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Die neue Pazifik-Politik der USA

Published On: 23. Oktober 2021 9:57

US-Präsident Biden hat klargestellt: Die Vereinigten Staaten werden ihren langjährigen Partner, die auf der Insel Taiwan beheimatete Republik China, nicht im Stich lassen. Damit folgt Biden der bereits von Trump eingeleiteten Politik, US-Interessen nur in Regionen zu sichern, in denen die Demokratie bereits fest verankert ist.

Leser des gedruckten TE-Magazins wussten es bereits – nun hat es US-Präsident Joe Biden auch offiziell gemacht. Die USA werden eine Expansion der Volksrepublik China (VRC) in das Gelbe Meer nicht dulden. Nachdem die roten Mandarine in Peking nach dem Ende der NATO-Afghanistan-Mission bereits frohlockten, die USA hätten damit den Beweis erbracht, dass sie sich aus der Weltpolitik verabschieden, hat Biden nun klargestellt: Die Vereinigten Staaten werden ihren langjährigen Partner, die auf der Insel Taiwan beheimatete Republik China, nicht im Stich lassen.

„Die USA suchen keinen Konflikt mit China, aber Peking muss verstehen, dass wir keinen Schritt zurück machen werden und dass wir unsere Positionen nicht ändern werden“, richtete Biden sein Wort an den Amtskollegen in Peking. Die USA hätten die Verpflichtung, Taiwan militärisch zu verteidigen, sollte es von der Volksrepublik überfallen werden.

Taiwan, gelegen vor der Küste der VRC an der Schlüsselstelle zwischen Ost- und Südchinesischem Meer, begrüßte Bidens Bündnisversprechen umgehend. Seit Bidens Amtsübernahme habe die US-Regierung kontinuierlich durch praktische Schritte ihre felsenfeste Unterstützung für Taiwan demonstriert, lobte die Regierung in Taipeh. Grund genug dafür besteht, denn seit einigen Wochen provoziert die sogenannte Volksbefreiungsarmee täglich, indem rotchinesische Kampfflugzeuge in den Luftraum der Inseldemokratie eindringen.

Ebenso unmittelbar die Reaktion aus Peking. Gebetsmühlenartig wurde das Narrativ wiederholt, Taiwan sei ein unveräußerlicher Teil Chinas, der kommunistische Umgang mit der Insel eine „innere Angelegenheit“. Tatsache allerdings ist: Taiwan, das die europäischen Entdecker aus Portugal „Ilha formosa“ – Schöne Insel – nannten und vor der portugiesischen Teilbesetzung ausschließlich von Austronesiern besiedelt war, gehörte lediglich von 1683 bis 1895 als Kolonie zum hanchinesischen Reich. 1945 wurde es gegen den Willen der Bevölkerung erneut China zugeschlagen – um 1949 als Republik China der maoistischen Landnahme zu widerstehen und seitdem seine Unabhängigkeit zu behaupten.

Tatsächlich geht es bei dem Konflikt mit der VRC um deutlich mehr als um den Streit um eine kleine Insel. Taiwan ist Eckpfeiler der neuen US-Pazifik-Strategie und rückte so erneut in die vorderste Linie der amerikanischen Interessen. Die ursprünglich einmal erhoffte Vereinigung unter der von Deng Xiaoping ausgegebenen Formel des einen Landes mit zwei Systemen hat sich seit dem vertragsbrüchigen Verhalten der VRC gegen Hongkong abschließend verflüchtigt. Das rote China sieht sich als Weltmacht, der niemand mehr widerstehen kann – die USA ihren pazifischen Demokratienring ernsthaft bedroht.

Über Hintergründe und Entwicklungen schrieb Tomas Spahn in der aktuellen Ausgabe des TE-Magazins ab Seite 45. Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir den geringfügig aktualisierten Text nun auch im TE-Online-Angebot.

