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Deutschland braucht einen Energienotfallplan und zwar jetzt

Published On: 6. Juli 2022 16:39

Robert Habeck inszeniert vermeintliches Kümmern und tabuisiert weiterhin die Kernkraft. Er müsste jetzt einen Energienotfallplan ausarbeiten, mit dem alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, russisches Gas zu ersetzen. Vor allem brauchen wir ein Moratorium des doppelten Ausstiegs und einen Gaspreisdeckel.

IMAGO / Christian Spicker

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, 05.07.2022

Das Bild sprach Bände: Der deutsche Wirtschaftsminister verbeugte sich bei seinem Besuch im März tief vor dem Emir von Katar. Der „Bückling“ vor dem Autokraten wurde ihm in der deutschen Öffentlichkeit größtenteils verziehen. Schließlich, so die Deutung, sorgt der grüne Minister für unsere Energiesicherheit, indem er Erdgas-Lieferungen sichert.

Doch es wird nun ein paar Monate später offenkundig, was man eigentlich schon gleich hätte wissen können: Der angebliche „Gas-Deal“ ist nichts bis wenig wert. Es war, wie so vieles in der bundesdeutschen Politik, vor allem ein Show-Ereignis, das Handeln darstellte, ohne dass wirklich etwas im dargestellten Sinne erreicht würde. Habecks Rettungsaktion für deutsche Erdgasverbraucher war eine Luftnummer, Aktionismus für die Abendnachrichten.

Ein Markt, der nicht mehr funktioniert

Damals glaubte man in Deutschland noch, dass russisches Gas solange geliefert würde, bis man für Ersatz gesorgt habe, in Katar zum Beispiel. Nun erkennt man, dass Putin am längeren Hebel sitzt und selbst schon vorher das Gas abdreht: Durch Nord Stream 1 fließt schon sehr viel weniger und bald wohl gar kein Gas mehr. Die neuste Hiobs-Botschaft aus Moskau: Russland sperrt den Öl-Transit aus Kasachstan in den Westen.

Und wo bleibt Habecks Flüssiggas (LNG), das per Schiff kommen sollte? Die Netzagentur rechnet bislang mit dem Import von 13 Milliarden Kubikmeter Gas in der ersten Hälfte 2023, um russisches Gas teilweise zu ersetzen. Aber selbst wenn Katar und andere Lieferanten liefern wollten, mit welchen Schiffen sollten sie das eigentlich? Martin Kröger vom Reeder-Verband sagte der Bild-Zeitung: „In der deutschen Handelsflotte gibt es keine Gastanker, die LNG über Langstrecken transportieren können. Weltweit stehen insgesamt knapp 500 LNG-Tanker zur Verfügung, allerdings ist die Nachfrage aus anderen Regionen der Welt hoch.“ Diese Tanker sind meist durch langfristige Verträge gebunden. Sie warten nicht auf Habecks Order. Und selbst wenn sie es täten, könnten sie das LNG gar nicht in Deutschland abliefern, denn die entsprechenden Hafen-Terminals gibt es noch gar nicht, erst eines von drei geplanten ist genehmigt. 

Der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei hat recht: „Die LNG-Strategie von Minister Habeck ist gescheitert und wird absehbar nicht die Menge von Gas ersetzen können, die wir im kommenden Winter benötigen. Deshalb müssen wir alles daransetzen, die Gasspeicher zügig aufzufüllen.“

Habecks Ministerium hat vor einigen Tagen die zweite von drei Stufen eines schon seit 2019 in den Schubladen liegenden „Notfallplan Gas“ in Kraft gesetzt. Dieser Plan regelt, falls seine dritte „Notfallstufe“ in Kraft tritt, nur die Verteilung des noch verfügbaren Gases durch die Bundesnetzagentur, die dann den Markt abschafft und als „Bundeslastverteiler“ geschützten Empfängern Kontingente zuteilt. Das ist wohl unumgänglich. Aber dieser Notfallplan sorgt nicht für Ersatz.  

Um dies zu ermöglichen, bräuchte Deutschland einen umfassenden und radikalen „Notfallplan Energie“ – und zwar jetzt sofort. Zu den sofort anzugehenden Notfallmaßnahmen, würden neben der genannten Gaszuteilung, der noch stärker forcierten LNG-Lieferung und Sparmaßnahmen aller Art zumindest diese gehören (die Liste ließe sich erweitern):

