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Na, sowas: Anderswo geht Politik anders

Published On: 27. April 2022 12:00

Ein interessantes Ergebnis der Frankreich-Wahlen: Sie erinnern uns daran, dass in anderen Ländern andere Sitten herrschen. Auch andere Wahlsitten.

Das hat uns jetzt Frankreich vorgeführt, davor England und davor Amerika. Man kann das als eine Selbstverständlichkeit abtun, aber es sind doch gute Lektionen.

Die Amerikaner hatten uns einen Präsidenten beschert, der in Deutschland undenkbar gewesen wäre. Die Briten haben einen Premierminister mit großer Mehrheit in die Downing Street befördert, der in Deutschland wahrscheinlich Journalist (sein erlernter Beruf) hätte bleiben müssen, was ja keine Schande ist. Das hat mit dem Wahlsystem und der Psyche der Wähler zu tun.

Und Frankreich? Dort gilt Ähnliches. Die für uns lehrreichste Person trägt den Namen Marine Le Pen. Sie verkörpert die AfD Frankreichs. Und zwar mit Power. Im ersten Wahlgang hat sie für ihr Rassemblement National über 23 Prozent geholt, nicht viel weniger als Emmanuel Macron mit seinen knapp 28 Prozent. Rechnet man ihr den noch etwas rechteren Eric Zemmour mit seinen sieben Prozent hinzu, der bei uns den harten Kern der AfD bilden würde, so hat die Rechte in einem vielstimmigen Feld solide 30 Prozent geschafft. Das ist fast aussagekräftiger als die gut 41 Prozent der Stichwahl, bei der sich zu Marine Le Pen auch eine Menge Macron-Hasser hinzugesellt haben, die sonst nicht zu ihr passen.

Man stelle sich das in Deutschland vor: an die 30 Prozent für die AfD! Die Alternativen würden alle, die jetzt in der Regierung sind, mit Längen abhängen. Das sagt eine Menge über die Stimmung in Frankreich aus. Wahrscheinlich mehr als die zehn Prozent, die die AfD zuletzt bei uns bekommen hat, über die Stimmung in Deutschland aussagt.

Konfrontativere Wahlsysteme

Unzufriedenheit überträgt sich in allen drei hier erwähnten Ländern viel umittelbarer auf die Politik als bei uns. Das hat viel mit den direkteren und konfrontativen Wahlsystemen zu tun. Unseres ist auf Ausgleich und Koalitionen ausgelegt. Die USA, das Vereinigte Königreich und Frankreich wählen – so unterschiedlich sie es tun – persönlicher und krawalliger als wir. Darum kommen auch ganz andere Figuren nach vorn als bei uns. Eine wie Marine Le Pen zum Beispiel. Wo stünde die AfD, wenn sie eine Marine hätte? Eine müßige, aber durchaus bedenkenswerte Frage. 

Auch Emmanuel Macron gehört in die Kategorie der Politiker, deren Aufstieg vom Wahlsystem unterstützt wurde: Angefangen mit dem nahezu totalen Absturz der sozialistischen und konservativen Traditionsparteien. Im Vergleich dazu ist der Abstieg unserer Traditionsparteien ein sanftes Hinabgleiten. In Frankreich ruft dann einer von einer der Absturzparteien einfach eine brandneue Partei namens En Marche aus und schafft es gleich in den Elysée-Palast. So kann es gehen, wenn der Präsident als Chef im Ring direkt gewählt wird. Eine Chance für Menschen mit Charisma. Oder – kurzer Blick nach Washington – mit Chuzpe.

Dass Macrons Wiederwahl keine Liebesgeschichte ist, versteht sich. Er leidet nun mal unter der Arroganz des direkt gewählten Staats- und Politik-Oberhauptes mit Oberschichten-Hintergrund. Er leidet unter der ziemlich weitgehenden Macht, die es ihm fünf Jahre lang ermöglicht hat, Unpopuläres zu tun oder zu versuchen. Und dann ist da noch die Tatsache, dass eine Stichwahl in beiden Lagern nicht nur Verliebte zusammenbringt. 

Wer wird im Juni Premier?

Worunter leidet er sonst noch? Unter der drohenden Gefahr, dass ihm bei den Parlamentswahlen im Juni der linke Jean-Luc Mélenchon als Premierminister untergejubelt wird. Der Mann hat es bei der ersten Präsidentenwahl immerhin auf knapp 22 Prozent gebracht, belegte also – wie der Sportreporter sagen würde – den undankbaren dritten Platz. Holt er die notwendige Mehrheit, muss sich Macron, wie es auch den meisten amerikanischen Präsidenten im Senat geht, mit einem sehr oppositionellen Premier und Parlament herumschlagen.

Sowas haben wir gar nicht. Kohabitation – das hat einen deutlich französischen Geschmack und würde bei uns als etwas anrüchig empfunden. Koalition – das ist der saubere deutsche Weg, auch wenn es ein flotter Dreier ist. Unsere Regierungschefs können sich jedenfalls – wenn sie keinen Familienkrach im eigenen Koalitionshaus bekommen – auf eine brave Mehrheit im Bundestag verlassen. 

Nimmt man unser Wahlsystem als Basis, so passt unser derzeitiger Bundeskanzler perfekt hinein. Ein Stiller im Lande der Koalitionen, der offenbar die Vorsicht als Mutter der Porzellankiste verinnerlicht hat. Kein Sturmflut-Hanseat. Auch seine Vorgängerin war gut in unser politisches System eingepasst, bot aber immerhin einiges Überraschende. Erstens, dass sie als Frau dem damaligen Zeitgeist in der Politik klar voraus war. Und zweitens, dass sie mit einem mutigen „Königsmord“ an die Spitze der CDU kam. 

Olaf Scholz ist mehr oder weniger ins Amt hineingeflutscht, nicht als kühner Ritter, sondern als glücklicher Gewinner der Koalitions-Arithmetik. Ein deutscher Klassiker also. Dem Profil nach ein Gegenstück zu den extrovertierten Emmanuel Macron, Boris Johnson und – ja, ja – Donald Trump.

Was ist besser, was schlechter? Ich halte es mit dem geschlechtlich hybriden Prinzen Orlofsky in der Fledermaus: Chacun a son gout. Ob es etwas wilder oder etwas geglätterter sein soll – es ist politische Geschmackssache und hat seine historischen Wurzeln. Vor allem bei uns, wo nach einem wüsten halben Jahrhundert ein bisschen Ruhe eine einleuchtende und attraktive Option war. 

Zu viel Ruhe? Kann man inzwischen sagen. Unser System wirkt wie ein freundliches Schlafmittel. Ein hyperaktiver Macron oder eine Frankreich-über-alles-Le Pen sind bei uns nicht vorgesehen. Oder tauchen bestenfalls als Randfiguren auf. Wie sang einst Peter Alexander in seinem ironischen Anti-Rock’n’Roll-Schlager? „Damit haben Sie kein Glück in der Bundesrepublik. Wir tanzen lieber Tango bei zärtlicher Musik.“ In der Musik-Szene hat sich das überlebt. In der Politik lebt die sanfte Melodie noch, auch wenn die Musik nicht immer zärtlich ist. 

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