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Vettels Tempolimit oder: Keine gute Zeit für Komiker (oder Goldgräberinnen)

Published On: 16. Oktober 2021 18:44

Du willst ein Publikum zum Lachen bringen? Nichts leichter als das, lies einfach die Nachrichten vor. Nur, wo bleibt im anhaltenden Lachkrampf das Feine, Intelligente und Außergewöhnliche? Eine Spurensuche. Schnallen Sie sich besser an!

Sie haben es wahrscheinlich schon gehört: Vettel will ein Tempolimit. Nein, nicht in der Formel 1, damit er mal wieder gewinnen kann, sondern auf den deutschen Autobahnen. Und alles, was mir dazu erstmal einfällt, ist: die armen, armen Komiker. Stellen Sie sich vor, Loriot wäre heute noch bei uns. Sicher würden wir das alle sehr begrüßen. Aber was könnte er denn bitte noch für Witze schreiben, die solche Geschichten übertreffen? Wäre ich Komiker – ich würde meinen Job an den Nagel hängen. Was soll man denn tun, wenn das Leben dir die Witze klaut? Du willst ein Publikum zu lachen bringen? Lies einfach die Nachrichten vor. Ein Rennfahrer, der sich gegen schnelles Autofahren ausspricht? Das ist doch genial. Da lacht die Oma in der dritten Reihe rechts noch drei Tage später drüber. Und der junge Typ mit den Rasterlocken vorne auf Platz 4a auch – weil er ihn da erst verstanden hat, aber immerhin.

Tja, das macht man ein paar Tage, gönnt sich vielleicht mal eine Abwechslung, weil man jedes Mal unterschiedliche Zeitungen vorliest, aber irgendwann hört der Spaß doch auf. Komiker wollen ja nicht in erster Linie, dass das Publikum lacht, sondern sie wollen, dass der ganze Mist, der ihnen im Leben passiert ist, doch noch für was gut ist. Ich muss sagen, ich sympathisiere sehr mit Komikern, mehr als mit Journalisten. Aber im Grunde sind sich doch beide Jobs sehr ähnlich: Komiker erzählen nach, was passiert ist, und wollen dabei erreichen, dass das Publikum danach gut gelaunt ist. Journalisten erzählen nach, was passiert ist, und wollen dabei erreichen, dass das Publikum danach ihrer Meinung ist. Außerdem unterscheiden sie sich in der Hinsicht, dass Komiker kleine eigentlich unwichtige Ereignisse spannend und interessant nacherzählen können, während Journalisten den ganzen Tag an der Quelle der wichtigen Neuigkeiten der Menschheit sind – und man liest den Text trotzdem nicht zu Ende. Und da finde ich die Komiker doch wesentlich ehrlicher als die Journalisten.

Auch Journalisten haben es schwer. Denn ich fand es noch spannender, als man in der Politik noch würdige Gegner hatte, als man noch um die Ecke denken musste, um sie zu überführen. Heute heult eine SPD-Politikerin rum, dass sie wegen der Abschaffung des Mietendeckels ihre Zweitwohnung nicht mehr bezahlen kann, oder Spahn spricht sich erst gegen die Schließung der Friseure aus, dann dafür, oder auch: Karl Lauterbach hält Salzkonsum zwar für gesundheitsschädigend, fordert aber die Legalisierung von Marihuana, um sich in der Regierungsbildung bei der FDP und den Grünen einzuschleimen. Wie will man so noch gute Artikel schreiben? Man will ja seine Leser nicht für blöd verkaufen und über Absätze hinweg genauestens aufschlüsseln, wie dämlich die Aussage doch war. Aber was will man noch groß dazu sagen? Es ist einfach keine gute Zeit für Komiker – oder mich.

Was ich eigentlich sagen wollte

Vettel hat hinter seine Forderung auch gleich geschoben: „Wer Gas gibt, soll es dort machen, wo es sicher ist. In diesem Fall wäre das die Rennstrecke.“ Das hat er nicht als Begründung gemeint, da bin ich mir ganz sicher. Das hat er nur gesagt, weil er genau wusste, dass ihn jemand auf seine Karriere ansprechen würde, wenn er sich gegen das schnelle Autofahren ausspricht. Aber wen will er denn bitte austricksen? Ich würde mich nicht als Formel-1-Experten bezeichnen, aber ich sehe es mir gerne an. Also sagen wir mal: Ich weiß zu 60 Prozent der Zeit, was gerade abgeht. Aber ich bin eben eine deutsche Frau, ich stehe auf Autos.

