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World Economic Forum: Kurs auf grüne Planwirtschaft?

Published On: 26. Mai 2022 12:00

Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Weltwirtschaftsforum in Davos war geringer als in früheren Jahren. Dabei lohnt das Hinsehen, insbesondere wenn sich große Unternehmen gemeinsam für grüne Planwirtschaft erwärmen.

Das diesjährige Treffen des World Economic Forum fand vom 22. bis zum 26. Mai in Davos statt. Dass sowohl Joe Biden als auch Kamala Harris der Versammlung fernblieben, wird von der Wirtschaftswoche als Relevanzverlust des WEF interpretiert. Denn der US-Präsident begab sich lieber auf seine erste Asienreise. Vor allem wollte er bei dieser Gelegenheit das neue Verteidigungsbündnis „Quad“ zementieren – bestehend aus den Staaten USA, Australien, Japan und Indien, ein Schulterschluss im indo-pazifischen Raum. Außerdem startete Biden in Seoul eine Neuauflage des Transpazifischen Partnerschaftsabkommens. Dieses war bereits von Obama ausgehandelt, von Trump jedoch zurückgestellt worden. Die Wiederauflage soll als Signal gegen den Einfluss von China und Russland verstanden werden.

Laut Protokoll muss Vize-Präsidentin Kamala Harris in den USA die Stellung halten, solange Biden im Ausland unterwegs ist. Stattdessen schickten die USA den Kongressabgeordneten Gregory Meeks als Anführer der US-Delegation nach Davos. Mit von der Partie war ebenfalls John Kerry, der US-Gesandte für das Klima. Am Montag traf er den Schweizer Bundespräsidenten Ignazio Cassis zu einem bilateralen Gespräch.

John Kerry gab beim diesjährigen WEF auch die Erweiterung der „First Movers Coalition“ bekannt. Dahinter verbirgt sich ein Bündnis, das im vergangenen November von der US-Regierung ins Leben gerufen wurde, genauer gesagt durch einen Zusammenschluss aus US-Außenministerium, John Kerry als Sondergesandtem des US-Präsidenten für das Klima, dem US-Büro für globale Partnerschaften, den US-Ministerien für Handel und Energie sowie dem World Economic Forum. Ziel ist die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Laut Homepage des US-Außenministeriums handelt es sich dabei um „eine neue Plattform für Unternehmen, die ihre Kaufkraft und Lieferketten nutzen wollen, um frühzeitig Märkte für innovative saubere Energietechnologien zu schaffen, die für die Bewältigung der Klimakrise entscheidend sind“. Interessant ist, dass Joe Biden die Koalition zwar auf der letzten UN-Klimakonferenz präsentiert hatte, aber keine aktive Rolle in diesem Bündnis einzunehmen scheint. Ist sein Fernbleiben vielleicht weniger eine Abwertung des WEF als eine ökonomische Arbeitsteilung mit John Kerry?

Zu den mehr als 25 Gründungsmitgliedern gehören „führende internationale Unternehmen aus einer Vielzahl von Branchen“, darunter Amazon, Apple, Boeing, DHL, Nokia, Vattenfall und die Volvo-Gruppe. Kerry wird vom US-Außenministerium dahingehend zitiert, dass die mitwirkenden Unternehmen „Kaufverpflichtungen eingehen, um frühzeitig Märkte für kritische Technologien zu schaffen, die notwendig sind, um bis 2050 eine Netto-Null-Energieversorgung zu erreichen“. Diese Technologien, die für die Schwerindustrie oder den Fernverkehr benötigt werden, seien noch nicht kommerziell verfügbar oder wettbewerbsfähig, müssten aber bis 2030 auf den Markt gebracht werden, heißt es beim US-Außenministerium vielsagend. In Bezug auf die Stahlindustrie ist etwa von „direkter Wasserstoffreduktion, Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung sowie elektrolysebasierten Produktionsverfahren“ und beim Flugverkehr von „Elektro- und Wasserstoffantrieben“ die Rede.

