special-olympics-verzichtet-auf-impfzwang-nach-millionen-drohung-durch-floridaSpecial Olympics verzichtet auf Impfzwang nach Millionen-Drohung durch Florida
erstaunlich:-deutsches-aerzteblatt-nimmt-natuerliche-immunitaet-als-ueberlegen-zur-kenntnisErstaunlich: Deutsches Ärzteblatt nimmt natürliche Immunität als überlegen zur Kenntnis
erfolgsleere.-philosophie-fuer-die-arbeitswelt-–-rezension

Erfolgsleere. Philosophie für die Arbeitswelt – Rezension

Published On: 4. Juni 2022 11:00

Der Schriftsteller und Wissenschaftsphilosoph Jan David Zimmermann bespricht für TKP das Buch „Erfolgsleere. Philosophie für die Arbeitswelt“ des promovierten deutschen Philosophen Michael Andrick. Dieses Jahr brachte der Herder Verlag die vierte und überarbeitete Auflage des 2021 erschienenen Buches heraus. 

Andrick versucht in seinem Buch weniger das Thema Arbeit philosophisch zu betrachten, als viel eher die Philosophie als Rüstzeug für die Arbeitswelt zu etablieren, so wie es der Untertitel erraten lässt. In den acht Kapiteln seines Buches, das mit dem „Rätsel unserer Normalität“ beginnt und mit „Ehrgeiz und Erstarrung“ endet, orientiert sich der Autor dabei an grundsätzlichen Strukturen von Ratgeberliteratur, transzendiert das literarische Feld des Ratgebers jedoch mittels moralphilosophischer Analysen und geschichtsphilosophischer Exkurse – von Adam Smith über Marx oder Kant. Dabei darf bei Andrick Moral nicht mit Moralisieren verwechselt werden: Der Autor, der an anderer Stelle und im journalistischen Kontext „angstfreie öffentliche Debatten“ forderte und sich gegen die übermäßige Moralisierung gesellschaftlicher Diskussionen aussprach, versteht Moral nicht als breitgewalzte Tugendprahlerei oder Mainstream-Konsens, sondern als ein stilles Selbstgespräch, ein Nachdenken, womit er die Philosophie als „die charakteristische Tätigkeit eines moralischen Wesens begreift“. Zugleich ist die moralische Person für den Philosophen Andrick keine Mitläuferin eines bestimmten Zeitgeistes, sondern viel eher dessen Gegenspielerin. Jenen Zeitgeist, den er wiederum in der Figur des Konformisten repräsentiert sieht. Zitat: „Moralische Personen können […] die Gesellschaft verändern; Konformisten können sie nur betreiben.“ Dabei sieht Michael Andrick eine gewisse Paradoxie des Moralischen bzw. der Moralität, denn indem sich moralische Personen von den Verhältnissen und Gegebenheiten abwenden, wenden sie sich selbst zu und gewinnen zugleich Macht über das Gegebene, das Gesetzte, das Normale.

Hier zeigt sich ein sehr interessanter Gedanke, denn durch die Definition des Moralischen als das Neue bzw. Nonkonformistische wird (berufliche) Innovation letztlich nur mittels moralischer Menschen möglich, nicht durch jene, die das System am Laufen halten, sondern durch jene, die sich in Arbeit und Beruf gewissermaßen weigern in vorgefertigten Denk- und Handlungsmustern zu verweilen. Moralisch ist am Ende auch, wer sich nicht (immer) anpasst, so wohl eine der Kernaussagen Andricks.

