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Die verrutschte Menschlichkeit

Published On: 1. Februar 2022 11:24

Nur wer sein Gesicht zeigt, kann komplett kommunizieren. Worte genügen nicht. Und wer die Lippen des andern nicht lesen kann, versteht ihn meist nicht gut. Drei Erlebnisse aus der Zeit der maskierten Menschen.

Erstens: Mein leicht entflammbarer heiliger Zorn spricht bayerisch. Als eine Verkäuferin hinter der Glasscheibe plus Maske nicht zu verstehen ist, entfährt es mir: „Nemmas halt Ihrn bleeden Fotzndeckel ab!“ Hier hilft das Bayerische leider nicht, wo es doch so viele schöne Ausdrücke für das Gesicht, den wertvollsten Körperteil des Menschen bietet: die Bappn, der Riaschl, das Gfries, die Goschn und eben auch die Fotzn. „Magst a Fotzn!“ ist keine sexistische Frechheit, sondern die Androhung einer Ohrfeige.

Die Maske gilt von allen Zwangsmaßnahmen als die mildeste. Aber Vorsicht! Je länger sie gilt, desto gefährlicher ist sie. Sie beschädigt im wörtlichen wie im übertragenen Sinn unser Bild vom Menschen. Das Individuum ist nur am Gesicht erkennbar – doch das Individuum zählt nicht mehr. Deshalb ist das Gesicht unverzichtbarer Ausdruck von Freiheit. Wir aber werden – ich fürchte, auf Dauer – nur noch mit Maske für komplette, kollektivfähige Staatsbürger gehalten.

Die medizinische Maske ist die Uniform der Angst, die Tarnkappe der Panik in den Gesichtern, das Banner der Achtsamkeit. Die Maske ist eine weiße Fahne. Die Normalität hat kapituliert.

Es siegt die Absurdität: Nur der mittels Maske unkenntlich gemachte Mensch wird noch als menschliches Wesen akzeptiert. Da ist etwas gründlich verrutscht, nicht nur über die Nasenspitze.

Im Gesicht sitzen nicht bloß die wichtigsten Sinnesorgane, sondern auch die Muskeln unserer Mimik. Wir wissen sekundenschnell Gefühle und Gemütszustände auszudrücken: Zorn, Trauer, Freude, Ekel, Begehren, Zuneigung, Müdigkeit. Nur wer sein Gesicht zeigt, kann folglich komplett kommunizieren. Worte genügen nicht. Und wer die Lippen des andern nicht lesen kann, versteht ihn meist nicht gut.

Das gilt übrigens auch für das Hören von Musik. Die Vibrationen der Musik nehmen wir mit dem ganzen Körper auf, besonders auch mit dem Mund, die Rhythmen beeinflussen unsere Atmung. Das funktioniert hinter Masken nicht. Und beim Dirigieren, wohlgemerkt, ist die Mimik genauso wichtig wie die Hände.

Vor allem zwischen kleinen Kindern und ihren Eltern, zwischen Schülern und Lehrern, im Dialog zwischen Klassenkameraden hat Mimik eine unverzichtbare Funktion. Das Gesicht lobt und tadelt, warnt, fordert auf, beruhigt, spottet, droht, und ermuntert. Die Maskenpflicht erzeugt deshalb beim Kind Ängste mit langfristigen psychischen Folgen. Nur gar keine Schule ist noch schlimmer. Aber das ist wahrlich kein Trost.

Mit Maske sind wir amputiert. Mit Maske, ob wir wollen oder nicht, sind wir auf Distanz zum andern. Sagen wir es, wie es ist: Die Maske nimmt die menschlichen Züge. Sie ist ein inhumanes Instrument. Man sollte deshalb die Maskenpflicht niemals als neue „Normalität“ akzeptieren.

Zweitens: Der Blick durch die Eingangstür einer Galerie. Ich nehme das Gebotsschild unwillkürlich als Teil einer Kunstinstallation wahr und bringe es mit dem als Häschen maskierten Playgirl in Beziehung. Die „Maskenpflicht“ wird hier demaskiert als das, was sie ist: obszöner Unsinn und Ausdruck nackter Verzweiflung. Der berühmte Satz von George Orwell lässt sich mühelos auch auf den Corona­-Staat anwenden. „Mit Fünfzig hat jeder das Gesicht, das er verdient.“

Das mag für Individuen gelten, aber eben auch für ein Gemeinwesen, das in pandemische Panik gerät. Dialektik: Mit der Maskenpflicht lässt die real existierende Demokratie die Maske fallen. Sie zeigt nun offen die Fratze darunter.

Es gilt auch für das beste Deutschland aller Zeiten das Wort von Albert Camus: „Ab einem bestimmten Alter ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich.“ Wenn das stimmt, dann hat Deutschland allerdings allen Grund, Maske zu tragen, um moralisierend zu verbergen, dass die Freiheit den Bach hinuntergeht. Für den Untertanen gilt, dass er nicht mehr für sein Gesicht verantwortlich sein darf, sondern nur noch dafür, seine Visage vorschriftsmäßig zu verbergen. Offene Gesichter gelten als Zumutung. Sie nehmen sich eine Freiheit heraus, die ihnen nicht zusteht.

Nebeneffekt: Man spricht natürlicherweise niemanden an, der nicht erkennbar ist, sondern nur den Wunsch nach Distanz signalisiert. Es ist keine Kleinigkeit, dass wir seit zwei Jahren systematisch dabei behindert werden, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Die erzwungene Maskierung ist auch eine Form der Isolation.

Aus gutem Grund kennt das deutsche Versammlungsgesetz ein Vermummungsverbot. Wer öffentlich für eine Sache demonstriert, soll auch mit seinem Gesicht dafür einstehen. Inzwischen trifft Demonstranten die Vermummungspflicht, ohne dass das Verbot abgeschafft wäre.

Drittens: Sehen Sie, wie mich das Gegenüber (w/m/d) misstrauisch anstarrt! Ich fotografiere ungeniert, ohne ihn um Erlaubnis zu bitten. Das wage ich nur, weil wir beide Maske tragen. Es ist trotzdem unverschämt. Die Hemmschwelle ist verschwunden, weil ich den/die/das andere nicht mehr als Person wahrneh­me. Die Maskenpflicht macht den Einzelnen unsichtbar. Mit Maske ist er nur anonymer Teil einer Masse.

Es ist noch schlimmer: Wir sehen im Mitmenschen eine potenzielle Bedrohung, einen Gefährder. Der maskierte Passagier mahnt unentwegt: Vorsicht! Abstand! Nähe kann tödlich sein! Ja glaubt denn irgendwer, das hätte auf Dauer keine tiefen Auswirkungen auf das Zusammenleben?!

Ich spüre es an mir selbst. Weil mich mit Maske niemand erkennt, gerät mein Zorn grobschlächtiger, unverschämter, hemmungsloser, beleidigender. Ich lasse mich gehen. Das ist nicht gut. Das Leben wäre ohne Maske gesünder.


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