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Mohammed Ali Slim: „Mein Eid auf die Verfassung hat kein Verfallsdatum“

Published On: 12. August 2022 11:03

Mohammed Ali Slim, ehemaliger Bundeswehrsoldat und gläubiger Moslem, musste um sein Leben fürchten und fliehen, weil er eine Mohammed-Karikatur zeigte. Heute kämpft er gegen Antisemitismus im Islam. TE-Autor Julian Marius Plutz sprach mit ihm.

Der ehemalige Bundeswehrsoldat und gläubiger Moslem Mohammed Ali Slim musste um sein Leben fürchten und fliehen, weil er eine Mohammed-Karikatur gezeigt hat. Von einem Tag auf den anderen war er obdachlos, seine Familie und viele andere wollten ihn töten. Heute kämpft er gegen Antisemitismus im Islam, wie jüngst beim Fall des Juso-Vorsitzenden Mohamed Baaqoul.

Julian Marius Plutz: Mohammed, du bist bekannt geworden, als du dich als gläubiger Moslem mit einer Karikatur ablichten ließest, die den Propheten Mohammed zeigt. Warum hast du das gemacht?

Mohamed Ali Slim: Als Samuel Paty, der französische Lehrer, geköpft wurde, weil er die Karikaturen zeigte, verfolgte ich die Debatte. Oft hieß es, der Täter sei doch gar kein Moslem gewesen. Doch! Er war Moslem und stellte die Religion über die Gesetze, obwohl er in Europa lebt. In meiner Familie, aber auch im Bekanntenkreis erlebte ich von Muslimen immer wieder ähnliche Aussagen. Man müsse die Schweigeminute für den Lehrer brechen, weil er den Propheten beleidigt hat. Und ich dachte mir: Nein, sicher nicht. Der Lehrer hat nichts anderes gemacht, als die Karikaturen seinen Schülern zu erklären. Er stand für die Meinungsfreiheit. Ich bin dann in eine Moschee in Bundeswehruniform, ließ mich fotografieren, schrieb einen längeren Text dazu und veröffentlichte dies auf Facebook.

Was stand in dem Text?

Dass ich mich im Namen des Islams entschuldige und mich von dieser Tat distanziere. Resultat war, dass ich richtig angefeindet wurde. Auf einmal kannte mich jeder in der Moscheegemeinde und darüber hinaus.

Und dann hast du die Karikatur veröffentlicht.

„Weltweit wollten mich Islamisten töten“

Genau. Ich fand im Internet eine Zeichnung, die ich recht zeitgemäß fand. Der Prophet wird hier oberkörperfrei und mit Lederschuhen gezeigt, in seiner Hand schwenkt er die Regenbogenfahne und über der Karikatur ist „Das Coming out des Propheten“ zu lesen.

Was wolltest du damit erreichen?

Ich wollte, dass die Leute verstehen, dass nicht alle Moslems so sind. „Seht mich an, ich heiße Mohammed Ali, ich bin gläubig und ein gläubiger Moslem postet diese Karikatur.“ Ich gab dem Beitrag noch eine Überschrift: „Mein Islam hat keine Angst vor Karikaturen, vor Satire und auch nicht vor Kritik.“ Wenn ein Moslem in Deutschland leben will, dann hat er die Spannung zwischen Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit auszuhalten. Wenn Moslems schreiend und weinend, teils aggressiv auf eine Karikatur reagieren, dann sind das für mich potenzielle Terroristen. Sie stellen religiöse Befindlichkeiten über weltliche Gesetze.

Und dann wurdest du bekannter.

Genau. Mein Profil und mein Name wurden immer weiter verbreitet. Nutzer mit hoher Reichweite teilten das, auch über die Landesgrenzen hinaus. Zum Beispiel Türkei, aber auch Algerien und Marokko. Dann kamen die Morddrohungen, man versuchte herauszufinden, wo ich wohne, um mich ausfindig zu machen und zu töten, sogar aus meiner Gemeinde. Eine Freundin gab sich als Islamistin aus und fragte im Internet Leute aus meiner Gemeinde, ob sie meine Adresse haben kann, weil ihre Cousins mich töten wollen. Und sie bekam die Adresse. Dann ging ich zum Staatsschutz.

„Sie lauerten mir überall auf!“

Wurde dir da geholfen?

Die Beamten verwiesen mich auf eine Online-Wache. Sie erkannten das Problem zunächst gar nicht. Später kamen dann Kriminalbeamte, die immerhin die Screenshots der Mordaufrufe aufnahmen. Dennoch: Es ging nicht um Internetmobbing, sondern um Leute, die mir den Kopf abschlagen wollen! Sehr lange hörte ich von der Polizei gar nichts. Erst als ich das erste Mal körperlich angegriffen wurde.

Wann war das?

Etwa zwei Wochen nach der Veröffentlichung. Ich war auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Plötzlich lauerte mir genau die Person auf, die mir Morddrohungen per Sprachnachricht schickte. Ich floh und rief die Polizei. Der Kriminaldauerdienst kam, die Person floh nach Straßburg. Bis auf eine Gefährderansprache geschah gar nichts.

Wenn du sagst „das erste Mal“, dann impliziert das mehrere Taten.

Genau. Ob in den Raucherecken in der Berufsschule, vor der Schule oder in den Pausen. Überall lauerten sie mir auf.

