowie bei der Nationalratsliste auf Bundesebene. Sein Einfluss reicht dabei bis auf die Landesebene: Die Nationalratslisten auf Landesebene sollen nämlich im Einvernehmen mit dem Bundesparteiobmann erstellt werden – er hat hier sogar ein Vetorecht.

Seit 2017 hat Kurz lauter Leute in den Nationalrat und ins Bundeskabinett geholt, die zusammen mit den vielen Mitarbeitern hinter ihnen ihre Karriere ihm und nicht den anderen Machtträgern in der Volkspartei verdanken. Diesen Personenkreis meint FPÖ-Boss Herbert Kickl, von dem die Kampfbegriffe „System Kurz“ und „türkises System“ stammen, welche SPÖ und NEOS offen, Grüne und Schwarze verdeckt und praktisch alle Medien übernommen haben. Über dem Feldzug gegen Kurz wird vergessen, dass diese Verlagerung der Machtverhältnisse von den Landesfürsten und Bünden der ÖVP zur Bundesführung durch den Bundesparteiobmann das offen erklärte Ziel 2017 war, das Kurz ohne die Zustimmung der meisten Entmachteten nicht hätte erreichen können.

Mit seinem Versprechen, die Volkspartei aus ihrer Serie schwacher Wahlergebnisse in der Mitte der 20 Prozente wieder auf Platz eins mit 30er Prozenten Richtung 40 zu bringen (Nationalratswahl 2017: 31,5 %, 2019: 37,5 %), hat Kurz die hier skizzierte Machtfülle errungen, nicht hinter verschlossenen Türen, sondern vor der österreichischen Öffentlichkeit. Diesen Teil seines Versprechens hat Kurz eingelöst, das andere Versprechen hingegen, das sich nicht an die eigene Partei richtete, sondern an die Bürger Österreichs, hat Kurz nicht gehalten: Einen neuen, sauberen Politikstil hat er nicht verwirklicht – nicht einmal in Ansätzen. Aber die Umbenennung der ÖVP in Neue Volkspartei und der politische Anstrich Türkis statt Schwarz hat beides versprochen: Wahlerfolg und saubere Politik. Egal, wie die Affäre Kurz ausgeht, der türkise Lack ist ab.

Dass diese umfangreiche Vollmacht für Kurz nur so lange und im vollen Umfang etwas Wert sein würde, wie die anderen Machtträger in der Volkspartei, ihre Landeshauptleute voran, die Vorleute der Bünde (Bauernbund, Arbeiter- und Angestelltenbund, Wirtschaftsbund) gleich hinterher, Kurz gewähren lassen, solange er unangefochten erfolgreich ist, wusste jeder, der die ÖVP kennt. Dass sie das jetzt nicht mehr tun, wird mit jedem Tag sichtbarer. Die einzelnen Stimmen aufzuzählen lohnt nicht. Beispielhaft zitiere ich nur den Tiroler Landeshauptmann Platter, der als besonders Kurz-loyal galt: „Ich bin ein Schwarzer, und mein Umfeld ist schwarz.“

Für mich steht fest: Kurz hat keinen einzigen der ÖVP-Landeshauptleute mehr hinter sich und keinen der Vorleute der Bünde. Das Machtzentrum der ÖVP verlagert sich von der türkisen Zentralmacht in Wien zurück zu den dezentralen schwarzen Fürsten in Ländern und Bünden. Für die Gewaltenteilung in der zweiten Republik ist das eine gute Botschaft. Dauern wird der Prozess lange, bis die einen Mitglieder des Systems Kurz aus ihren Positionen verdrängt und die anderen ins Lager der Landeshauptleute und Bünde gewechselt sind.

Wie weiter mit Kurz einerseits und der Volkspartei andererseits?

Als kürzlich erst wiedergewählter Bundesparteiobmann und als neuer Klubobmann im Nationalrat will Kurz die Zeit bis zur nächsten Nationalratswahl überbrücken, um danach wieder Kanzler zu werden. Doch der nächste Bundeskanzler Österreichs nach einer Nationalratswahl heißt höchst wahrscheinlich nicht Kurz – aus einer ganzen Reihe von Gründen.

Wer Kurz als nächsten Kanzler nach einer Nationalratswahl 2024 oder erst recht einer vorzeitigen verhindern will, muss nur den Zeitraum der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und möglicher Gerichtsverfahren ausdehnen: Solange beides nicht abgeschlossen ist, wird kein Bundespräsident Kurz zum Kanzler bestellen – weder der amtierende Van der Bellen noch ein 2022 neu gewählter.

Der Nationalratswahlkampf 2024 beginnt

Kurz sitzt in jeder Nationalratssitzung auf der politischen Anklagebank, der erste Untersuchungsausschuss ist auf dem Weg, alle anderen Parteien und praktisch alle Medien führen eine Dauerkampagne gegen Kurz, die Umfrageergebnisse für die ÖVP sinken auf alte Größenordnungen über 20 statt über 30 Prozent und weit. weit weg von den 40, die Kurz‘ Türkise demoskopisch mehrfach überschritten haben. Im Raum steht ein Parteienbild, ähnlich dem nicht so lange vergangener Zeiten: ÖVP, SPÖ und ÖVP je um die 25 Prozent – und dazu nun Grüne und NEOS mit je 11 %. Vorbei die kurze und Kurz’sche Zeit, in der ohne Volkspartei keine Mehrheit gebildet werden konnte.

Womit will Kurz in seiner neuen Rolle des Partei- und Fraktionsvorsitzenden punkten? Wer soll ihm gegen den politmedialen Dauerbeschuss helfen? Werden ihn die Landeshauptleute, in deren Bundesländern gewählt wird, überhaupt als Wahlkämpfer zulassen? Kurz: Wie schnell und hart verläuft die Abwendung der mittleren Funktionäre der nunmehr wieder schwarz werdenden Volkspartei?

Zur Erinnerung: Im nächsten Jahr steht in Österreich die Bundespräsidentenwahl an, 2023 sind Landtagswahlen in vier Bundesländern: Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg. 2024 sind regulär nicht nur Landtagswahlen in Vorarlberg und Steiermark – sondern sowohl Nationalratswahlen wie Wahlen zum EU-Parlament.

Speziell in der Parteipolitik ist nichts unmöglich. Aber dass Sebastian Kurz sich in den kommenden Jahren an der Spitze der Volkspartei behaupten kann, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Außer den Mitgliedern des Systems Kurz – und sie nicht zu hundert Prozent und abnehmend – sehe ich niemanden, der Kurz zur Seite treten würde.

Die Landeshauptleute der ÖVP haben die Möglichkeit ausgeschlagen, einen aus ihren Reihen als Kanzler an die Spitze der bisherigen Koalition oder einer anderen zu stellen. Damit haben sie die Wahrscheinlichkeit selbst befördert, dass der nächste Kanzler gar kein Schwarzer mehr sein wird. Aber die Frage der zukünftigen Politik in Österreich wird ohnedies wieder hauptsächlich in den Ländern entschieden werden, nicht in Wien. Was für die zweite Republik nur gut sein kann.

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