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Putin entwirft in der Ukraine eine neue Weltordnung

Published On: 2. März 2022 0:05

Veröffentlicht am 2. März 2022 von CS.

«Russland ist in die Ukraine einmarschiert», schreit es uns aus den Schlagzeilen entgegen. Während die Mainstream-Journalisten das Themas nur aus anti-russischer und pro-westlicher Perspektive darstellen, werde ich aus der Sicht der Realpolitik schreiben.

In der Ukraine-Affäre geht es nicht nur darum, eines der Marionettenregime des Westens zu stürzen, das Unrecht der letzten acht Jahre zu rächen oder auch nur die schwer geprüfte russische Bevölkerung in der Ostukraine zu schützen. Die Ukraine-Affäre schafft eine neue Weltordnung.

Westliche Politik-Analysten beeilen sich, aufzuzeigen, dass Putin die bestehende geopolitische Ordnung – die Sicherheitsarchitektur Europas – umzustürzen versucht. In Wirklichkeit ist diese Architektur von den USA zerschlagen worden, die noch immer europäische Länder besetzt halten und Russlands vernünftige Sicherheitsforderungen nicht akzeptiert haben. Die NATO plant bereits Gegenmassnahmen, aber ich bezweifle, dass sie es wagen wird, eine direkte militärische Aktion gegen Russland zu unternehmen. Russland ist nicht Jugoslawien, der Irak oder Libyen.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ging es in den Worten von Präsident Woodrow Wilson darum, «die Welt für die Demokratie sicher zu machen». Im Namen der Demokratie schlugen amerikanische Soldaten zu, wo sie nur konnten, und später führte das Militärbündnis NATO im Namen westlicher Interessen zahlreiche Bombardements durch. Staatsgrenzen wurden willkürlich verschoben.

Sowohl Putin als auch der chinesische Präsident Xi Jinping haben es klar geäussert: Sie glauben, dass es Amerikas ultimatives Ziel ist, die russische und die chinesische Regierung zu stürzen. Lokale «Pro-Demokratie»-Bewegungen – oft vom Westen finanziert und ausgebildet – fungieren als trojanische Pferde für die angloamerikanischen Mächte. Wir müssen daher aufhören, nach den getürkten Regeln der Atlantiker zu spielen.

James M. Dorsey behauptet, dass Putin, Xi und eine Vielzahl anderer globaler Führer wie Narendra Modi in Indien, Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei und Viktor Orbán in Ungarn eines gemeinsam haben: dass sie die Grenzen ihrer Nationen in «zivilisatorischen», nicht in völkerrechtlichen Begriffen definieren.

Darauf zielte auch Putin Anfang der Woche ab, als er die Gründe für die Anerkennung der beiden separatistischen Republiken in der Ukraine durch Russland bekannt gab. In Putins 90-minütiger Geschichtsstunde wurden die zivilisatorischen Grenzen dessen, was er als «russische Welt» – den «Grossraum» gemäss Schmitt – bezeichnete, im Hinblick auf die Präsenz ethnischer Russen in einer bestimmten Region definiert.

In diesem Zusammenhang steht auch Putins Behauptung, die Ukraine habe weder einen echten Staat noch eine Tradition. Mit der Farbrevolution des Westens stellt dieses ehemalige Gebiet der Sowjetunion auch eine ständige Bedrohung für das moderne Russland dar. Es muss daher in den Einflussbereich des Mutterlandes zurückgeführt werden.

Russlands Anerkennung der beiden abtrünnigen Republiken in Georgien 2008, die Annexion der Halbinsel Krim an Russland Jahr 2014, die Unterstützung für die separatistischen Rebellen in den ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk und die Präsenz russischer Truppen in Weissrussland untermauern Putins Plan.

Dorsey argumentiert, dass Putin seit 2014 auch über Kasachstan in der gleichen Weise gesprochen hat wie über die Ukraine. Wenige Wochen bevor russische Truppen Anfang des Jahres in die massiven Anti-Regierungsproteste in Kasachstan eingriffen, sagte Putin im kasachischen Fernsehen, dass «Kasachstan im vollen Sinne des Wortes ein russischsprachiges Land ist».

Putins Sprecher Dmitri Peskow erklärte kürzlich, dass die Innen- und Aussenpolitik des Präsidenten nur «ein Ausgangspunkt» sei. Er deutete an, dass «es in der Welt eine Nachfrage nach besonderen, souveränen und entscheidenden Führern gibt». Damit meinte Peskow, dass Putin als ein solcher Führer und Architekt des Wandels in der Weltordnung angesehen werde.

Putins Meinung über die zentrale Bedeutung der Ukraine für die Sicherung der russischen Position auf der Weltbühne wurde von Russlands langjährigen Feinden geteilt. Zbigniew Brzezinski, polnischstämmiger nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter, war mit der herrschenden Elite des Westens vertraut. Brzezinski erklärte in den 1990er Jahren, dass «ohne die Ukraine Russland aufhört, ein Imperium zu sein, aber sobald die Ukraine unterworfen ist, wird Russland automatisch wieder ein Imperium».

Russische Patrioten, Eurasisten und Kommunisten stören sich nicht an Putins Handlungen. Wer aber bislang von seiner Aussenpolitik enttäuscht war, der ist der Meinung, dass jetzt die schändlichen Kompromisse des «liberalen technokratischen Regimes» gegenüber dem Westen ausgeglichen werden.

Entgegen der Behauptungen ist Putin kein unberechenbarer manischer Tyrann. Im Gegenteil, er hat sich als brillanter Taktiker erwiesen. Der russische Führer weiss, dass seine Forderung nach einem Ende der NATO-Osterweiterung nicht ernst genommen wird, wenn der Kreml es nicht wagt, den Worten Taten folgen zu lassen.

