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Malu Dreyer zählt ihren Innenminister in Sachen Ahrtal-Flut an

Published On: 11. Oktober 2022 11:50

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat ihren Innenminister Roger Lewentz (SPD) angezählt. Es geht um seine Rolle in der Nacht der Ahr-Flut, die er im entscheidenden Moment verschlafen hat.

IMAGO/photothek

Wer in der Nacht zum 15. Juli in der „Integrierten Leitstelle Koblenz“ gearbeitet hat, wird das vermutlich bis zu seinem Lebensende nicht vergessen. Die Leitstelle nimmt die Anrufe an die „112“ an. Und die kamen in der Katastrophennacht in immer dichterem Takt: Mein Keller säuft ab, mein Haus säuft ab, ich kann nicht schwimmen. Manche von denen, die angerufen haben, sind in der Nacht gestorben. Mitgerissen von einer Jahrhundert-Flut. 134 Menschenleben hat sie gekostet.

Was genau in der Nacht schief gelaufen ist, wird derzeit aufgeklärt. Sicher ist: Die Krisenkommunikation in Rheinland-Pfalz war verheerend schlecht. Informationen von unten, etwa von der Integrierten Leitstelle, sind oben nicht angekommen – oder nicht verarbeitet worden. Noch heute behauptet Innenminister Roger Lewentz (SPD), es hätte kein ausreichend klares Lagebild gegeben in der Nacht. Weshalb er sich von der Brücke verabschiedet und sich in seine Koje zum Schlafen zurückgezogen hat.

Lewentz kann als Führungskraft damit leben, dass er in dieser Todes-Nacht schlafen gegangen ist. Trotzdem tritt er nicht zurück. Nur vor dem Hintergrund dieses Beharrungsvermögens ist die Aufklärung zu erklären, die derzeit in Rheinland-Pfalz stattfindet. Der verzweifelte Versuch Lewentz‘, zu erklären, dass er in der Nacht nichts von dem nahenden Unheil gewusst haben wollte. Ebenso wie die mühsame Arbeit derer, die ihm nachweisen wollen, dass das so nicht gestimmt haben kann.

Dazu gehört der Landtagsabgeordnete Michael Frisch (AfD). Ihm ist es zu verdanken, dass verschollene Videoaufnahmen von Polizeihubschraubern aufgetaucht sind. Die Hubschrauber sind in der Flutnacht gegen 22 Uhr in die Luft gestiegen. Sie haben Bilder aufgezeichnet. Wer die in der Nacht gesehen hat, hätte nicht guten Gewissens ins Bett gehen können. Lewentz will sie nicht gesehen haben. Er habe kein ausreichendes Lagebild gehabt.

Schon wie die Videos verschwunden und wieder aufgetaucht sind, ist eine Geschichte, die Lewentz‘ Position zweifelhaft aussehen lässt: Im Oktober 2021 bitten die zuständigen Polizeidirektionen den Untersuchungsausschuss, nicht alle möglichen Unterlagen anzufordern. Das würde zu viele Beamten binden und bis zu 100.000 Euro kosten. Um 100.000 Euro einzusparen, beschließt der Ausschuss, nicht alle Unterlagen anzufordern. Zu den Dokumenten, die ausgespart werden, gehört die „Einsatzdokumentation PHuSt Videos“.

Allmählich ändert sich das Umfeld der Aufklärung. Im April wehrt sich die einstige Landes-Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) gegen ihren Rücktritt. Sie ist mittlerweile Bundes-Familienministerin. Deswegen wird das Interesse an der Aufklärung größer und es entsteht ein Effekt, der zu Skandalen gehört: Mitwisser entdecken plötzlich, dass ihre Informationen relevant sind – und finden allmählich Wege, diese Informationen weiterzugeben. Damit ist die Presse besser informiert, dadurch werden die Mitglieder des Untersuchungsausschusses besser informiert.

