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Kultur-Kompass: „Wahnsinn der Massen“

Published On: 17. Juli 2022 14:00

Wie sagte Molière zutreffend: „Der Mensch ist ein vernünft‘ges Wesen. Wer das behauptet, ist nie Mensch gewesen.“ Doch das Maß an Irrationalität, das Douglas Murray spritzig-sachlich in seinem „Wahnsinn der Masse“ offen legt, sprengt diesen Molièr‘schen Rahmen. Nicht nur der Rationalität. Auch des wohlwollenden Verstehens. Es ist eine schiere Psychopathologie, die der Bestsellerautor diagnostiziert. Sein Patient? Die westlichen Gesellschaften. Sein Diagnoseinstrument: Die reine Vernunft. Seine Diagnose? Der schiere Wahnsinn.

Trotz dieser recht simplen These lohnt es sich die dritte, um ein Nachwort erweiterte Ausgabe von „Wahnsinn der Massen“, noch einmal in die Hand zu nehmen. Nicht nur aufgrund der abwechslungsreichen Darstellung, mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, Erlebnisberichten und eigenen Erfahrungen gespickt. Zuvörderst: Einiges hat sich seit dem Erscheinen der ersten Auflage, im Jahr 2019, geändert. Die Coronakrise und der Krieg in der Ukraine sind die prominentesten Ereignisse. Insbesondere sie beschleunigten gesellschaftliche Prozesse, die sich schon seit Jahren ankündigten:

Das Aufkommen einer neuen gesellschaftlichen Moral, wie sie Murray schon 2019 konstatierte. „Die Freunde der sozialen Gerechtigkeit, Identitätspolitik und Intersektionalität sind überzeugt, wir lebten in einer rassistischen, sexistischen, homophoben und transphoben Gesellschaft.“ Gleichzeitig bemerkt Murray: „Nirgends auf der Welt sind die Rechte von Transmenschen, die ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen gestalten wollen, so geschützt wie in den westlichen Industrieländern.“ Gleiches gelte auch für andere Minderheiten.

Homosexuellen-, Frauen-, Nicht-Weiße- und Transsexuellen-Bonus

Dieser Paradoxie, die er als „Wahnsinn der Massen“ diagnostiziert, widmet sich der britische Autor auf etwa 360 Seiten. Konkret geht er hierbei, leicht verständlich und nüchtern, auf vier Personengruppen ein: Homosexuelle, Frauen, Nicht-Weiße und Transsexuelle. Diese vier Gruppen stellen auch seine vier Kapitel des Buches dar, die er durch „Zwischenspiele“ vertieft und ergänzt: gesamtgesellschaftliche Phänomene, wie etwa das Verschwinden der Privatheit. Allen Gruppen diagnostiziert er nicht nur einen Kampf um Gleichstellung.

Nein, vielmehr sieht er bei ihnen den ideologischen Anspruch, besser als alle anderen behandelt zu werden. Sozusagen ein Homosexuellen-, Frauen-, Nicht-Weiße- und Transsexuellen-Bonus, der es ihnen erlaubt, mit dem Expressticket der positiven Diskriminierung an der Warteschlange der Heterosexuellen, Männer, Weißen und Cis-Gender vorbeizuziehen. Und die gesellschaftliche Elite spiele mit. So erhielte ein Homosexueller, der sich outete, Anerkennung seitens der Gesellschaft. Einem Heterosexuellen hingegen, der sich als Hetero oute, wehte Misstrauen entgegen. Ist das nicht absurd?

Zudem fände eine gesamt-gesellschaftlich, positiv-verzerrte Wahrnehmung dieser Personengruppen statt. Man könnte von einer misslungenen Idealisierung oder Idolisierung sprechen. So fokussiere man sich fast obsessiv auf die sexuelle Belästigung von Frauen. Jedoch missachte man einerseits, dass Männer auch Opfer sexueller Belästigung werden – und das nicht selten. Andererseits setzten viele Frauen ihr erotisches Kapital bewusst ein, um berufliche und private Vorteile zu erhaschen. Weswegen sonst boomten sogenannten „Fake Nipples“, falsche Brustwarzen, in den USA?

Geht es bitte noch ein Stücken abstruser?

Die Medaille hat eben immer zwei Seiten. So müsse man auch darauf hinweisen, dass nicht alle Benachteiligten von dieser positiven Diskriminierung gleich profitierten. Gerade die besser Situierten aus der Gruppe der Homosexuellen, der Frauen, der Nicht-Weißen und der Transsexuellen steigerten ihren, sowieso schon hohen sozialen Status, noch mehr – auf Kosten der wirklich Benachteiligten, die nichts von diesem Kuchen erhielten.

Eben dieses Schlüpfen in die Opferrolle der Bessersituierten werde durch einen blanken Hass ergänzt. Zum einen. So ertönten aus einigen feministischen Kreisen Schlachtrufe, wie „männliche Privilegien“, „toxische Männlichkeit“, oder gar, „Tötet alle Männer!“. Zum anderen unterfütterten Institutionen dieses Opfernarrativ, indem sie sich ungerechtfertigterweise und unsinnigerweise selbst als Täter kasteiten. Im Jahr 2018, zum Beispiel, entschuldigte sich formell die Zeitschrift „National Geographic“. Für rassistische Artikel. Etwa aus dem Jahr 1916, in dem es um Aborigines in Australien ging. Geht es bitte noch ein Stückchen abstruser?

Ja, wie Schottland in seinem Umgang um sexuelle Erziehung zeigt. „Die schottische Regierung rät Schulen die Eltern nicht zu informieren, wenn das Kind äußert, sein Geschlecht ändern zu wollen.“ Zudem sollen die Schulen den Eltern verschweigen, wenn das Kind wünscht, während einer Klassenfahrt im Schlafraum des anderen Geschlechts zu nächtigen. Wozu braucht es da noch Eltern als Erziehungsberechtigte?

Zwar widmet sich Murray nicht dieser Frage, jedoch wird bei der Lektüre seines „Wahnsinn der Massen“ ersichtlich: Vorne und hinten hapert es an logischer Konsistenz in den genannten ideologischen Bewegungen. Ein Widerspruch nach dem anderen zerfrisst sie – abgesehen vom oftmals fehlenden Bezug zur Realität. Daher lässt sich Murray zu der Schlussfolgerung hinreißen: Das Ziel der Aktivisten sei die Spaltung der Gesellschaft. Doch auch hier stellt sich die Frage: Wozu das Ganze?

Wie dem auch sei. Mit der wiederholten Lektüre von „Wahnsinn der Massen“ kann der geneigte Leser nichts falsch machen. Murrays Themen sind aktueller, seine Gedanken wahrheitsgemäßer denn je. Weil er sich im Nachwort auf gegenwärtige Ereignisse bezieht und auch das Kapitel zu Transsexuellen erweitert hat, erfährt man, hier und dort, etwas Neues. An seiner grundlegenden Diagnose ändert das aber nichts: Unsere Gesellschaft befinde sich im Wahn. Die Frage wäre nun: Wann hört dieser Wahnsinn endlich auf?

„Wahnsinn der Massen. Wie Meinungsmache und Hysterie unsere Gesellschaft vergiften“ von Douglas Murray, 2022, München: Finanzbuchverlag. Hier bestellbar.

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