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Der Drohnenfaktor in Äthiopien und im Jemen

Published On: 1. Januar 2022 19:37

Drohnen haben sich binnen weniger Jahre zu einem bevorzugten Kampfmittel insbesondere in Konflikten der zweiten und der dritten Welt entwickelt; sie spielen inzwischen entscheidende Rollen auf den Gefechtsfeldern dieser unruhigen Welt.

IMAGO/Zuma Wire

Erneute Wendung im äthiopischen Bürgerkrieg. Ausländische Waffenlieferungen an die Regierungstruppen machen den Rebellen der Tigray Defense Forces (TDF) zu schaffen. Bewaffnete Drohnen spielen bei deren Bekämpfung eine ausschlaggebende Rolle. Nach dem Krieg um Bergkarabach zwischen Aserbaidschan und Armenien vor Jahresfrist ist dies nun ein weiterer Waffengang, in dem nicht mehr das herkömmliche Militär mit Bodentruppen und etwas Luftwaffe den Ausschlag für Sieg oder Niederlage gibt.

Äthiopien, am Horn von Afrika gelegen, gilt als eines der Ursprungsländer des modernen Menschen. Auch unser Kaffee stammt von dort. Nach dem Krieg um Eritrea und dessen Unabhängigkeit 1993 hat sich seit 2020 ein Konflikt um regionale Wahlen in der Nordprovinz Tigray zu einem veritablen Bürgerkrieg ausgeweitet. Mit dem Einsatz bewaffneter Drohnen war es den Regierungstruppen zunächst gelungen, in Tigray einzumarschieren. Die wiedererstarkten Rebellen bei ihrem Marsch auf die Hauptstadt Addis Abeba abzuwehren, erforderte den Einsatz neu beschaffter türkischer Kampfdrohnen, nachdem die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Drohnenunterstützung eingestellt hatten.

Daneben nimmt allem Anschein nach auch im seit sechs Jahren tobenden Konflikt im Jemen der Einsatz von Kampf- und Aufklärungsdrohnen zu. In diesem Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran und Saudi-Arabien setzen die Huthis immer wieder Drohnen ein und attackieren beispielsweise saudische Flughäfen. Die Verteidigung gegen Raketen- und Drohnenangriffe aus dem Jemen bereitet dabei selbst den potenziell weit überlegenen Saudis zunehmende Schwierigkeiten. Bereits 2020 hatten die Huthi-Rebellen möglicherweise unter iranischer Unterstützung mit Marschflugkörpern Ölanlagen des Staatskonzerns Aramco in Saudi-Arabien angegriffen.

Paradigmenwechsel: Der moderne Krieg ist ein Drohnenkrieg

Wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, der überzeuge sich von dem fundamentalen Paradigmenwechsel (Neusprech Game Changer), der gegenwärtig im Bereich des Militärischen stattfindet. In einer Zeit, in der Fotodrohnen von jedem besseren Supermarkt angeboten werden, stürzen sich sowohl Waffenhersteller als auch Armeen und Konfliktparteien auf dieses aktuelle Mittel der Wahl. Zur Beherrschung der Technik sind selbst bisherige Schwellenländer wie die Türkei in der Lage und steigen zu Produzenten unbemannter Fluggeräte auf. Im Krieg um Bergkarabach wurden deren technische Fähigkeiten nachdrücklich demonstriert.

Die Vorteile liegen seit Jahren auf der Hand: Drohnen können rund um die Uhr zuschlagen und kurzfristig lageabhängige Schwerpunkte bilden, sie sind auch nicht einfach zu bekämpfen. Unbemannte Fluggeräte verursachen einen vergleichsweise geringen Aufwand, es müssen keine Besatzungen mit teuren Flugstunden in Übung gehalten werden, ferner kann die Aufklärung der Lage Hand in Hand gehen mit der Bekämpfung des Gegners. TE hat hierzu mehrfach berichtet:

Drohnen haben sich daher binnen weniger Jahre zu einem bevorzugten Kampfmittel insbesondere in Konflikten der zweiten und der dritten Welt entwickelt, sie spielen inzwischen entscheidende Rollen auf den Gefechtsfeldern dieser unruhigen Welt.

Deutscher Michel aufwachen!

Das möchte man rufen, damit diese Erkenntnisse nun endlich auch bei der Ausrüstung unserer Armee zum Tragen kommen. Aufklärungsdrohnen sind zwar in der Bundeswehr in verschiedener Form eingeführt, die geforderte Bewaffnung wurde aber von der SPD jahrelang mit teils fadenscheinigen Argumenten verhindert. Immerhin enthält der Ampel-Koalitionsvertrag nun eine Passage, nach der die Bewaffnung von Drohnen ermöglicht werden soll. Die Merkel-Regierungspartei SPD musste erst zur Scholz-Kanzlerpartei aufsteigen, bis sie über dieses Stöckchen springen wollte. Dies unter „verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten“. Wohltönende Begleitmusik, nachdem das Bundesministerium der Verteidigung bereits seit Jahren entsprechende Auflagen festgeschrieben hat.

Wer nun glauben machen möchte, es sei mit der Bewaffnung der von Israel geleasten Heron TP-Drohnen getan, irrt sich gewaltig. Die überfällige Ausstattung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen kann nur ein erster Schritt sein. Die Weltkugel hat sich ohne Rücksicht auf deutsche Bedenkenträger weitergedreht. Wer auf einem heutigen Gefechtsfeld bestehen und seine Soldaten schützen möchte, benötigt ein in sich greifendes und abgestimmtes Konzept verschiedener Drohnen für verschiedene Aufgaben. Daneben – wie hier ebenfalls gefordert – benötigt die Bundeswehr mit höchster Priorität eine funktionsfähige Flugabwehr, um der latenten Bedrohung durch verschiedenartige Kleinstdrohnen etwas entgegensetzen zu können.

Mit den auch in der Bundeswehr verfügbaren Patriot-Abfangraketen ist bei Kosten von einer Million Dollar pro Stück gegen die „fliegenden 10 000-Dollar-Rasenmäher“ (NZZ) der Huthis wenig auszurichten. Diese sind in großer Zahl einsetzbar, kaum zu orten und mit schwerfälligen Riesenraketen nicht mit Aussicht auf Erfolg zu bekämpfen. Diese Erfahrung macht derzeit das Königreich Saudi-Arabien: Dem Wüstenstaat fehlen die passenden Abwehrmittel, die Munition wird knapp.

Bis die Deutschen endlich zu Potte kommen, wird es aber wie üblich Jahre dauern. Die Bundeswehrplaner werden zunächst aktuelle Studienergebnisse vorzulegen haben als Basis für amtliche Forderungsdokumente. Auch sind vor einem Vertrag entsprechende Gelder in den Haushaltsplan einzustellen, was wiederum zulasten anderer Forderungen gehen dürfte, wenn nicht der Verteidigungsetat aufgestockt wird. Auf brauchbares Gerät zur Abwehr dieser aktuellen Bedrohung durch den um sich greifenden Drohneneinsatz wird die Truppe folglich weitere Jahre warten müssen. Achtung Sarkasmus: Mögliche Gegner werden sicherlich Rücksicht darauf nehmen, bis auch die deutschen Bedenkenträger so weit sind, dass sich ihre Soldaten adäquat wehren können!


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