  • Sofort alles dafür tun, dass die noch laufenden drei Kernkraftwerke reibungslos weiter in Betrieb bleiben können und möglichst zusätzlich die drei schon am 31. Dezember 2021 abgeschalteten Kernkraftwerke wieder hochgefahren werden können. Die Gegenargumente der wirtschaftlichen Kosten und verfassungsrechtliche und sicherheitstechnische Bedenken erweisen sich angesichts des realen Energienotstands als sekundär. Gesetze kann man erfahrungsgemäß schnell ändern, wenn es pressiert. Die Brennstäbe lassen sich noch ein paar Monate verwenden, neue sollten jetzt mit mindestens demselben Eifer und Eile nachbestellt werden, den man bei Energiewende-Projekten an den Tag legte. Wenn Habeck sich vor einem katarischen Emir verbeugen kann, wird er das auch bei Uran-Lieferanten zustande bringen. Für Uran-Lieferungen braucht man auch keine Schiffe oder Terminals, die es noch nicht gibt.
  • Der Kohleausstieg gehört bis auf weiteres gestoppt und umgekehrt. Die im Oktober beziehungsweise Dezember dieses Jahres zur Stillegung vorgesehenen Kohlekraftwerke müssen unbedingt weiterbetrieben werden. Die „Stilllegungspfade“ für Braunkohle und Steinkohle dürfen vorerst nicht weiter beschritten werden. Die Braunkohleförderung muss vorerst weitergehen. 
  • In beiden Bereichen – Kernkraft und Kohle – muss sofort und mit Nachdruck dafür gesorgt werden, dass die dafür notwendigen Fachleute im Dienst bleiben. Womöglich sollten bereits entlassene oder verrentete Arbeiter und Angestellte wieder reaktiviert werden.
  • So schnell wie möglich sollten endlich die verfügbaren Energieressourcen in Deutschland selbst erschlossen und genutzt werden. Vor allem gilt das für Schiefergas. Das Fracking-Verbot muss fallen. Es ist ineffizient und auch ökologisch unsinnig, Fracking-Gas aus Kanada zu importieren, statt es in Deutschland und anderen Ländern Europas selbst zu gewinnen.
  • Das EU-weite Verbrenner-Aus bis 2035 wird die Gas- und Energiekrise noch weiter befördern. Die Förderung des Ausbaus der Elektromobilität muss ausgesetzt werden, um nicht kurzfristig noch weitere Stromnachfrage zu generieren. Es kann wohl kaum sinnvoll sein, wenn der Staat einerseits Industrieunternehmen zu Notstromaggregaten (bekanntlich mit Benzin oder Diesel betrieben) rät und zugleich Verbrauchern den Umstieg von Verbrennerautos zu Stromern schmackhaft macht.
  • Generell muss die Sicherung der Energieversorgung zumindest kurzfristig politische Priorität vor dem Klimaschutz erhalten.
  • Wenn Gas ohnehin durch Habecks Notfallplan den Marktkräften entzogen und seine Verteilung zu einer staatlichen Hoheitsaufgabe wird (was unter obwaltenden Umständen unvermeidbar und richtig ist), dann ist auch ein staatlich bestimmter Preisdeckel zu rechtfertigen, um die Belastung energieintensiver Industrien zu mindern.
  • Die für diese Notfallmaßnahmen erforderlichen zusätzlichen finanziellen Staatsausgaben könnten aus dem sogenannten Sondervermögen des „Energie- und Klimafonds“ (EKFG) bestritten werden.

Die eigentlich entscheidende Notmaßnahme wäre aber, die Verschrottung von bisherigen Energiewende-Politiker-Tabus. Alle, wirklich alle Möglichkeiten müssten jetzt genutzt werden, um Energieressourcen jenseits des Gases (wieder) anzuzapfen und dadurch so weit wie irgendmöglich das vorhandene Gas nur noch dort nutzen zu müssen, wo es absolut keine Alternativen dazu gibt: in Heizungen und bei bestimmten industriellen Nutzungen. Das ist nur ohne die grün-ideologischen Tabus möglich, die noch immer Priorität in den politisch entscheidenden Köpfen Berlins haben. Diese reden uns immer noch ein, es käme nun eben nur darauf an, die letzten Beschränkungen für den Windkraftausbau zu beseitigen. Die entscheidende Frage der Grundlastfähigkeit von Windrädern bei Windstille wird tabuisiert. 

Das ist zwar das vorherrschende Narrativ, aber es ist auch völlig absurd: Das Erdgas, das jetzt fehlt, hatte in den Energiewende-Plänen schließlich gerade die Funktion, die fehlende Grundlastfähigkeit von Wind- und Solarenergie auszugleichen. Wind- und Solarenergie waren eben nur solange ein zumindest scheinbar praktikabler Energielieferant für ein Industrieland, wie Erdgas als Grundlast-Garant bei Dunkelheit und Flaute ausreichend zur Verfügung stand. Das fehlende Gas ist eben nicht durch Windräder und Solarpanels zu ersetzen, sondern nur durch andere grundlastfähige Energielieferanten – wie Öl, Kohle oder Kernkraft. 

