Das andere «Wort zum Sonntag» oder: Einer macht’s meistens vor

Das andere «Wort zum Sonntag» oder: Einer macht’s meistens vor

Veröffentlicht am 28. August 2022 von LM.

«Ich möchte wirklich, dass Sie diese Besorgnis auch teilen», ermutigte die BILD-Moderaterin in der Diskussionsrunde den Bauernvertreter. Offenbar wusste sie aus Vorgesprächen, was er an Kenntnissen und Lasten mitbringt, und sie ahnte darum, das man vor laufender Kamera seine Hemmungen haben kann. Aber was der Mann zu sagen hatte, waren ja keine nur persönlichen Leiden. Der Landwirt Anthony-Robert Lee trat vielmehr als Sprecher von «Landwirtschaft verbindet Deutschland» auf.

Ebenfalls an die Öffentlichkeit gegangen ist die Krankenschwester Laura. «Im Interview mit Focus online spricht sie anonym über ihren Arbeitsalltag, den sie einfach nicht länger so hinnehmen kann.» Oft sei sie für über 20 Patienten gleichzeitig zuständig; die Angst vor medizinischen Notfällen begleite sie jeden Tag.

Vorbildlich: beide Berufsleute, beide Redaktoren. Sie helfen, eine Last nach oben zu bringen, ans Licht einer gemeinsamen Öffentlichkeit. Die Berufsleute helfen ihresgleichen, die Redaktoren wiederum diesen beiden Stellvertretern. – «Alles, was der einsame Mensch weiss, muss er einmal offen um des Heils willen in der Gemeinschaft mit anderen bekennen können», schrieb Eugen Rosenstock-Huessy 1956 in: Des Christen Zukunft oder Wir überholen die Moderne (Seite 42).

In normalen Zeiten leistet das auch ein guter Stammtisch; in angeschrägten mag es eine vertrauliche Chatgruppe sein, in zutiefst bedrängenden ist es auch die Öffentlichkeit verantwortungsvoller Medien. «Die Tage der sich selbst genügenden autonomen Persönlichkeit sind vorüber, da ihre wirtschaftlichen Grundlagen im Haushalt zerbröckelt sind. (…) Der neue Einzelne ist viel zu schwach, um allein zu stehen» (Rosenstock, Seite 59f).

Der Schritt nach aussen mit dem, was einen bedrängt – das braucht Mut. Der entzündet sich kaum je an Appellen wie «Das tät dir jetzt gut» oder «Mach das einfach ’mal». Es braucht meistens Zwischenstufen wie die eben beschriebenen Veröffentlichungen und ihre Vorreiter. Warum melden sich denn derzeit in den grossen deutschen Steuer-Medien immer mehr Journalisten zu Wort und weisen ihrerseits auf Missstände hin? Weil in Berlin bereits eine Schneise geschlagen wurde, eine Mauer des Schweigens eingestürzt ist.

Die Wohltat echten Klagens darf man sich auch selber gönnen. Kein blosses Bedauern der Umstände oder seiner selbst und auch keine ohnmächtige Wut, sondern ein Klagen mit und vor einem Gott, den man erst mal nur ahnt. Es stimmt, die Psalmen bieten dafür vielfältige Beispiele. Und doch braucht es auch hier oft Zwischenstufen; Menschen unserer Zeit, die so ein Klagen vormachen und ihm eine erste Stimme geben. Wie die schwedische Sängerin Helen Sjøholm in ihrem Lied: «Du Måste Finnas / Es muss dich geben». Hören Sie es sich an.

«Du hast mich vertrieben, Gott

Aus meinem Heimatland wurde ich weggerissen

Hier bin ich ein Flüchtling und ein Fremder

Und dieses Schicksal ereilt mich

(…)

Es muss dich geben

Es muss

Wie kannst du mich im Stich lassen?

Ich würde nirgendwo sein

Ich wäre ein Nichts, wenn es dich nicht gäbe»

So kann sich aufrichtiges Klagen und Suchen anhören. Und es kann münden in das Bekenntnis:

«Ich rufe zu Gott, dem Allerhöchsten, zu Gott, der meine Sache zum guten Ende führt.» Psalm 57,3

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Wort zum Sonntag vom 21. August: Zeichen für ein Übermorgen

Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft auch an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.

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