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Premier Mateusz Morawiecki vertritt vor der EU die rechtliche Unabhängigkeit Polens

Published On: 20. Oktober 2021 9:50

Nach Ansicht des polnischen Verfassungsgerichts darf der Gerichtshof der EU keine Entscheidungen über die polnische Justiz treffen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ronald Wittek

Aus Sicht der EU-Kommission und des EU-Parlaments sollte die gestrige Reise des polnischen Premierministers Mateusz Morawiecki so etwas wie ein Gang nach Canossa sein, denn Polen sitzt schon seit längerer Zeit auf der Anklagebank des Brüsseler Establishments. Ebenso wie Ungarn wirft man der noch jungen Demokratie Verstöße gegen die „europäischen Werte” vor. Konkret geht es um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz, die von der konservativen Regierungsmehrheit unter der Führung der Partei PiS, in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz, in Frage gestellt würden.

Ebenso Hintergrund; eine von der Regierung bestimmte Kommission kann über die Bestellung oder Abberufung von Richtern entscheiden. Tatsächlich ist eine solche Praxis im klaren Widerspruch zum Grundprinzip der Gewaltenteilung einer Demokratie. Mittlerweile fährt Brüssel schwere Geschütze auf, da die polnische Führung bisher nicht auf die Forderungen nach Aufhebung dieser Praxis reagiert hat. Jetzt wird sogar über das Einfrieren finanzieller Hilfen für dieses große europäische Land gedroht. Bis hierher scheint eigentlich an den Vorgängen nichts zu kritisieren.

Aber eigentlich ist eben nur eigentlich. Jedes Mitglied der EU hat seine eigene Geschichte und damit spezielle Erfahrungen. Noch vor etwas über dreißig Jahren litten die Polen unter einer harten, kommunistischen Diktatur. Mehrfach haben die Menschen dort versucht, das unter sowjetischer Oberhoheit regierende System abzuschütteln. Nach Volksaufständen in den fünfziger und siebziger Jahren fand dieser Widerstand seinen Höhepunkt mit der Gründung der unabhängig Gewerkschaft „Solidarność“ im Jahre 1980. Aus der Streikbewegung der Hafenarbeiter von Danzig wurde eine landesweite Bewegung deren Hauptforderungen freie Wahlen sowie Presse- und Meinungsfreiheit waren. Das Regime konnte seinen Bestand nur durch die Verhängung des Kriegsrechts sichern. Tausende Menschen landeten in den Gefängnissen, verloren ihre Arbeit, die Führer des Aufstandes verschwanden aus der Öffentlichkeit. Für viele Historiker ist heute Konsens, dass die damaligen Vorgänge in Polen das Fanal für die Bürgerrechtsbewegung wurde, die schließlich nur ein Jahrzehnt später die kommunistische Diktatur, auch in der Sowjetunion selbst und in den anderen Ostblockstaaten zum Zusammenbruch brachte.

Wie überall in diesen Ländern stellte sich nach der sogenannten Wende die Frage nach dem Umgang mit den alten Eliten. Viele der alten kommunistischen Kader waren den neuen Kräften in der Technik der Macht weit überlegen. Vielen gelang es, ihre privilegierten Positionen über den Untergang der Diktatur hinweg zu retten. Hinzu kam dass, bedingt durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Umbruches, auch wieder Strömungen und Parteien der Vergangenheit Regierungsgewalt erlangten. Als einer der resistentesten Bereiche in Polen erwies sich das Justizsystem. Richter und Staatsanwälte, die aktiv an der Unterdrückung der demokratischen Opposition mitgewirkt hatten, blieben nicht nur im Amt, sondern erhielten neue langfristige Arbeitsverträge. In großen Teilen der polnischen Bevölkerung rief dies Unmut und Bitterkeit hervor.

Als die konservative PiS Partei, nach ihrer Amtsübernahme 2015, mit ihrer extrem antikommunistischen Haltung, und auch ihrem Bekenntnis zum Katholizismus als gesellschaftliche Grundlage, begann ihre Vorstellungen umzusetzen regte sich besonders unter liberalen und linken polnischen Intellektuellen, aber auch im Westen Europas Unmut.

Im Medienbereich wurden nun besonders die elektronischen Medien mit Nähe zur katholischen Kirche gefördert. Gleichzeitig begann man erst das Personal in den staatlichen Fern-TV und Radioanstalten zu ersetzen. Jenseits der Proteste fand diese Maßnahmen großen Zuspruch in der polnischen Mehrheitsbevölkerung. Der Beweis dafür sind die unverändert hohen Zustimmungsraten für die regierenden Konservativen.

Man könnte auf die Idee kommen, dass es gerade in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Kriege gut gewesen wäre, wenn eine derartige Demokratisierung in den Gerichtssälen und überhaupt in der Justiz stadtgefunden hätte. All diese Aspekte werden von den westlichen Kritikern Polens nicht zur Kenntnis genommen. Aber auch sie gehören zur Wahrheit. Und noch eines wird im Westen mit seinem von links dominierten Meinungsspektrum nicht beachtet: In Polen, wie übrigens auch im unter der gleichen Kritik stehenden Ungarn, spielt hier der Glauben, verkörpert durch katholische Kirche eine hierzulande kaum zu verstandene Rolle. In der über viele Jahrzehnte bestehenden Diktatur war die Kirche die einzige Institution, die eine geistige Alternative zur marxistischen Indoktrination darstellte und in der Not, besonders bei politischer Verfolgung, einen gewissen Schutz bot.

Polens Premier Mateusz Morawiecki betonte die Souveränität seines Landes und das Recht auf eine eigene nationale Verfassung, die nicht durch Bestimmungen von außen aufgehoben werden könne. Den westlichen Europäern wäre etwas mehr Einfühlungsvermögen für das Land zu wünschen, das über Jahrzehnte unter Fremdbestimmung und Diktatur zu leiden hatte – wozu auch die deutsche Besatzung zwischen 1939 und 1945 zählen.

So kann in Wirklichkeit auch niemand erwarten, dass sozusagen über Nacht westliche Konzepte und Stimmungen wie der Genfer Gedanke oder „das Recht jeder Frau auf ihren Bauch“, akzeptiert werden. Gleiches gilt für den uneingeschränkten Wert der Familie aus Mann, Frau und Kind.

Wenn jetzt dieser Kulturwandel von außen und durch finanzielle Erpressung herbeigeführt werden soll, so stellt dies selbst eine Verletzung der ethischen Prinzipien des freien Europa dar. Das polnische Volk ist ein sehr stolzes.

Von jetzt mehren sich die Stimmen, die sich für einen Austritt, also einer Art „PolExit“, aus der EU aussprechen. Das Land selbst würde dadurch wirtschaftlich schwer getroffen. Aber auch an der deutschen Wirtschaft, die in Polen stark engagiert ist würde dies nicht ohne Schmerzen vorübergehen.

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