Lockmittel wie Steuerbegünstigungen

Am Mittwoch gab John Kerry auf dem World Economic Forum gemeinsam mit Bill Gates, der Geschäftsführerin des WEF sowie drei CEOs beteiligter Firmen die Mitwirkung weiterer Unternehmen bekannt, sodass nun 55 Unternehmen weltweit an der „First Movers Coalition“ Anteil haben. Diese repräsentierten 50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandproduktes. In seiner Ansprache vergleicht Kerry den Durchbruch dieser künftigen Technologien mit dem Durchbruch der mRNA-Impfstoffe. Auch bei der Entwicklung der Impfungen hätte das Signal der US-Regierung, dass für Derartiges eine Nachfrage bestünde, Unternehmen auf die Sprünge geholfen. Sie würden sich verpflichten, 10 Prozent eines bestimmten Rohstoffes aus CO2-freier Produktion zu beziehen, wie etwa „grünen Stahl“, „grünen Zement“ oder „grünes Aluminium“. Oder Speditionsfirmen würden den Bau von CO2-freien Schiffen zusagen, was zwar „zunächst“ teurer sei, aber dem Markt Bedarf signalisieren würde. Auch „negative Emissionen“ durch Kohlenstoffentfernung würden gefördert. Microsoft und Google würden bis 2030 „fortschrittliche Technologien zur Beseitigung von Kohlendioxid“ für insgesamt 500 Millionen Dollar erwerben.

Einzelne Länder sollen durch die Förderung derartiger Technologien Anreize für die Industrie schaffen – man kooperiere bereits mit Schweden, Indien, Japan, Norwegen, Italien, Großbritannien, Singapur und Dänemark. Lockmittel wie Steuerbegünstigungen seien denkbar.

Bill Gates ergänzt, dass die Einbindung des Privatsektors als Abnehmer grüner Produkte im Fokus stünde. Um den Preisaufschlag, den diese Erzeugnisse mit sich bringen, zu kompensieren, empfiehlt Bill Gates eine Erhöhung der Produktion, wie es etwa bei Sonnenkollektoren und Windrädern geschehen sei. „Grüner Wasserstoff“ solle etwa durch eine Produktionssteigerung attraktiver werden. Eine Mischung aus politischen Fördermaßnahmen und Nachfrage seitens des Privatsektors soll Abnehmer für „kleine innovative Firmen“ schaffen.

Keine öffentliche, medial begleitete Debatte

Wie man es auch dreht und wendet: Dieses Vorhaben mutet eher planwirtschaftlich als marktwirtschaftlich an. Warum erklären sich große Unternehmen dazu bereit, bei einem für sie scheinbar nachteiligen Deal mitzuwirken? Die Angelegenheit wird so verkauft, dass sich die einzelnen Firmen aus moralischen Gründen dafür hergeben, eine künstliche Steigerung der Nachfrage teurer, grüner Produkte auszulösen, ohne dass ersichtlich wird, wie sie davon profitieren. Durch die angeführten Steuervergünstigungen? Durch eine staatliche Bevorzugung gegenüber der Konkurrenz? Und wie werden die höheren Kosten ausgeglichen? Durch höhere Preise für die Verbraucher?

Solar- und Windkraft als Beispiel für „zukunftsträchtige Technologien“ anzuführen, lässt jedenfalls nichts Gutes erahnen. Die Subventionierung dieser alternativen Energieformen hat neben der Landschaftszerstörung, Tiergefährdung und Recyclingproblemen durch Windräder vor allem zu einer Explosion der Strompreise geführt (Stichwort EEG-Umlage). Dennoch leuchten bei Ruth Porat, der Finanzchefin von Google, die Augen, als sie beim WEF von den 200 Millionen Dollar berichtet, die Google in Technologien zur Kohlenstoffentfernung investiert hat. Die Unternehmen werden wohl so oder so auf ihre Kosten kommen. Es dürfte spannend bleiben, die weiteren Schritte der „First Movers Coalition“ zu beobachten.

Dieser Tagesordnungspunkt auf dem World Economic Forum gibt ein gutes Beispiel dafür ab, wie realpolitische Entscheidungen sich mehr und mehr von demokratisch legitimierten Gremien hin zu oligarchischen Zusammenschlüssen bewegen. Die „First Movers Coalition“ wird wie selbstverständlich nicht nur in Kooperation der USA mit einer Stiftung wie dem World Economic Forum initiiert, sondern vordergründig als Sprungbrett für Verhandlungen mit internationalen Privatfirmen konzipiert. Erst nachdem diese als Partner für die Pläne gewonnen wurden, sind andere Länder zwecks Umsetzung der politischen Dimension ins Boot geholt worden. Zumindest geht dies aus der Ansprache John Kerrys beim World Economic Forum hervor. Eine öffentliche, medial begleitete Debatte über diese Entscheide findet gar nicht erst statt. Auch bleibt fraglich, welche Funktion Bill Gates in diesem Geflecht einnimmt und warum er mit auf dem Podium sitzt. Die vielzitierte Gefährdung unserer Demokratie dürfte vor allem von derartigen Konstrukten ausgehen.

Mehr von Ulrike Stockmann finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.

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