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Auflagen der Tageszeitungen brechen übers Jahr 2021 weiter ein

Published On: 22. Januar 2022 9:41

Die deutschen Tageszeitungen haben 2021 an Auflage verloren, auch wenn sie vom dritten aufs vierte Quartal leichte Zuwächse verzeichneten. Die Debatte um die Finanzierung von Printmedien könnte das anfeuern – zumal mittlerweile Private wie die Gates-Stiftung ein Wörtchen mitreden.

IMAGO / Shotshop

15,2 Millionen Exemplare betrug im vergangenen Quartal die gesamte Auflage aller bei der IVW gemeldeten Zeitungen. Im vierten Quartal 2020 waren es noch 15,7 Millionen Exemplare. Das entspricht einem Rückgang von rund 3,0 Prozent. Zu den 15,2 Millionen Exemplaren zählen auch 2,3 Millionen E-Paper-Ausgaben. Die Tendenz hier ist: Die Zahl der verkauften E-paper-Ausgaben wächst dauerhaft, kann aber insgesamt den Rückgang der gedruckten Auflage nicht ausgleichen. Die IVW ist der Verein „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern“, der nach eigenen Angaben knapp 2000 Titel des deutschen Pressemarktes kontrolliert.

Wobei die IVW die Angaben der Verlage sammelt. Die sind mitunter geschönt. Daher unterscheidet DWDL zwischen der offiziell angegebenen „verkauften Auflage“ und der „harten Auflage“. Für die Letztere nimmt der Branchendienst all die verbilligten Exemplare aus der Statistik, mit der die Verlage die Zahlen besser aussehen lassen wollen – sei es fürs Prestige, für die eigene Psyche oder einfach nur für die Anzeigenkunden.

Die Unterschiede können gewaltig sein. So erreichte die FAZ im dritten Quartal eine verkaufte Auflage von 197.000 Exemplaren. Die harte Auflage lag laut DWDL aber nur bei 172.000 Exemplaren. Immerhin ein Unterschied von 12,7 Prozent, der zwischen Schein und Sein liegt. Allzumal für ein Blatt, das sich früher als „Zeitung für Deutschland“ gesehen hat und als Statussymbol auf keinem Managerschreibtisch fehlen durfte. Im vierten Quartal 2021 bestand diese „Zeitung für Deutschland“ aus einer verkauften Auflage von 202.000 Exemplaren – allerdings sind da die 59.000 verkauften E-Paper mit drin. Sodass die gedruckte FAZ von der Größenordnung eher eine Zeitung für Koblenz als eine für Deutschland ist.

Zwar sind die Auflagen der Tageszeitungen im Vergleich vom dritten zum vierten Quartal 2021 gestiegen. Doch der Marktführer Bild ließ weiter Federn: Die verkaufte Auflage ging laut IVW von 1,2 Millionen runter auf 1,19 Millionen. DWDL berichtete bereits im Herbst, dass die Bild in der harten Auflage die Schallmauer von einer Million Exemplaren nach unten schon durchbrochen habe.

An diesem Beispiel zeigt sich gut, wie wichtig solche Kosmetik ist. Das Medium Tageszeitung kämpft ums Überleben. Image ist da eine Frage der Einkünfte: Ein Unternehmen, das als jung und aufsteigend gelten will, überlegt es sich gut, ob es in einem Umfeld werben will, das als alt und sterbend gilt. Wollen Zeitungen als relevant angesehen werden, müssen sie da mittlerweile mit dem Aussehen mogeln und Schminke auftragen – wie eine 99 Jahre alte, eitle Film-Diva.

Rückblick auf das Medienjahr 2021

Hübsch und wichtig müssen die Zeitungen nicht nur gegenüber ihren Lesern und Anzeigenkunden wirken. Der Geldgeber der Zukunft könnte der Staat sein. Union und SPD hatten sich schon im letzten Koalitionsvertrag vorgenommen, Verleger zu subventionieren. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte auch 40 Millionen Euro bereit gestellt – allerdings keinen Modus gefunden, nach dem das Geld verteilt werden könnte. Wäre es nach ihm gegangen, hätten die Verleger von Anzeigenblättern einen großen Teil des Kuchens verspeist. Die Klimaschutzrepublik Deutschland hätte dann Steuern dafür ausgegeben, Werbung für Möbelhäuser und Pressemitteilungen von Hasenzuchtvereinen auf tote Bäume drucken zu lassen.

Altmaiers Versuch ist gescheitert. Das wird aber nicht der letzte staatliche Versuch sein, Verleger an der Stange zu halten – mit direkten oder indirekten Zuwendungen. Vorbild dafür ist die Schweiz. Die zahlt schon jetzt jedes Jahr 50 Millionen Franken Steuergeld an ihre Zeitungen. Der National- und der Ständerat haben bereits zugestimmt, dass diese Summe auf 151 Millionen Franken erhöht wird. Zudem sollen auch reine Online-Anbieter Geld aus dem Topf erhalten.

Allerdings hat sich gegen dieses gesamte Vorhaben eine Bürgerinitiative gegründet. Sie hat eine Volksbefragung durchgesetzt, die am 13. Februar stattfindet. Es sei die Aufgabe der Zeitungen, den Staat zu kontrollieren – und nicht umgekehrt. Würden die Subventionen weiter steigen, entstünden Staatsmedien. Das will die Initiative verhindern. Zumal es bisher vor allem die großen Verleger seien, die sich das größte Stück des staatlichen Kuchens einverleiben. Schweizer Medien rechnen mit einem knappen Ergebnis in der Volksbefragung.

Wobei der Staat für sterbende Zeitungen nicht der einzige Finanzier der Zukunft ist: Private Stiftungen verschaffen sich Einfluss auf den kranken, doch immer noch renommierten Mann: So hat die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung Medien mit knapp 320 Millionen US-Dollar subventioniert, wie das deutsche Medienportal Heise.de berichtet hat. Das Geld blieb nicht nur im Land, sondern ging unter anderem auch nach Deutschland. So hat der Spiegel laut Heise.de im vergangenen Jahr 2,9 Millionen Dollar erhalten.

Dabei genüge sich die Gates-Stiftung nicht mit der Rolle des gütigen, selbstlosen Geldgebers, der dann zusieht, was mit den Gaben passiert. So habe die Stiftung in filmischen Angeboten auch mal Scripts ändern lassen, um „pädagogische Handlungsstränge“ einzubauen – etwa zum Thema öffentliche Gesundheit. Auch sei schon die Vergabe des Geldes mit Inhalten verknüpft, wie das Portal Mintpress.News berichtet. So habe der Sender CNN 3,6 Millionen Dollar von der Stiftung erhalten, um über das Thema Gleichstellung der Geschlechter zu berichten mit dem Schwerpunkt auf weniger fortgeschrittene Länder. Die Texas Tribune habe Geld für das Thema „das öffentliche Bewusstsein und das Engagement für Fragen der Bildungsreform in Texas“ bekommen.

Jahrzehntelang durfte auf keinem Titel einer Zeitung der Zusatz „unabhängig“ fehlen. Zumindest nicht, wenn diese ernst genommen werden wollte. Nehmen Leser dieses Anliegen weiterhin ernst, werden sie sich überlegen müssen, wer die Rechnungen der Journalisten bezahlt, von denen sie sich die Welt erklären lassen: ein grüner Wirtschaftsminister, ein liberaler Finanzminister, ein Milliardär oder dessen Frau? Oder nicht vielleicht doch man selbst. Denn: „Wer bezahlt, bestellt“, mag eine Binsenweisheit sein – aber halt auch wahr.

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