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Tempolimit jetzt!

Published On: 27. April 2022 14:00

Ich fahre trotz Tempolimit 120 mit zügigen 130, weil da die Motordrehzahl hübsch ist. Ein mögliches Bußgeld dürfte sich im finanziell vertretbaren Bereich halten.

Es ist ein schöner Samstagnachmittag, auf der A3, auf dem Weg ins Hessische. Der Schatz hat an der Tankstelle noch zwei Schokoriegel und zwei lustige Designertees in den Geschmacksrichtungen „Feige-Mango“ und „Apfel-Rhabarber“ mitgenommen, wer auch immer sich so etwas ausdenkt. Ich fahre trotz Geschwindigkeitsbegrenzung 120 mit zügigen 130, weil da die Motordrehzahl hübsch ist und – sollte tatsächlich einer der Raubritter mit Radarfalle hinter dem Busch sitzen – sich das Bußgeld im finanziell vertretbaren Bereich halten dürfte. Außerdem spare ich so Benzin, da gleicht sich das aus. Wenigstens rede ich mir das ein, ich bin kein Kfz-Mechatroniker. Und so fahre ich zügig, aber gediegen, Nordhessen entgegen, als mich ein BMW überholt. Flott überholt. Fix überholt. Locker mit 160, wahrscheinlich mehr. Am Sonntagnachmittag. Auf der A3. Mit 120 km/h Begrenzung. Und wo ich eh schon schneller als erlaubt bin. 

„Wenn ich so etwas sehe, dann bin ich ja sofort für ein Tempolimit“, sage ich mehr zu mir als zum Schatz. Hätte ich gewusst, wie das eskaliert, hätte ich lieber den Mund gehalten. Der Schatz setzt den „Ingwer-Feige-Banane“-Tee, oder was das Zeug intus hat, ab und fragt: „Wieso?“ „Weil man so schnell auch nicht fahren muss, zumal, wenn eine Geschwindigkeitsbegrenzung herrscht“, erkläre ich. „Aber du fährst doch auch schneller als erlaubt“, erwidert der Schatz mit einem kurzen Blick auf das Navigationsdisplay. „Ja, aber nicht so viel schneller, sondern im erlaubten Rahmen“, kontere ich. 

„Das ist Blödsinn, es gibt keinen erlaubten Rahmen. 120 ist 120, nicht „120 mit erlaubtem Drüber-Rahmen“, meint sie. „Oh, was war noch einmal die Abschlussnote deines juristischen Staatsexamens?“, frage ich und sie sagt „Blödmann“. Und dann: „Wenn du jetzt geblitzt wirst, kostet es Geld. Also gibt es maximal einen Rahmen im Rahmen einer Messtoleranz von vier Kaemha und da bist du eindeutig drüber. Der Kamerad da vorne zahlt genauso wie du, nur mehr. So von wegen Rahmen und erlaubtem Rahmen.“ „Ja, aber so rasen muss man auch nicht!“, argumentiere ich, „man kann auch langsamer ras… fahren!“ „Fährst du doch“, tröstet mich der Schatz. „Das ist doch Schwachsinn. Hätten wir ein Tempolimit von 130, dann wäre ich jetzt genau im Limit!“, erkläre ich. „Und damit wärst du bei den Guten und der BMW ein Verbrecher“, ergänzt der Schatz.

„Hältst du mich für einen Feigling?“

„So ungefähr. Warum muss man denn auch mindestens 160 fahren?“, erläutere ich meine Gedanken. „Ja, warum denn nicht? Du könntest auch 160 und schneller fahren, wenn du wolltest!“, meint die Dame, die ich einst ehelichte. „Kann ich ja eben nicht, weil hier ein Tempolimit ist“, verteidige ich mich. „Könntest du schon, wenn du keine Angst hättest, den Lappen zu verlieren“, führt sie, faktisch korrekt, an. Soso. Ich habe also Angst, den Lappen zu verlieren, und der BMW-Fahrer nicht. Sie scheint mich also für einen Feigling zu halten. Ich vergewissere mich: „Hältst du mich für einen Feigling?“ „Nein, für jemanden, der sich ‚im erlaubten Rahmen‘ an eine Geschwindigkeitsbegrenzung hält“, erklärt sie, während ein Mercedes an uns vorbeirauscht. 