Zeitenwende – Die neue US-Doktrin der Demokratie-Sicherung

Während die UN anlässlich ihrer Vollversammlung über die durch die Bevölkerungsexplosion unvermeidbare Gefahr von Hungerkatastrophen weint; die EU ihre Afghanistan-Wunden leckt und voller Unverständnis auf die Kündigung des französischen U-Boot-Deals mit Australien schaut, stellen die Angelsachsen ihre weltpolitische Doktrin von Gestern auf Jetzt. Hauptgegner Nummer Eins ist das rote China des Diktatoren Xi Jinping, das Konfliktfeld der Zukunft der Indo-Pazifik. Was unter Trump begonnen hatte, wird jetzt von seinem Nachfolger mit Leben erfüllt: Der Weltpolizist überlässt Trumps „Shithole-Countries“ ihrem Schicksal und zieht eine Brandmauer hoch um die angelsächsischen Demokratien und jene, die mit diesen Seite an Seite stehen und deren Werte teilen.

Pekings Frohlocken

Kaum hatten die USA ihre letzten Einheiten aus Afghanistan abgezogen und den paschtunischen Mohammed-Schülern der radikal-islamischen Taliban das Feld überlassen, kamen aus dem fernen Peking Jubelrufe. Nicht nur, dass Chinas Kommunisten die Chance wittern, in der Nachfolge von Russen und Amerikanern zur wichtigsten Einflussmacht am Hindukusch zu werden – noch bedeutender ist der scheinbar durch Washington erbrachte Beweis, dass amerikanische Beistandsgarantien ohne jeden Wert seien. Die USA hätten, so die durch das staatsgelenkte Medium „Global Times“ verbreitete Auffassung Pekings, mit ihrer Niederlage in Kabul ihr Scheitern als selbsternannte Weltpolizei eingestanden. Neuer Spieler in der Top-Eins-Liga sei das rote China des Xi Jinping, das sich von nichts und niemandem etwas zu sagen lassen habe und deshalb nach Tibet und Hongkong auch seinen Anspruch auf das angeblich „separatistische“ Taiwan durchsetzen werde.

Tatsächlich erweckten die Bilder des Hubschraubers, der über Kabul scheinbar letzte Botschaftsangehörige auf der Flucht vor den siegreichen Taliban auszufliegen schien, Erinnerungen an die Schmach von Saigon. Und tatsächlich läutet der am Ende zumindest überhastete Abzug der Truppen aus Afghanistan eine Zeitenwende ein. Eine Zeitenwende, die in internen US-Zirkeln nicht ohne Vorlauf war und gegenwärtig eine Neuausrichtung der Außenpolitik der nach wie vor mächtigsten Militärmacht des Planeten einläutet.

Afghanistan – US-Taktik ohne Strategie

Als vor 20 Jahren mit 9/11 das radikal-islamische Terrornetzwerk des saudischen Unternehmersohns Usama bn Ladn seinen Angriff auf das Herz der USA durchführte, war eine deutliche und nachhaltige Reaktion der damaligen US-Administration unter George Walker Bush unvermeidlich. Wollten die USA nicht zum Papiertiger werden, mussten sie reagieren – sie taten dieses, indem sie jenes Afghanistan, das nach dem Rückzug der Russen von einer radikal-islamischen Clique beherrscht wurde und den AlQaida-Kämpfern Schutz bot, besetzten und ein pseudo-demokratisches Regime einsetzten.

Das Problem dieses Einsatzes: Die USA hatten zwar ein taktisches Ziel – doch keine Strategie. Die Frage, was am Ende der Intervention stehen solle, wurde militärisch zu keinem Zeitpunkt gestellt. Politisch gab der Thinktank des damaligen Außenministers Donald Rumsfeld die Antwort. Dessen Neokons (Neu-Konservative) vertraten die Auffassung, dass die Weltbevölkerung allenthalben danach dürste, ihre überkommenen, antidemokratischen Traditionen zu überwinden und durch das Modell der Demokratie nach US-Muster zu ersetzen. Und ausgerechnet die deutsche Bundesregierung, die mit ihren Hilfstruppen den US-Einsatz im vergleichsweise friedlichen Norden des Landes flankierte, ergänzte die Idee des Demokratie-Exports um den Aspekt eines afghanischen Nation-Building. Aus den zahlreichen Clans und widerstreitenden Religionen am Hindukusch sollte ein geeintes afghanisches Volk geformt werden – und das zu einer Zeit, in der die Merkel-Administration im Sinne der UN-EU-Resettlement-Initiative dem eigenen Volk mit Massenzuwanderung und identitätspolitischer Fragmentierung ein Nation-Debuilding verordnete.

