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Buchtipp: «Wer schweigt, stimmt zu»

Published On: 28. Februar 2022 0:10

Veröffentlicht am 28. Februar 2022 von AS.

Für Ulrike Guérot, Professorin für Europapolitik, wirft die Pandemie eine zentrale Frage auf: Wie wollen wir eigentlich leben? Das Pandemiemanagement habe zu zermürbten Gesellschaften, verformten Demokratien, polarisierten Debatten, erschöpften Volkswirtschaften und eingeschränkten Freiheitsrechten geführt. Guérot geht in ihrem Essay «Wer schweigt, stimmt zu» diesen Fragen nach. Die Pandemiepolitik zeuge von einem transhumanistischen Zeitgeist, die Kontrolle als vermeintliche Lebensrettung tarne. Im Buch geht es nicht um Corona an sich, sondern darum, «was wir daraus gemacht haben»:

Wie konnte ein gesamtes System, eine ganze Gesellschaft so kopflos, ja, mit dem Nimbus der Vernunft im Handumdrehen so irrational werden?

Guérots Text, der laut ihrer Angabe von einem österreichischen Verlag abgelehnt worden war und nun bei Westend erscheint, ist in drei Teile gegliedert: Vorgeschichte («Was passiert ist»), Gegenwart («Wo wir stehen») und Zukunft («Was wir jetzt machen»). Der grösste Anteil bildet dabei «Wo wir stehen», wo Guérot eine Entmündigung der Bürger ausmacht und ein Rechtssystem, das zur Bedeutungslosigkeit verkomme.

Entweder gelinge es, einen inzwischen unhaltbaren, auf immer mehr Widersprüchen und einem kolossalen Datensalat aufbauenden Corona-Diskurs zu entlarven und dem politischen Schrauben an der Massnahmen-Spirale, vor allem aber der Verstetigung der Massnahmen ein Ende zu setzen, also ein demokratisches System wieder in seine Spur zu bringen. Oder das System werde notwendigerweise autoritär, weil ein Systemversagen kaschiert und de facto ein Lügengebäude stabilisiert werden müsse:

Impfpflicht, Impfregister und grüner Pass könnten dann die letzten Tropfen werden, die die jetzt schon durch Populismus und Nationalismus fragil gewordenen Demokratien in Europa in den undemokratischen Abgrund stürzen.

Pathologien der Kultur

Guérots Essay ist eine rhetorische Abrechnung mit den Perversionen der Coronapolitik und fasst viele Anekdoten aus den Ländern Europas zusammen. Der Text erhält durch persönliche Schilderungen der Autorin eine angenehme Vitalität, ohne die Sachlichkeit zu vernachlässigen. Letztlich ist es auch wichtig, danach zu fragen, was das Pandemiemanagement mit Gesellschaften macht und was die Ursachen für eine ausser Kontrolle geratene Politik sind. Jeder, der in den letzten zwei Jahren oft mit Kopfschütteln und Staunen beschäftigt war, wird sich wiedererkennen.

Guérot unterfüttert ihre persönlichen Eindrücke mit intellektuellen Referenzpunkten (z.B. der Soziologe Jacques Ellul, der in seinem Buch «Propaganda. Wie eine öffentliche Meinung entsteht und geformt wird» die Propaganda-Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und die psychologische Kriegsführung beschrieb) und liefert beiläufig auch eine Kulturdiagnose. Aufrüttelnd geschrieben und treffend analysiert. Zum Beispiel wenn es um die Frage geht, die sich unter anderem viele Kritiker stellen: Wie erreicht man die Menschen in einer angstdurchzogenen Masse mit Argumenten?

Es geht um systematische Verwirrung, die auch beim CIA als Methode hybrider Kriegsführung bekannt und mit Blick auf Corona perfekt gelungen ist. Es geht nach der Pawlow’schen Theorie um «Reflexkonditionierung» (zum Beispiel Virus gleich Angst); um Sigmund Freuds Theorie der Libido-Verdrängung (zum Beispiel der Kollateralschäden) sowie um Verliebtheit in die eigene Angst, die davor schützt, sich rational mit der Wirklichkeit oder den eigenen Problemen auseinanderzusetzen.

Genau das scheine immer noch das zentrale Problem zu sein: Wer Angst habe, lasse sich durch Zahlen oder Vernunft gerade nicht überzeugen, sondern die Angst müsse auf genau dem gleichen Wege genommen werden, wie sie gekommen ist, nämlich emotional: Man erkläre einem kleinen Kind, das von einem Krokodil unter dem Bett geträumt hat, nicht, dass das Krokodil kleiner sei als befürchtet, sondern man räume das Krokodil – also die Angst – weg.