Nun könnte man davon ausgehen, dass trotz der positiven Konnotation der Figur des Nonkonformisten (oder sollte man gar sagen: des Querdenkers?)  sich auch das neoliberal-narzisstische und unternehmerische Ich, wie wir es etwa seit den 2000er Jahren in Form der Ich-AG repräsentiert sehen, versucht, in Andricks „Philosophie der Arbeitswelt“ einzuschleichen. Dem weiß sich der Autor jedoch entgegenzustellen, indem er nicht etwa das Ich, sondern das Selbst in den Mittelpunkt seiner Überlegungen bringt und somit die Philosophie als Instrument der Selbstermächtigung, nicht als Mittel der technokratisch-solipsistischen Selbstoptimierung deklariert. Andrick sagt: „Erst das von sich selbst erzählende Ich macht das Selbst; mein Selbst ist die Geschichte davon, wer ich bin.“ Somit entwirft der Autor vor dem Hintergrund der Geschichtlichkeit eben genau das Gegenteil einer neoliberalen Selbstoptimierung, ohne dabei in kollektivistische Revolutionsschwelgereien zu verfallen, die das Ich völlig ausradieren wollen. Am Ende geht es eben darum, nicht nur selbst-bewusst und reflektiert zu leben, sondern auch zu arbeiten, wobei man nicht immer anderen gefallen muss, sondern zu sich und seinem Selbst finden zu können und sich im Strom der Angepassten zu behaupten. Etwas, was die vielen konformistischen und fleißigen Funktionäre der Arbeitswelt wohl bereits vergessen haben, weil sie mit derselben „abgeklärten Professionalität“ gleichermaßen Bomben wie auch Brot und Bücher produzieren, wie uns der Klappentext verrät. Bei diesem apparatschikähnlichen Funktionieren, das, um es mit Thomas Bernhard zu sagen, mit einer „grauenvollen Intensität“ geschieht, kann man leicht vergessen, wer wir sind und was wir mit unserer Welt tun. Beziehungsweise wird es gar nicht gewünscht, sich darüber Gedanken zu machen. Den Blick auf das Selbst richtet aber genau die Philosophie.

Andricks Sprache ist bei alledem präzise und schnörkellos, stellenweise ähnelt sie jedoch ein wenig zu sehr einer büroartigen Arbeitswelt, die man sich beim Lesen assoziativ herbeiimaginiert. Vielleicht hätte es da gestalterisch auf verschiedenen Ebenen ein wenig mehr Farbe gebraucht. Auch die grau-spartanische Aufmachung des Buches und der Titel wirken da bisweilen etwas abschreckend, obwohl Michael Andricks Überlegungen tief gehen und geschichtsphilosophisch/ideengeschichtlich (etwa mit Verweis auf Hans Blumenberg) detailliert ausformuliert sind. Diese vielschichtigen und tiefgründigen Überlegungen webt Andrick derart beiläufig in den Text ein, dass es für Menschen mit philosophischer Bildung eigentlich eine Freude ist, zugleich schafft es der Autor aber, eine solche Vorbildung nicht als Voraussetzung zum Verständnis des Buches zu nehmen.

Michael Andrick: Erfolgsleere. Philosophie für die Arbeitswelt. Herder 2022, 208 Seiten.

Bild wikimedia

Jan David Zimmermann ist Schrifsteller, Blogger und Wissenschaftsphilosoph. Zuletzt erschien sein Novelle „Den Schatten im Rücken“ (Sissyphus-Verlag). Journalistische Veröffentlichungen unter anderem in der „Berliner Zeitung“ und im „Cicero“ und auf seinem Blog „Megamaschine – Portal für Wissenschafts- und Ideologiekritik“. Er sorgte im Februar durch einen offenen Brief an die Organisatoren des Bachmann-Preises für Aufsehen.


Bitte unterstütze unsere Arbeit via PayPal oder Überweisung

Folge uns auf Telegram und GETTR


Ulrike Guérots Buch „Wer schweigt, stimmt zu“: Aufruf zu einer neuen radikalen Aufklärung

Sind die Pazifisten schuld?

Categories: Peter F. MayerTags: , Daily Views: 1Total Views: 25
special-olympics-verzichtet-auf-impfzwang-nach-millionen-drohung-durch-floridaSpecial Olympics verzichtet auf Impfzwang nach Millionen-Drohung durch Florida
erstaunlich:-deutsches-aerzteblatt-nimmt-natuerliche-immunitaet-als-ueberlegen-zur-kenntnisErstaunlich: Deutsches Ärzteblatt nimmt natürliche Immunität als überlegen zur Kenntnis