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Liberale Zeiten brechen kurz vor der Wahl an

Published On: 5. Oktober 2022 13:13

Doch. Die FDP kann konsequent sein. Zumindest wenn es darum geht, dem Wähler etwas vorzugaukeln: Alles, was sie bisher nicht geliefert hat, werde jetzt kommen, verspricht sie – wenige Tage vor der Wahl in Niedersachsen.

IMAGO / Jochen Eckel

Seit knapp einem Jahr ist die FDP in der Bundesregierung und sie hat geliefert. Wie bitte? Hat sie nicht, meinen Sie? Doch! Hat sie! Wohl: Da ist das Tempolimit, das sie verhindert hat. Und sie hat die deutschen Talkshows um Marie-Agnes Strack-Zimmermann bereichert. Obendrein kommt das Tempolimit. Und dann ist da noch das Lächeln Strack-Zimmermanns, das den betörenden Zauber einer Umsatzsteuervoranmeldung versprüht. Nicht zu vergessen das Tempolimit. Also ganz viel hat die FDP geliefert. Im liberalen Sinn.

Ja. So ein paar Punkte gab es, da hätte man die optimale liberale Bilanz noch weiter optimieren können. Die FDP wollte die Corona-Maßnahmen beenden. Aber mit den „strengsten Regeln in Europa“ ist sie da echt nahe herangekommen. Gut: Die Inflation rennt davon, die Wirtschaft kollabiert und im Winter droht der Blackout. Die Bundesregierung reagiert darauf mit staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft, einer enormen Neuverschuldung und dem vorzeitigen Ausstieg aus allem, was Strom erzeugt. Liberal im Sinne der klassischen Lehre ist das jetzt nicht direkt. Aber hey: Strack-Zimmermann. Hallo? Und das Tempolimit!

Zudem wird das ja ohnehin alles besser. Wofür zehn Monate nicht gereicht haben, das holt die FDP jetzt alles in einer Woche nach. Der Woche vor der Wahl in Niedersachsen. Allein ihr Chef Christian Lindner: Der will Atomkraftwerke laufen lassen. Bis 2024. Und er will ARD und ZDF reformieren, weil außerhalb der SPD und der Grünen es vielleicht viele nicht ausschließlich gut finden, dass sie 8,5 Milliarden Euro im Jahr für Parteipropaganda bezahlen sollen.

Und die Frist für die Abgabe der Daten zur Grundsteuer will Lindner obendrein verlängern lassen. Wenn es schon Kommunen nicht schaffen, die Daten zu sammeln, wie sollen es dann Hilfsarbeiter Otto und Rentnerin Maria hinkriegen? Gut. Lindner könnte auch in Frage stellen, warum der Staat überhaupt Daten seiner Bürger abfragt, die er selbst schon hat, statt die einfach zusammenzutragen. Hat sich Lindner nicht auch mal als digitaler Vorreiter inszeniert? Aber das ist kompliziert und taugt nicht für ein kurzfristiges, verlogenes Wahlversprechen. Sorry, für einen nachhaltigen liberalen Kurswechsel.

Da wir schon bei verlogenen Bezeichnungen sind: Schulden sind für den Staat jetzt ebenfalls tabu. Das hat der FDP-Fraktionsvorsitzende bei Anne Will erklärt. Der Staat mache ja keine Schulden, sondern ziehe einen „Schutzschirm“ auf. Das Schulden zu nennen, bloß weil es komplett auf Schulden beruht, wäre zu ehrlich und unliberal. Wenn man nur achtsam genug mit den Begriffen wie „Schuldenbremse“, „Sondervermögen“ und „Schutzschirm“ jongliert, erscheint sogar die Haushaltspolitik der FDP seriös.

Das alles hat aber nichts mit der nahenden Wahl in Niedersachsen zu tun. Und dass der FDP dort der Rauswurf aus dem Landtag droht. Nein. Der FDP geht es nicht nur um Mandate und Posten, wie immer getan wird. Der FDP geht es um viel mehr – um grundsätzlichere Werte wie: Pensionsansprüche, Dienstwagen, Aufträge an Firmen von Freunden und Ehefrauen, Stellenbesetzungen mit Parteisoldaten und Privilegien wie das maskenfreie Verreisen, während der Pöbel den Stofffetzen tragen muss. Das ist wahrer liberaler Geist.

Womit sich der Kreis zu Marco Buschmann schließt. Der Justizminister kündigt das Ende aller Corona-Maßnahmen an. Schon wieder. Das mag jetzt unfair klingen. Buschmann bemüht sich schließlich redlich, lustig zu sein, und produziert immer wieder neue Gags. Aber am besten sind doch seine Klassiker: Das Ende aller Corona-Maßnahmen kommt. Also echt dieses Mal. Wirklich. Ehrenwort.

Liberale Zeiten brechen an: solide Staatsfinanzen, Weiterbetrieb von Kraftwerken, eine Reform des Grünfunks, eine Schonfrist bei der Grundsteuer und das Ende aller Corona-Maßnahmen. Und falls das alles doch nicht klappt, ist das alles nur aufgeschoben. Dann verspricht es die FDP einfach noch einmal. Zur nächsten Landtagswahl: im Mai 2023 in Bremen oder im Herbst danach in Bayern.

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