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Deutschland und Gorbatschow: Undankbarkeit statt Arbeitsbegräbnis

Published On: 7. September 2022 9:24

In den 1980ern begegneten sich bei „working funerals“, den Begräbnissen osteuropäischer Machthaber, die Mächtigen. Ausgerechnet Deutschland, das Michail Gorbatschow so viel zu verdanken hat, lässt sich durch einen Geschäftsträger in Moskau vertreten und macht stattdessen am Mittwoch eine eigene Erinnerungsfeier.

IMAGO / Russian Look

Grab von Michail Gorbatschow in Moskau, 03.09.2022

Am 30. August verstarb Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Die Beisetzung auf dem Neujungfrauenfriedhof in Moskau fand am 3. September statt. Wladimir Putin und Olaf Scholz teilen zumindest, dass sie dem Friedensnobelpreisträger – der den Preis im Gegensatz zu Obama wirklich verdient hat, der Frieden, Verständigung und Reformen in die geteilte Welt brachte, den Eisernen Vorhang öffnete, den kalten Krieg beendete und als Vision vom gemeinsamen Haus Europa sprach – nicht die letzte Ehre erwiesen haben. Sie haben gemeinsam, dass sie beide der Beerdigung fern blieben. Aus Putins Sicht, der den Zerfall der Sowjetunion für die größte geostrategische Katastrophe hält und vermutlich Gorbatschow dafür verantwortlich macht, kann man es sogar verstehen, wenn man auch für diese kleinliche Rachsucht keinerlei Verständnis aufzubringen vermag. 

Nun sind Beerdigungen von Staatsmännern keine Privatveranstaltung. In den 80ern ereilte der Tod die Kriegs- und Nachkriegshelden des Ostblocks – Jugoslawiens Chef Josip Broz Tito wird im Mai 1980 beerdigt, der Staats- und Parteichef der UdSSR Leonid Breschnew im November 1982, sein Nachfolger Juri Andropow im Februar 1984. Es waren Mega-Events mit der politischen Prominenz des Westens an den Gräbern des Ostens. Damals wurde in westlichen Staatskanzleien der Begriff „working funeral“ geprägt – „Arbeitsbegräbnis“. Denn so wirklich trauern die Großen der Welt nicht um ihre Machtkonkurrenten. Aber man kam sich näher. Die Arbeitsbegräbnisse wurden Element der Entspannungspolitik.

Erinnern wir uns: Damals war die Welt atomar hochgerüstet, standen sich auf deutschem Boden rund 1,2 Millionen amerikanischer und russischer Soldaten gegenüber, mit Panzern, Raketen. Und das heutige Spaßbad Tropical Islands in der früheren Cargolifterhalle im Landkreis Dahme-Spreewald steht auf einem früheren Militärflughafen, von dem aus die stets startbereiten MIGs der Nationalen Volksarmee der DDR nach Alarm in drei Minuten West-Berlin hätten angreifen könnte. Man muss sich diese Aggression und Konfrontation vor Auge führen, wovon natürlich die Baerbocks dieses Landes keine Ahnung mehr haben, um die Leistung der Entspannungspolitik wirklich würdigen zu können – und den Beitrag Gorbatschows. Man war sich nicht Freund – aber kam sich näher, und das scheinbar Unpolitische wurde Politik. 

Doch ausgerechnet Deutschland, das der Geschichte und Michail Gorbatschow so viel zu verdanken hat, lässt sich durch einen Geschäftsträger der Botschaft in Moskau vertreten. Nur der vielgescholtene Ministerpräsident Ungarns, Viktor Orbán, ließ es sich nicht nehmen, den Mann, dem die Ungarn, mehr aber noch die Deutschen zu Dank verpflichtet sind, persönlich zu verabschieden, ihm die letzte Ehre zu erweisen.

Orbán weiß, was er Gorbatschow schuldig ist, Scholz und Steinmeier wissen es nicht oder wollen es nicht mehr wissen. War der Akt der Menschlichkeit politisch nicht opportun? Oder wurde Steinmeier und Scholz die Einreise wie anderen Politikern verweigert? Die Mopo schreibt peinlich gendernd, dass „viele ranghohe EU-Politiker:innen wie auch US-Präsident Joe Biden von russischer Seite mit Einreiseverboten belegt worden“ seien. Steinmeier und Scholz erwähnt die Mopo allerdings nicht. Hätten die beiden Politiker gewollt und wären sie durch die russischen Behörden daran gehindert worden, hätten sie es doch öffentlich machen können. 

Wer sich spinnefeind ist, braucht solche Ansätze. Olaf Scholz hat die Gelegenheit verstreichen lassen; ebenso Emmanuel Macron und Joe Biden. Nein, es wäre nicht zum Friedensschluss am offenen Grab gekommen. Aber es wäre ein erster Schritt gewesen. Und ein Ausdruck der Dankbarkeit einem Mann gegenüber, der im Westen als Held gilt und in Putins neo-sowjetischer Welt als Verräter.

Die Breshnew-Doktrin, nach der die Länder des Ostblocks nur über eine begrenzte Souveränität verfügten und letztlich abhängig waren von den Entscheidungen Moskaus, die Breshnew als Reaktion auf den Prager Frühling am 12. Oktober 1968 verkündet hatte, hatte Michail Gorbatschow im März 1985 für beendet erklärt. Im Dezember 1988 kündigte Gorbatschow zum Entsetzen der Gerontokraten des Ostblocks, die sehr wohl wussten, dass ihre Macht primär auf der Präsenz sowjetischer Panzer beruhte, an, dass die sowjetischen Truppen im Ostblock verringert werden, denn zum einen seien „Gewalt und Androhung von Gewalt keine Instrumente der Außenpolitik mehr“ und zum anderen sei „die Freiheit der Wahl … ein allgemeines Prinzip, für das es keine Ausnahme geben darf“, wie Gorbatschow in seiner Rede am 7. Dezember 1988 vor der Generalversammlung der Uno erklärte.