Ich kann ehrlich gesagt nicht verstehen, weshalb Frauen so auf Fußballer abfahren. Früher mal, aber ich bin aus dem Alter raus, wo mich Jungs interessieren, die sich im Dreck um einen Ball streiten. Wer in die Zukunft investieren will (als Frau), sollte sich einen Formel-1-Fahrer krallen. Erstens trainieren die, unter extremem Druck immer noch Leistung zu zeigen. Und zwar nicht nur psychisch, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes. Haben Sie das Trainig eines Rennfahrers mal gesehen? Denen werden Gurte um den Kopf gelegt, die dann angezogen werden, und die Fahrer müssen mit dem Nacken dagegen halten. Die glücklichen Frauen unter Ihnen wissen, wozu ein starker Hals gut sein kann. Außerdem fahren Frauen von Natur aus auf Männer ab, die so aussehen, als könnten sie einen Schraubenzieher benutzen. Klar, das machen sie im Rennen nicht mehr selbst, aber sie haben zumindest mehr Ahnung davon als Fußballer. Man hat also einen reichen sportlichen jungen Mann, der technisch in unterschiedlicher Hinsicht begabt ist – was will man mehr? Allerdings sieht man jetzt, dass die meisten Formel-1-Fahrer nicht mehr das sind, was sie mal waren.

Sie werden sich vielleicht fragen: Aber Elisa, was ist aus dem guten alten Plan geworden, sich einen alten reichen Mann zu nehmen? Tja, das dachte ich bis vor Kurzem auch noch. Allerdings bin ich inzwischen in der Realität angekommen. Erstens sind die richtig alten Männer inzwischen schon vergeben. Das heißt die, die da noch übrig sind, machen es noch ein paar Jahre – die Medizin vollbringt heutzutage Wunder! Außerdem macht sich gerade der Trend breit, sein gesamtes Erbe an irgendwelche Waisenheime in Somalia oder so zu vergeben. Das heißt, am Ende verbringen Sie fünf Jahre mit einem wandelnden Zombie, nur um am Ende genauso schlecht dazustehen wie vorher. Sogar noch schlechter, denn auch Botox kann fünf Jahre nicht komplett kaschieren. Man muss sich also einen Mann suchen, mit dem man es aushalten kann. Allerdings sind Rennfahrer oft sehr klein, weil sie so leicht wie möglich sein müssen – also vielleicht doch einen Basketballspieler?

Jedenfalls – was ich eigentlich sagen wollte, bevor der Gedanke an Geld und Autos mich vom Thema abgelenkt hat -, wer sich mal die Formel 1 anschaut, weiß, dass Vettel da des Öfteren im Straßengraben landet. Nicht nur er, sondern alle. Straßengraben ist ja noch harmlos, ab und zu explodiert da auch mal jemand. Die Anzüge der Fahrer können Feuer für eine gewisse Zeit sehr gut standhalten. Die Fahrer tragen die nicht als übertriebene Vorsichtsmaßnahme, sondern sie lernen die Eigenschaften des Anzugs regelmäßig zu schätzen. Dafür dass Sebastian Vettel live dabei war, als Romain Grosjean nach nach einem Zusammenprall gegen eine Rückhaltebarriere donnerte, woraufhin sein Wagen in der Mitte durchbrach und in Meter hohe Flammen aufging, hat Vettel ganz schön Nerven, die Rennstrecke als sichereren Ort zu bezeichnen. Es mag ihm ja neu sein, aber Ferrari, Mercedes und Aston Martin stellen ihre Gruppe von exzellenten Ingenieuren und Mechanikern nicht jedem zur Verfügung. Die meisten von uns sind auf Anschnallgurte angewiesen.

Humor findet sich heute nur noch auf Abwegen.

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