Wie reagierte die Schule?

„Plötzlich standen vier meiner Onkel in der Wohnung“

Ich habe sowohl mit meinem Klassenlehrer als auch mit dem Schullleiter gesprochen. Sie wollten jedoch davon nichts wissen. Sie gaben mir das Gefühl, dass ich das Problem sei. Dabei war ich ein unauffälliger Schüler mit guten Noten. Mein Vergehen: Ich habe die Karikatur veröffentlicht. Kurz darauf wurden mein Name und Profil bei einer großen Islamistenseite auf Facebook veröffentlicht. Als dann in den Kommentarspalten jemand „Möchte jemand seinen Aufenthalt wissen?“ schrieb, sicherte ich den Kommentar und kontaktierte den Staatsschutz. Denn die Person, die das veröffentlichte, stammt aus meiner Gemeinde, einer DITIB-Moschee.

Und dann standest du unter Polizeischutz?

Leider nein. Einzige Reaktion der Polizei war, dass ab und zu eine Streife an meiner Schule vorbeifuhr. Als ich die Kriminalpolizei nach Personenschutz fragte, meinte der Kommissar, dass ihnen hierzu die personellen Mittel fehlen. Sie würden erst eingreifen, wenn mir etwas aktiv passiert.

Unglaublich.

Fremde Menschen aus sozialen Medien haben mir mehr geholfen als der deutsche Staat. Ein Unternehmer zum Beispiel, der Bekleidung für Polizisten herstellt, schickte mir eine schusssichere Weste im Wert von mehreren tausend Euro.

Ab wann war der Punkt, an dem du fliehen musstest?

Eines Morgens wachte ich auf und bemerkte, dass vier meiner Onkel bei uns zu Hause sind, die uns sonst nie besuchten. Zu dem Zeitpunkt wohnte ich bei meiner Mutter. Ich zog die schusssichere Weste an und verließ mein Zimmer, um aus der Wohnung zu fliehen. Doch meine Onkel hinderten mich daran, einer nahm mich in den Schwitzkasten. Ich hatte Todesangst und schrie so laut um Hilfe, wie ich konnte. Sie schleppten mich in das Wohnzimmer, in dem ein Messer lag. Drei Minuten später kam zum Glück die Polizei. Ich signalisierte den Streifenpolizisten, dass sie mich zur Wache mitnehmen sollten, was sie auch taten. Ich hatte einen Rucksack dabei, was mein einziges Gepäck war.

„Früher hasste ich die Juden – heute haben sie mir das Leben gerettet“

Welche Leute haben dir geholfen?

Alle möglichen, aber vor allem viele Juden. Gemeinden aus Frankfurt, Freiburg und Fulda luden mich ein – ich konnte teilweise in den Synagogen übernachten. Ich durfte an Chanukka teilnehmen. Viele in der jüdischen Community kannten mich und meine Geschichte. Ich bin ihnen so dankbar. Juden, vor denen ich immer gewarnt wurde, haben mein Leben gerettet.

Wurdest du zum Juden-Hass erzogen?

Definitiv. Ich wurde so indoktriniert, dass, wenn ich einen Juden treffen würde, ich ihn definitiv verprügelt hätte. Ich war ein Mitläufer, machte das, was andere Moslems in meiner Schule taten: Antisemitische Parolen rufen und die Juden verfluchen. Bereits mit neun Jahren nahm ich an Anti-Israel-Demonstrationen teil, die unter anderem mein Vater organisierte. Obwohl er nichts mit Palästinensern zu tun hatte, war er der Sprecher bei einer Großdemonstration in Offenburg.

Wann hat sich die Einstellung bei dir geändert?

Irgendwann, vielleicht in der 8. oder 9. Klasse fragte ich mich: Was möchte ich aus meinem Leben machen? Dann kam ich zum Entschluss, dass ich etwas mit Menschen machen will und auch dem Staat dienen möchte. Deshalb bin ich zur Bundeswehr.

„Leute wie der Juso-Vorsitzende Mohamed Baaqoul sind potenzielle Gefährder“

Ist es auch ein Grund, warum du dich gegen Judenhass in der islamischen Community einsetzt, weil dir Juden bei deiner Flucht so geholfen haben?

Sicher spielt das eine Rolle. Aber es geht auch um mein Verständnis von Demokratie. Nehmen wir das Beispiel der drei Muslime, die am Flughafen in Düsseldorf gearbeitet haben und sich mit dem IS-Gruß fotografiert haben lassen. Ich sah dies auf der Social Media Plattform TikTok und meldete das dem Staatsschutz. Ich habe einen Eid geleistet und der hat kein Verfallsdatum.

Wie gestaltete sich das beim Skandal mit dem Juso-Vorsitzenden von Rüsselsheim Mohamed Baaqoul?

Mir ist er schon vor einiger Zeit auf Twitter aufgefallen. Also habe ich ihn angeschrieben und das Ergebnis ist bekannt: Für ihn ist Israel ein Apartheidsstaat und die Zionisten „tragen“ Israel, sie sind „Verbrecher“. Ich finde es unglaublich, dass dieser Mann noch im Amt ist. Für mich sind solche Leute potenzielle Gefährder für Deutschland!

Vielen Dank für das Gespräch!

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