Umdenken der US-Thinktanks

Je länger aber der Einsatz dauerte und je mehr Opfer auf amerikanischer Seite er forderte, desto mehr begann in den US-Thinktanks das Nachdenken darüber, ob und wie diese Ziele zu erreichen sei. Unter der Administration des Donald Trump setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Versuch, in Regionen wie Afghanistan die westlichen Demokratie- und Menschenrechtswerte zu etablieren, ein Jahrhundertprojekt ist. Innenpolitisch stand in den USA lange schon die Frage im Raum, ob die Opfer, die für ein solches Projekt gebracht werden mussten, vertretbar sind. Und ob nicht die Bindung von Menschen und Material für derartige Projekte sogar die USA daran hindern musste, dort aktiv zu werden, wo der Kampf um demokratische Werte erfolgreicher sein würde. So rückte die Frage in den Vordergrund, ob es am Hindukusch überhaupt noch ein erreichbares, politisches Ziel gab.

Der Haupttäter von 9/11 war am 2. Mai 2011 in Abbottabad durch ein US-Spezialkommando faktisch hingerichtet worden. Der Einsatz erfolgte auf dem Territorium des angeblichen US-Verbündeten Pakistan, dessen zumindest fragwürdige Rolle nicht nur hinsichtlich der Beherbergung des seinerzeit meistgesuchten Terroristen, sondern auch bei der Unterstützung der Anti-US-Kämpfer im benachbarten Afghanistan jegliche Vorab-Information über den Einsatz ausschloss. Gleichwohl war damit das ursprüngliche Einsatzziel der USA erreicht.

So legte Trump mit dem Prägen des Begriffs der „Shithole-Countries“ den Startschuss für den Rückzug. Zwar hatte der US-Präsident damit offiziell auf Haiti und einige afrikanische Staaten gezielt – doch die Amerikaner hatten verstanden: Es gibt Länder, die es nicht wert sind, dass auch nur ein US-Dollar dort verschwendet wird, etwa gar ein US-Marine dort sein Leben verliert. Afghanistan, dieses Land in archaischer Islam-Tradition, gehörte gefühlt dazu. Als Trump Gespräche mit den Taliban über den Abzug einleitete, konnte er sich der Unterstützung der Mehrheit der US-Amerikaner ebenso sicher sein, wie diese Mehrheit heute hinter der Entscheidung des Joe Biden steht, die Mission am Hindukusch mit einem harten Schnitt zu beenden.

Das Ende der USA als Weltmacht?

Ist dieser Rückzug der USA nun aber das von der Volksrepublik China bejubelte Ende der US-Weltpräsenz? Stehen Taiwan, Südkorea oder Japan ohne amerikanische Rückendeckung da, wenn der kommfuzionistische Drache aus Peking seine Klauen nach diesen Ländern ausstreckt?

Die Frage nach der Rolle der USA in der Weltpolitik hat in den Thinktanks längst eine Antwort gefunden, mit der sich Demokraten wie Republikaner gleichermaßen anfreunden können. Sie beruht auf den Erfahrungen in Ländern wie Afghanistan und Irak – greift aber deutlich tiefer auch auf die Erfahrungen nach 1945 zurück. Erstmals reflektieren die USA einen Denkfehler ihrer Außenpolitik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der davon ausging, dass die erfolgreichen Demokratisierungsmissionen in Deutschland und Japan gleichsam als Master überall auf der Welt würden Anwendung finden können.

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