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Ein Mutloser verlässt das sinkende Schiff

Published On: 22. Oktober 2021 15:47

In jenem Moment, in welchem es ultimativ kritisch wird und ein entschlossener Streiter für eine antiinflationäre Geldpolitik im EZB-Rat dringender denn je gebraucht wird, flieht Jens Weidmann aus der Bundesbank.

IMAGO / Hannelore Förster

Der mediale Mainstream wusste es vorab. So meldete Die Zeit („Der Pragmatiker geht“, 20.10.2021) es sei kein politischer Rücktritt gewesen, Jens Weidmann habe sein Amt als Bundesbankpräsident nicht abgeben wollen, weil die Inflationsrate gerade steige und die EZB die Zinsen noch nicht angehoben habe. Bei dieser Gelegenheit ließ sich das Zentralorgan Hamburger Hybris in despektierlicher Form über die Rücktritte früherer deutscher Notenbanker aus, die allesamt von ihren französischen Kollegen mit Krokodilstränen bedacht wurden.

Fakt ist: Die EZB sitzt in der Falle. Sie sitzt so in der Falle, wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Das von ihr im März 2020 verkündete Programm pandemischer Anleihennotkäufe war mit der Voraussage einer deflationären Entwicklung der Preise begründet worden. So hatte sich die EZB die Pandemie zu Nutze gemacht, um ein zusätzliches Aufkaufprogramm aufzulegen, welches bis März 2022 der EZB die Möglichkeit geben würde, bis zu 1,85 Billionen Euro für den Kauf von Staatsanleihen und Unternehmensanleihen auszugeben. Jetzt, da sich in Deutschland die Inflationsrate zum Ende des Jahres der 5-Prozent-Marke nähert, befinden sich die Auguren im EZB-Turm, allen voran der Chefökonom der EZB, Mr. Lane, Repräsentant eines 4,5 Millionen Volkes, in einem argumentatorischen Dilemma. Wie wollen die Damen und Herren der EZB es rechtfertigen, die Zinsen weiter bei null Prozent zu lassen und gleichzeitig die Geldmenge durch fortgesetzte Anleihenkäufe – nach allen volkswirtschaftlichen Binsenweisheiten die Grundlage für inflationäre Entwicklungen – fortgesetzt zu erhöhen?

Dies muss Herr Dr. Weidmann gespürt haben. Denn just in dem Moment, wo er zurücktritt, geht im Bundesverfassungsgericht ein weiterer umfangreicher Schriftsatz ein, der quantifiziert darauf hinweist, dass das PEPP, also das pandemische Notaufkaufprogramm jedenfalls nicht länger mit unzureichenden Inflationsraten gerechtfertigt werden könne.

Bevor es also auch in der Öffentlichkeit für Weidmann brenzlig werden könnte, hat er seicht seinen Abgang vorbereitet. Zuvor hat er jahrelang die Deutschen hingehalten. In der Öffentlichkeit war er immer aufgetreten als Treuhänder deutscher Stabilitätskultur, als Befürworter einer konservativen Geldpolitik, als jemand, der nicht davon abließ zu behaupten, dass Kredit einen Preis hat, und schließlich jemand, der als Garant dafür erscheinen wollte, dass sich die Geldpolitik nicht vollends der Fiskalpolitik, so wie es Frankreich wünscht, unterordnen dürfe.

Nun hat sich Herr Weidmann selbst entzaubert. Denn in dem Moment, in welchem es ultimativ kritisch wird und somit ein entschlossener Streiter für eine antiinflationäre Geldpolitik im EZB-Rat dringender denn je gebraucht wird, kneift er und entflieht der Bundesbank, also jener Behörde, wo seine berufliche Laufbahn in der Hauptabteilung Volkswirtschaft begann. Gewiss mögen für diesen erstaunlichen Schritt auch Überlegungen eine Rolle gespielt haben, die damit zusammenhängen, dass sein Mandat als Bundesbankpräsident letztlich nur durch die Unterstützung von Frau Merkel gedeckt war. Nun, da sich eine Koalition mit dominanter rot-grüner Komponente andeutet, dürfte es an politischer Rückendeckung fehlen

Herr Weidmann ist gewiss eine Gestalt mit feinen Manieren, der sich ähnlich, wie seine Gönnerin nie aus der Reserve locken lässt, und sein Temperament – so denn solches überhaupt existiert – stets im Zaum hält. Er besticht durch ökonomische Intelligenz, durch Analysefähigkeit und durch eine große Klarsicht im Dschungel europäischer Währungsinteressen. Eins hingegen hatte er nie: Mut. Sein Rücktritt ist der letzte ausstehende Beweis für dieses Manko.

Indessen ist Mut gerade in der durch die EZB geschaffenen dramatischen Gefahrenlage für den Geldwert mehr denn je erforderlich, will man die Stabilität der Währung im Interesse der Bürger eines Landes verteidigen. Ohne sich dabei bei Weichwährungsländern wie Frankreich, Italien, Spanien Feinde zu machen, geht es nicht. Diesen Mut wollte bzw. konnte Jens Weidmann nie aufbringen. Denn er blieb stets der treulich untergebene Mitarbeiter seiner Bundeskanzlerin. Ohne Mut lässt sich das Amt des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat indes nicht ausfüllen.

Wie formulierte einst Ernst Jünger: „Ein Soldat ohne Mut ist wie ein Christ ohne Glauben. Daher muss im Heere der Mut das Heiligste sein. Stets war es verderblich, wurde seine klare Quelle getrübt.“ Für Weidmann war seine Tätigkeit für die Bundesbank weder Berufung noch Kampf, sondern ein Karriereschritt. Das technokratische Kalkül triumphiert über das innere Erlebnis des Kampfes. So hofft er gewiss auf Berufung zu Höherem. Aber die Geschichte wird jenen Mann gebührend richten, der vergessen hat, dass „der Mannesmut doch das Köstlichste ist und in göttlichen Funken das Blut durch die Adern spritzt, wenn zum Kampf über die Felder gerufen wird“.

Von diesem Kampf für die geldwerte Stabilität wollte Jens Weidmann nichts mehr wissen. Darum wird er in die deutsche Geschichte als ein mutloser Technokrat eingehen. Nun steht die Übernahme der Bundesbank durch EZB-Kollaborateure mit deutschem Pass nichts mehr im Wege. DIW-Präsident Marcel Fratzscher und EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel brauchen nicht einmal mit den Hufen zu scharren. Sie haben in der künftigen Ampel-Koalition genügend Fürsprecher.


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