Dass dies keiner tun könne ohne das politische Eingeständnis, dass vieles von dem, was getan wurde, übertrieben war, sei jetzt das politische Problem. Corona sei vor allem «ein Drama, bei dem man gemeinsam in die Hände spucken kann, anstatt, wie bei den anderen globalen Katastrophen – Klimawandel, Migration, Globalisierung – eher ohnmächtig zuzuschauen». Endlich habe die Politik ihre Relevanz wieder geltend machen können, indem sie «Masken oder Desinfektionsmittel» verteilen konnte. Der grosse Teil der Mehrheit der Befürworter von Massnahmen halte aus anderen Gründen als der tatsächlichen Angst vor dem Virus an ihnen fest:

Einmal, weil Gutes tun so sinnstiftend ist in der Société de Consommation (Jean Baudrillard), in der viele nicht einmal mehr eine emotional tragfähige Beziehung («social bond») haben; zum anderen, weil die konkrete Angst vor Corona davon ablenkt, sich mit den latenten Ängsten – Klimawandel, Globalisierung, Migration – befassen zu müssen. Durch Corona wurde also eine zuvor in der Gesellschaft vorhandene, diffuse (und grosse) Angst an ein konkretes Objekt gebunden und dadurch fassbar.

Guérot schreibt, wir hätten in zwei Jahren Corona alle von Ellul skizzierten Propagandastufen durchlaufen; ein Teil der Gesellschaft sei durch systematische Berieselung und permanente Wiederholung in einer kollektiven Psychose gelandet, verstärkt durch «schreckliche Bilder von Intensivstationen» und «rührselige Geschichten» von Long-Covid-Patienten. Dazu sei zu sinnstiftender Pflicht aufgerufen worden: Einkaufen für Nachbarn, sich impfen lassen:

Auf diese Art und Weise wurden das persönliche und das öffentliche Leben intrinsisch miteinander verwoben. Corona kannte kein Entkommen.

Transhumanismus und Utopie

Wenn aus den vergangenen zwei Jahren keine entsprechenden Lehren gezogen werden, um derartige Wiederholungen zu vermeiden, besteht die Gefahr, dass Entrechtung, Abschaffung von Demokratie und die Installierung von digitalen Kontroll- und Überwachungsmassnahmen weiter vorangetrieben werden. Dazu ist es nötig, die «blind spots» der westlichen Gesellschaften zu beleuchten – diejenigen Dinge, die verdrängt werden, weil die Einsichten in die eigene Fehlbarkeit schmerzhaft sind. Es hat etwas von Psychotherapie.

Wohin diese Reise führen könnte, beschreibt Guérot im letzten Teil des Textes («Was wir jetzt machen»), der einen interpretativen Ausblick in die Zukunft wagt. Es ist ein dystopischer Ansatz. Guérot schreibt von der Aufkündigung des politischen Systems der Demokratie zugunsten eines transhumanistischen Menschenbildes. Allerdings liegt darin auch eine Chance, sich der Frage zu stellen, wie man leben will, sodass der negativen Utopie eine positive entgegengestellt werden kann.

Im Schatten der Pandemie könnte sich ein Weg in einen technologiegetriebenen Transhumanismus ebnen, «den letzten grossen Traum eines sinnentleerten, dafür aber autoritären Kapitalismus», schreibt Guérot:

Die Impfpflicht ist möglicherweise nur der Einstieg in eine unverfrorene Ausweitung der kapitalistischen Landnahme durch einen «Gebrauch der Körper» (Giorgio Agamben), indem der Körper selbst zum verhandelten Objekt von Politik und Gesellschaft wird. Und damit zur Grundlage eines digital-biometrischen Komplexes, der den ausklingenden Zyklus des militärisch-industriellen Komplexes ablöst. Die zentrale Frage ist, ob eine Demokratie strukturell mit einer solchen Ent-Subjektivierung und zugleich Kommerzialisierung des Körpers vereinbar ist?

Mit Barcodes und grünen Pässen könne ein Netz der Überwachung gespannt werden. Alle Bewegungen und Aktivitäten können so nachverfolgt werden. Dies sind keine abstrakten Ideen, sondern ist an einigen Orten bereits gelebte Realität. So sei in Indien ein digital-biometrisches System namens Aadhaar etabliert, an dem über Fingerabdrücke zum Beispiel Zuweisungen von Reis hängen würden.

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Zur Autorin:

Ulrike Guérot ist Professorin für Europapolitik an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn und Co-Direktorin des Centre Ernst Robert Curtius (CERC). 2014 gründete sie das European Democracy Lab, e.V., eine Denkfabrik zum Neudenken von Europa. 2016 wurde ihr Buch «Warum Europa eine Republik werden muss. Eine politische Utopie» europaweit ein Bestseller.

Buch-Hinweis:



Ulrike Guérot: Wer schweigt, stimmt zu. Über den Zustand unserer Zeit und darüber, wie wir leben wollen. Westend, 2022. 144 S., 16,00 €. ISBN 978-3-86489-359-9. Auch als e-Book erhältlich. Voraussichtliche Veröffentlichung: 7. März 2022.

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