Immer noch scheinen die Energiewendepolitiker und vor allem ihre medialen Hilfstruppen das existentielle Ausmaß der Energiekrise nicht begreifen zu wollen. Sie  betrachten Putins Krieg als Argument, um ihre Energiewende-Pläne nun erst recht umzusetzen, wenn etwa die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Die aktuelle Energiekrise führt deutlich vor, dass auf die bewährten Energiestoffe und -lieferanten kein Verlass mehr ist. Die Erkenntnis wirkt wie ein Turbo für den Wandel, der zum Eindämmen des Klimawandels ohnehin angestrebt war: den Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Dem Autor ist ganz offensichtlich nicht bewusst, dass der Wind, der die 400 neuen Windräder antreibt, mit denen sich seiner Ansicht nach die Münchner „anfreunden“ sollen, selbst wohl der denkbar unzuverlässigste Energielieferant ist.  

Was kostet der Gas-Boykott?

Die Energiekrise, die bereits vor dem Krieg begann, durch ihn dramatisiert wurde und ihren Höhepunkt wohl längst noch nicht erreicht hat, stellt die grün dominierte Ampelkoalition vor die Wahl: Entweder sie erkennt das Ausmaß der Krise und setzt mit den oben genannten, naheliegenden Notfallmaßnahmen (und möglichen weiteren) alles in Gang, um die deutsche Wirtschaft und die Bürger vor einem absehbar drohenden ökonomischen und sozialen Desaster zu schützen. Oder sie bleibt bei ihrer von ideologischen Scheuklappen und dem Wunsch nach Show-Effekten bestimmten Linie. Damit würde sie es darauf anlegen, dass im kommenden Winter zahlreiche Industriebetriebe die Produktion einstellen, dadurch die Inflation noch weiter angetrieben wird, und in Privathaushalten die Bürger frieren müssen, während Deutschlands politisch-mediale Klasse keine Zugeständnisse bei ihrem doppelten Kernenergie- und Kohleausstieg machen will. 

Wahrscheinlicher ist trotz der absehbaren Folgen wohl letzteres. Die politische Klasse der Gegenwart hat ihren Unwillen oder ihre Unfähigkeit zu selbstkorrigierenden Maßnahmen nachhaltig bewiesen. Auch die pseudopatriotischen Durchhalteappelle des Kanzlers – „unterhaken“ – legen nahe, dass man die Krise einfach durchlaufen lassen will.

Solchen Unwillen legen auch Habecks Äußerungen auf der Münchner Handwerksmesse am Mittwoch nahe, die sein Unverständnis über die Bedeutung der Energiepreise für die deutsche Volkswirtschaft und auch über den Zweck seines eigenen Notfallplan Gas belegen. Er erteilte der staatlichen Deckelung der Gaspreise eine Absage und verfügte in Gutsherrenart: „Das wird das Land in der einen oder anderen Form tragen müssen.“ Entlarvend seine Begründung: „Eine Deckelung der Preise wäre bei einem knappen Gut ein Signal: Energie ist nicht wertvoll, haut raus, was ihr wollt.“ Aber wenn Gas absehbar ohnehin durch die Bundesnetzagentur zugeteilt wird, die Marktmechanismen also ausgeschaltet sind, entfällt die Signalfunktion des Preises ohnehin. Ein Industriebetrieb, der nur eine feste Menge Gas erhält, wird auch bei gedeckeltem Preis nicht auf die Idee kommen, Energie „rauszuhauen“.

Lasst Kohle- und Kernkraftwerke am Netz

Offenbar ist Habeck nicht bewusst, welche Bedeutung Energiekosten für viele in Deutschland produzierenden Betriebe haben. „Es kommen noch enorme Preiserhöhungen auf uns zu“, sagt Habeck. Aber für viele deutsche Unternehmen bedeutet das nicht, dass man eben einen Pullover anzieht und sich „unterhakt“, sondern dass man nicht mehr kostendeckend produzieren kann und dichtmachen muss. Nachrichten wie die aus Mettlach, wo das Traditionsunternehmen Villeroy & Boch jetzt seine Produktion (seit 1809!) einstellt, werden sich dann schnell häufen. Es ist eigentlich die Aufgabe eines Wirtschaftsministers, das zu verhindern.

Nach einem durchfrorenen, von Versorgungsengpässen, exorbitanten Preissteigerungen und Betriebsstilllegungen geprägten Winter dürfte die gesellschaftliche Stimmungslage in einigen Monaten jedenfalls eine ganz andere sein, als sie es noch im sonnig-warmen Juli ist. Spätestens wenn sich viele Deutsche im nächsten Sommer dann keine Urlaubsreisen mehr leisten können, weil das Geld für Strom, Gas und Nahrungsmittel draufging, wird sich die Stimmung deutlich verfinstert haben. Womöglich wird nach solch einem Winter auch die wohlstandsgewohnte Anhängerschaft von Fridays for Future und anderen grünen-nahen NGOs etwas weniger Enthusiasmus für den Kohleausstieg zeigen. Soviel Fantasie, sich das vorzustellen, sollte eigentlich auch im Bundeskabinett und in den Führungsstäben von Ministerien vorhanden sein.

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