Mit der Anerkennung der abtrünnigen Republiken in der Ukraine hat er gezeigt, dass ihm die Sanktionen der USA und der EU keine Sorgen bereiten. Russland hat Reserven in Höhe von rund 600 Milliarden US-Dollar aufgebaut und den Handel in US-Dollar auf die Hälfte reduziert. Daher kann Putin die Ukraine-Krise und die Reaktion darauf bislang als Erfolg verbuchen, auch wenn ein Teil der Welt die russische «Aggression» verurteilt, wie die Debatte im UN-Sicherheitsrat gezeigt hat.

Der strategische Partner China war mit seinen Ausfällen zur Ukraine-Situation vorsichtig. Das Land unterhält eigene Handelsbeziehungen zur Ukraine, chinesische Unternehmen sind bereits in dem Land tätig, und Kiew ist an dem Infrastrukturprojekt «Belt and Road» beteiligt. Offiziell behauptet China derzeit noch, dass die russische Militäroperation die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht beeinträchtigen wird. Indessen stellt sich die Frage, ob China die «widerspenstige Provinz» Taiwan wieder in das chinesische Festland eingliedern wird, während Russland in der Ukraine operiert.

Abgesehen davon, dass Putin eine eisige Botschaft an den Westen und die ehemaligen Sowjetrepubliken sendet, hat er die Schwächen des Westens zu einem Zeitpunkt offengelegt, an dem sich die liberale Demokratie in einer Krise befindet: Im Zeitalter des Coronavirus herrscht im Westen der biofaschistische Sicherheitsstaat, der seine Bürger unterdrückt. Diese Exzesse und Ungerechtigkeiten werden weiterhin ignoriert.

Putin mag der nordatlantischen Allianz und der westlichen Solidarität neuen Schwung verliehen haben, doch es sieht nicht danach aus, als wären die USA und Europa der Herausforderung des Kreml gewachsen. Russland spielt geschickt ein langfristiges geopolitisches Spiel, nicht gebremst von der Identitätspolitik, die die westlichen Gesellschaften polarisiert. Es ist unwahrscheinlich, dass die Sanktionen Putin davon abhalten werden, in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion seine neue Ordnung zu schaffen. Von der Ukraine und von Weissrussland aus kann er Vorposten und Pufferzonen im westlichen Glacis der russischen Welt errichten.

Putin könnte jedoch bis Ende des Jahres mit einer anderen USA konfrontiert sein, wenn nämlich Präsident Biden bei den Zwischenwahlen den Senat und/oder das Repräsentantenhaus verliert. In einigen Jahren könnte sich die Situation erneut ändern, wenn Donald Trump – der Putins Vorgehen in der Ukraine als «brillant» bezeichnete – ins Präsidentenamt zurückkehrt.

Ebenso könnte Putin in Europa auf einen empathischeren Führer treffen – wenn Macron von einem pro-russischen Kandidaten herausgefordert wird, der ihn nach den Wahlen im April als Präsident Frankreichs ablösen könnte.

«Das sind grosse Ambitionen, und sie sind vielleicht unerreichbar», hofft die amerikanische Putin-Kritikerin Anne Applebaum, die glaubt, dass der russische Führer versucht, die Demokratie in der Welt abzuschaffen. Auch die ehemalige Sowjetunion hatte grosse Ambitionen: Lenin, Stalin und ihre Nachfolger wollten eine internationale Revolution, damit der sowjetische Sozialismus über die ganze Welt herrsche. «Am Ende sind sie gescheitert», seufzt Applebaum.

Der Pragmatiker Putin mag keine solchen Pläne führen. Aber eine in geopolitische Interessen aufgeteilte Welt, bestehend aus grossen Regionen oder «Blöcken», könnte in Zukunft Realität werden. Dies ist auch die Stossrichtung anderer Akteure. Ist die derzeitige russische Führung daran, einen «zivilisierten Staat» aufzubauen?

Es gibt viele Meinungen über die Militäraktion in der Ukraine, aber manchmal denke ich, dass das Ganze wie nach Drehbuch abläuft und die Mächte hinter den Kulissen sich bereits auf bestimmte Dinge geeinigt haben. Wir sind nahtlos von der Corona-Krise zu einem militärischen Konflikt übergegangen; anderes wird vielleicht aus Bequemlichkeit ausser acht gelassen.

Auf jeden Fall wird die Weltordnung neu gestaltet, zuerst durch die «Pandemie» und jetzt durch den «Krieg». Erleben wir wirklich eine geopolitische und wirtschaftliche Neuverteilung? Wie wird das Ergebnis aussehen? Was wird mit den Banken geschehen, wohin wird die Finanzkrise führen? Wird das verwestlichte Finnland versuchen, der NATO beizutreten? Wird der Vorschlag einer digitalen Identität in die Tat umgesetzt werden?

Putin brauchte mehr als zwei Jahrzehnte an der Macht, um damit anzufangen, die schlimmsten Erwartungen der westlichen Entscheidungsträger und Analysten zu erfüllen. Es bleibt abzuwarten, ob es sich dabei nur um ein politisches Psychodrama handelt. Oder ob wir noch erleben werden, wie der von den USA angeführte atlantische Block gedemütigt und verdrängt wird.

zum vollständigen Artikel (auf französisch)

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Markku Siira ist ein finnischer geopolitischer Analyst und Autor. Er ist Experte in internationalen Beziehungen mit Schwerpunkt USA, China und Russland. Sein Blog: markkusiira.com

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