„Da, guck, guck, noch so einer! Tempolimit jetzt!“, brülle ich in die Windschutzscheibe. „Aber du kannst doch 130 fahren. Oder 120. Da braucht es doch kein Tempolimit, im Gegenteil, wir haben auf deutschen Autobahnen eine Mindestgeschwindigkeit von – Moment – …“, sie tauscht den Tee mit dem Handy in der Hand, „…tatsächlich keine!“ Sie ist ehrlich verblüfft. „Ein Fahrzeug muss wenigstens 60 Kaemha fahren KÖNNEN, aber nicht fahren MÜSSEN. 40 ginge auch, wenn der Fahrer lebensmüde ist“, führt sie aus. „Da, siehst du“, brülle ich, obwohl es da gar nichts zu sehen gibt, „deshalb Tempo 130 als Tempolimit!“ „Das ist unlogisch!“, gibt sie zurück. 

Schweigen. Aber nur kurz. 

„Dir geht es doch um was ganz anderes“, fängt sie jetzt an und beißt von dem Schokoriegel ein Stück ab, „dich ärgert doch, dass du überholt wurdest, obwohl du selbst bereits schneller als erlaubt unterwegs bist.“ DAS ärgert mich jetzt und ich bremse auf 120 km/h herunter: „So! Ist es das, was du willst? Ja? Bitte! Kannst du haben! 120! Point. Dann kommen wir eben nicht vorwärts!“ „Das ist nicht das, was ich will, sondern das, was die Autobahnmeisterei will. Du willst ein Tempolimit, weil es dich ärgert, überholt zu werden. Werde erwachsen, Mann!“ „Blödsinn! Blödsinn! Ich könnte auch 220, wenn ich wollte! Guck, der Tacho geht bis 240, ich könnte flach über den Asphalt fliegen, aber ich mache es nicht! Und warum mache ich es nicht? Weil ich erwachsen bin und weiß, dass ab 200 jede Biegung zur Haarnadelkurve wird, das Auto mit mir fährt und ich mich irrsinnig wegen der ganzen Blödel, die mit 120 zum Überholen ansetzen, konzentrieren muss. Ganz abgesehen davon, dass ganz Deutschland ab drei Fahrspuren hoffnungslos damit überfordert ist, die für sich richtige Spur zu wählen!“, argumentiere ich die Naschkatze in Beifahrersitz und Bodenblech, „deswegen eben Tempolimit, dann weiß jeder, schneller als 130 ist verboten!“

Echtes Understatement

„Ich dachte, du seiest Liberaler, stattdessen bist du ein Heuchler“, hebt sie die Diskussion auf ein neues Level, während wir an der Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung vorbeifahren, „da, gib Gas, jetzt darfste!“ „Ich WILL aber gar nicht! 130 war und ist vollkommen ausreichend, man muss nicht wie ein Irrer rasen!“ „Dann FAHR doch 130!“ „Mach ich ja auch! Ich bin ein vernünftiger Autofahrer!“ „…der von den Schnellen überholt wird“, gibt sie mir den Todesstoß! „Wir sind das einzige Land in Europa ohne Tempolimit“, heule ich ins Lenkrad. „Korrekt. Und wir sind das einzige Land, in dem man eine Prüfung machen muss, wenn man eine Angel ins Wasser halten will“, packt sie, fröhlich an dem Schokoriegel kauend, einen Whataboutismus obendrauf, „freuen wir uns also an ein wenig Restfreiheit.“ 

„Ja, aber bei einem Tempolimit wäre es klar!“, wage ich einen letzten Versuch. Der Schatz legt seine Hand auf meinen rechten Unterarm, der bequem auf dem Schalthebel des Automatik aufliegt. „Schau, mein Engel“, sagt er, „du könntest jetzt 200 fahren, wenn du wolltest. Andere können das bauartbedingt nicht. Du könntest, wenn du wolltest. Das ist doch toll! Bei einem Tempolimit dürftest du nicht, selbst, wenn du könntest und wolltest. Ist das so nicht schöner, wenn du könntest, weil du wolltest? Ist das jetzt nicht echtes Understatement?“ Ja, ist es. Ich könnte, wenn ich wollte und muss nicht nicht wollen, weil ich nicht wollen darf. 

Ein Mercedes rauscht an mir vorbei. Ich fahre 130. Ich komme mir vor, als würde ich in einem Corsa oder Twingo hocken. Dafür aber habe ich den Schatz, Schokoriegel und Tee in abartigen Geschmacksrichtungen. Immerhin. Überholt mich! Ich könnte, wenn ich wollte und darf. Man muss nicht alles ausreizen. An einem sonnigen Sonntagnachmittag auf der A3. Gibt es eigentlich Porsche-Fahrer, die Tempolimits fordern?

(Weitere temporeiche Artikel des Autors gibt´s unter www.politticker.de)  

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.  

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