Zum Tod Michail Gorbatschows

Der sowjetische Staats- und Parteichef setzte durch, dass sich im Abschlusskommuniqué des Politisch-Beratenden Ausschusses der Warschauer Vertragsstaaten in Bukarest vom 7. Juli 1989 die klare Position fand, nach der „jedes Volk selbst das Schicksal seines Landes bestimmt und das Recht hat, selbst das gesellschaftspolitische und ökonomische System, die staatliche Ordnung, die es für sich als geeignet betrachtet, zu wählen. Für die Gestaltung der Gesellschaft gibt es nicht nur einen Standard.“ Und weiter: „Kein Land darf den Verlauf der Ereignisse innerhalb eines anderen Landes diktieren, keiner darf sich die Rolle eines Richters oder Schiedsrichters anmaßen.“ Im September und Oktober 1989 machte das Wort in Ostdeutschland die Runde, dass diesmal die sowjetischen Panzer in den Kasernen verbleiben und nicht eingreifen würden. Man darf nicht vergessen, dass in Ostdeutschland das Trauma des 17. Juni 1953 tief saß. 

Gegen die milde formuliert Reserve, man könnte auch sagen: gegen den Widerstand Mitterands und Thatchers, konnte die deutsche Einheit vor allem mit der Hilfe Gorbatschows durchgesetzt werden. Sicher, auch die Amerikaner unterstützten gegen die Franzosen und Briten den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands in Demokratie und Freiheit, doch ohne Gorbatschows verlässliche und konstruktive Unterstützung wäre Helmut Kohls Politik kein Erfolg beschieden gewesen. In mehrfacher Hinsicht – zum einen, dass die Friedliche Revolution nicht in einem Blutbad endete und die Panzer tatsächlich ihre Kaserne nicht verließen, wohl zum großen Entsetzen des kleinen KGB-Agenten in Dresden namens Waldimir Putin, und zum anderen in der auch sehr menschlichen Partnerschaft mit Helmut Kohl auf dem Weg zur Wiedervereinigung – hat Deutschland Michail Gorbatschow sehr viel zu verdanken. 

Und Deutschland? Schickt den Geschäftsträger der deutschen Botschaft zur Beisetzung des großen Mannes. Einen Geschäftsträger. Schändlicher geht es kaum! Wo ist denn Herr Steinmeier, der Putin und Medwedjew nicht nahe genug sein konnte? Er fehlt auf der Beerdigung wie Putin übrigens. Wo ist Herr Scholz? Durften sie nicht oder wollten sie nicht? Dass als Präsident des Bundesrates Bodo Ramelow kein Interesse verspürt, Deutschland am Grab des großen Mannes zu vertreten, ist verständlich als Politiker einer Partei, die sich die Linke nennt, doch rechtlich die SED ist. Weshalb sollten Honeckers Erben auch Gorbatschow die letzte Ehre erweisen? 

Und die Grünen? Der Grünen-Politiker Robert Habeck brachte es auf den Punkt, als er äußerte: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“ Warum sollte also eine Partei, die mit Deutschland nichts anzufangen weiß, außer es zur Spielwiese ihrer Träumereien zu machen, Gorbatschow ehren? Die Deutsche Einheit war in Teilen der SPD und bei den Grünen nicht gerade populär und ist es bis heute nicht. Mehr noch: Trittin und andere sprachen damals von einem „Anschluss“, den die DDR-Bürger erzwungen hätten. Geschichtsrevisionistisch schrieb 1993 Jürgen Trittin mit Schnappatmung: „Die beiden deutschen Staaten wurden vereinigt, weil die Bevölkerung der ehemaligen DDR“ – diese Bösen aber auch – „dies wollte, weil die Bundesregierung diesen Willen förderte und das Grundgesetz den Anschluss ohne Befragung der BRD-Bevölkerung vorsah.“ Die Wahl des historisch belasteten Begriffes „Anschluss“ in diesem Zusammenhang sagt alles. Seit dem Tag der Wiedervereinigung jedenfalls kämpft das bundesdeutsche Juste Milieu darum, Deutschland wieder loszuwerden, und wenn darüber Deutschland zu Grunde geht – am besten in der ever close union, lieber Brüssel statt Berlin. 

Nun will der Bundestag am Mittwoch „im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an den Verstorbenen erinnern“, wie die Tagesschau mitteilt. Welch kühne Tat. Hätte Frank-Walter Steinmeier nicht in Moskau sein müssen? Dort hätte er trauern können. Die Teilnahme an der Beerdigung wäre auch ein Statement gegen Putin, die Erinnerung an ein anderes Russland gewesen. Kolportiert wird in den Medien der Kommentar eines Russen, der trauert, aber namentlich ungenannt bleiben möchte: „Einige der Trauernden sprachen darüber“, berichtet die Welt, „dass die Offenheit, für die Gorbatschow eintrat, unter Putin beendet wurde. ‚Ich möchte ihm für meine Kindheit in Freiheit danken, die wir heute nicht mehr haben‘, sagte einer der Gäste, Ilja, ein Mitarbeiter der Finanzbranche, Anfang 30, der seinen Nachnamen nicht nennen wollte. ‚Ich bin ein Sohn der Perestroika.‘“

Was auch immer Steinmeier und andere in Berlin sagen werden, ich werde mir die wohlfeilen Worte im wohligen Bundestag nicht anhören, es hätte in Moskau gesagt werden müssen – hic Rhodus, hic salta. 

Klaus-Rüdiger Mai ist Autor von:  Campus-Verlag, 2005


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