Der Ausschuss stellt weitere Anträge, fordert Unterlagen an. Das Video der Polizeihubschrauber erhält er nicht. Das habe es nur noch als Kopie bei einem der Piloten gegeben, sagen die Verantwortlichen der Polizei heute. Es ist Frisch, der entdeckt, welch brisantes Material sich hinter „Einsatzdokumentation PHuSt Videos“ versteckt. PHuSt steht für Polizeihubschrauberstaffel. Es sind die Videos, die um 22 Uhr schon dokumentieren, was man laut Lewentz erst am nächsten Morgen wissen konnte. Die Videos gesehen haben will er erst vor kurzem.

Das wirft Fragen auf. Zumal die Medien jetzt eben besser von Informanten versorgt werden. Eine Mail taucht auf. Von einem der Piloten. Er hat die Informationen, die er bei seinem Flug gesammelt hat, noch in der Nacht schriftlich weitergegeben. Um 23.42 Uhr ging eine andere Mail bei den Polizeipräsidien Trier und Koblenz ein, warnte vor Gefahren: Eine Person sei bereits ertrunken, Hänge rutschten ab, sechs Häuser seien von der Flut weggespült worden. Die Mail stammt vom Lagenzentrum des Innenministeriums. Jenes Innenministeriums, dessen Chef Roger Lewentz kein klares Lagebild gehabt haben will.

Um 23.42 Uhr leben die Bewohner eines Behindertenheims in Sinzig noch gut drei Stunden. Bis in die verheerende Nacht hinein ist die offizielle Position der Landesregierung, ausgedrückt durch eine korrekt gegenderte Pressemitteilung, die Situation werde schon nicht so schlimm. Die wehrlosen Menschen in Sinzig werden nicht rechtzeitig evakuiiert. Sie sterben in der Flut.

Das wirft Fragen auf. Obwohl Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ihren Innenminister standhaft verteidigt. Dass er in dieser Nacht die Brücke verlassen hat, ist für sie offensichtlich kein Rücktrittsgrund. Lewentz ist ein wichtiger Minister. Der Turm in ihrem Schachspiel, wenn nicht sogar die Dame: Als Innenminister räumt Lewentz alle Themen ab, die heikel sind und das Image Dreyers als über den Dingen schwebende Madonna belasten könnten. Als Parteivorsitzender der SPD im Land hält er die Truppen zusammen. Auch dann, wenn die Männer der Sozialdemokraten die Stirn runzeln, wenn die selbst erklärte Feministen wieder identitätspolitische Themen setzt. Diese zentrale Figur ist nun angezählt. Und auch Dreyer beginnt mit der Distanzierung. Lewentz müsse die offene Fragen klären, lässt sie ihre Regierungssprecherin melden. Das kann alles und nichts heißen. Aber es ist eine Absetzbewegung. Wenn auch eine maximal vorsichtige.

Verschleiss der Infrastruktur

Am Mittwoch beschäftigt sich der rheinland-pfälzische Landtag in einer Sondersitzung mit der Ahrtal-Flut. Es wird viele Beteuerungen geben. Die SPD wird Treueschwüre für ihren Innenminister formulieren. Die Grünen werden Treueschwüre für ihren Staatssekretär Erwin Manz formulieren, der trotz einem vergleichbaren Versagen noch im Amt ist. Und die FDP wird stottern und den politischen Gegner anpöbeln, um darüber hinweg zu täuschen, dass die FDP aus Machterhalt bereit ist, alles mitzutragen.

Es wird auch quälende Momente geben. Wenn CDU, AfD und Freie Wähler der Regierung vorhalten, wie sie in der Nacht zum 15. Juli 2021 ihre Bürger im Stich gelassen hat. Wie die Schönwetterregierung Dreyer an der Ahr versagt hat. Am Freitag werden dann die Hubschrauberpiloten dem Untersuchungsausschuss schildern, was sie in jener Katastrophen-Nacht gesehen haben. Es werden vermutlich Bilder sein, die einen verantwortlichen Politiker mit Anstandsgefühl nicht gut schlafen lassen können.

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