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Buchtipp: «Digitalisierte Gesundheit?»

Published On: 19. Oktober 2022 0:03

Veröffentlicht am 19. Oktober 2022 von AS.

Das Buch «Digitalisierte Gesundheit?» aus der Reihe «Streitfragen» versucht, das offene Gespräch zur Frage der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu fördern und in einem gemeinsamen Raum verschiedene Standpunkte zu entfalten. So sollen zwei voneinander unabhängige Positionen ohne Drang zur Rechtfertigung entstehen. Am Schluss sieht sich der Leser mit seinen eigenen Gedanken konfrontiert. Das gelingt dem Westend-Verlag mit dem Buch.

Der Arzt und ehemalige Präsident der Landesärztekammer von Schleswig-Holstein, Franz Bartmann, übernimmt die Rolle des Befürworters von mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen, während der Psychiater und Psychotherapeut Andreas Meißner im zweiten Teil des Buches seine Gegenargumente vorbringt.

Ein zentrales Element der Digitalisierung ist die elektronische Patientenakte. Diese könnte die Versorgung verbessern. Wenn Patienten sich zur Frage eines medizinischen Problems mehrere fachärztliche Meinungen einholen, wissen die verschiedenen Fachärzte normalerweise nichts davon, ebenso wenig der Hausarzt. Die elektronische Patientenakte könnte die erstellten Fachmeinungen entsprechend bündeln, koordinieren und mögliche Fehlbehandlungen vermeiden.

Mehr Daten für bessere Behandlung

Der elektronischen Patientenakte dürfte die Annahme zugrundezuliegen, dass zentral gesammelte Patientendaten dank Künstlicher Intelligenz dann bessere Behandlungsmöglichkeiten ergeben. Ein elektronisches Rezept, aktiviert über eine App, gibt dem Arzt die Möglichkeit, zu überprüfen, ob und wann es eingelöst worden ist, und soll so zu mehr Arzneimittelsicherheit beitragen.

Bartmann setzt mehr Digitalisierung allerdings nicht mit mehr Versorgungssicherheit gleich. Wenn es um Digitalisierungsprojekte geht, denkt Bartmann etwa an die Telemedizin, an «radiologische Netzwerke», «Virtuelle Krankenhäuser» oder den «Tele-Notarzt». Viele dieser Ideen befinden sich noch am Anfang. Bartmann zufolge geht es auch darum, ein Vorurteil gegenüber E-Health zu entkräften: dass damit «das Ziel verbunden sei, den Arzt komplett zu ersetzen».

Die Digitalisierung der Medizin ist für Bartmann unausweichlich. Er sieht in ihr viel Potenzial zum Patientenwohl, das er über Datenschutzbedenken stellt. Gewissen Argumenten kann aber nicht gefolgt werden. Zum Beispiel, wenn Bartmann behauptet, dass der Körper permanent Daten generiere, die Rückschlüsse sowohl auf Körper als auch Seele ermöglichen. Besonders der Zusammenhang zur Seele erscheint unplausibel und wird auch nicht begründet. Hier wird das Leib-Seele-Problem arg simplifiziert.

Zuletzt nimmt Bartmann die potenziell nachteiligen Entwicklungen einer umfassenden Digitalisierung zu wenig in den Blick. Denn Digitalisierung ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, bei dem es letztlich um mehr geht als nur um den beschränkten Nutzen im Gesundheitswesen. Überall lauern grosse IT- und Digitalkonzerne darauf, Daten zu sammeln und die Privatsphäre zu kommerzialisieren.

Im Interesse der Patienten kann sicherlich noch vieles effizienter gestaltet werden, ohne dafür den Datenschutz opfern zu müssen. Es ist schlicht leichtsinnig zu glauben, das Datensammeln diene nur dem Guten. Sind autoritäre Anwandlungen eines Staates wirklich unvorstellbar?

Es droht der Missbrauch

Abgesehen davon: Ein Patient könnte den Schutz seiner Privatsphäre durchaus zum wichtigen Faktor seines Wohlbefindens zählen. Die Macht über diese Entscheidung muss individuell bleiben, nicht paternalistisch aufoktroyiert. Zu entscheiden, was ein wichtiges Element der Lebensqualität ist, muss im Handlungsrahmen eines Individuums bleiben. Das kann kein Staat allgemeingültig definieren.

Bei Bartmanns Ansatz ist die Arzt-Patient-Interaktion datengestützt, asymmetrisch und eindimensional, ohne echtem gegenseitigen Interesse, und lässt eine ganzheitliche Perspektive unberücksichtigt. Er erwägt nicht, dass etwas anderes als Daten (etwa eine persönliche Beziehung, man denke an die Psychotherapie) eine sinnvolle medizinische Behandlungsgrundlage darstellen könnte.

Diese berechtigten Vorwände artikuliert der Psychiater und Psychotherapeut Andreas Meißner in seinem Contra-Argumentarium. Es ist eben ein Problem, sensible Gesundheitsdaten von privatwirtschaftlich und profitorientierten Konzernen verwalten zu lassen. Die Frage, die sich hier stellt: Ist es eine vielleicht verbesserte Versorgungsqualität wert, die Kontrolle über seine Daten abzugeben und sie einer potenziellen Zweckentfremdung auszuliefern?

Meißner weist darauf hin, dass im grossen Volumen der Gesundheitsdaten lukrative Profitinteressen stecken. Die Datenschutzbedenken sind realistisch, wurden doch schon in etlichen Ländern Patientendossiers gehackt, die Daten ins Internet gestellt und Opfer erpresst.

Das bedeutet nicht, dass auf technologische Fortschritte verzichtet werden muss. Meißner schreibt von einem Medikationsplan mit dezentraler Speicherung auf der Gesundheitskarte. Er beklagt die fehlende öffentliche Debatte zur elektronischen Patientenakte und verweist darauf, dass die digitalisierte Vernetzung im Gesundheitswesen «von oben» beschleunigt vorangetrieben wird. Die Erfahrung lehre, dass Zugriffsrechte sukzessive ausgeweitet würden.

So bestehe die Gefahr, dass Patienten dem Arzt gegenüber weniger Informationen preisgeben, diese aber für genaue Untersuchungen durchaus nötig wären. Mit erweiterten Zugriffsrechten könnten «zukünftig Arbeitgeber oder Versicherungen über Zu- oder Absagen entscheiden, nachdem sie sich über die körperliche wie geistige Gesundheit der Bewerber informiert haben», so Meißner.

Im Interesse einer vermeintlich verbesserten Gesundheitswesens fliesst viel Geld in die IT-Branche, das dann aber an den Stellen fehlt, von denen man bereits weiss, dass es dort wirksam eingesetzt werden könnte, etwa bei zusätzlichem Fachpersonal oder gegen bekannte Krankheiten. Mittels Digitalisierung sollen Daten gewonnen werden, um Behandlungen zu ermöglichen, für die dann das Geld fehlt.

Meißner verweist weiter auf die vielschichtigen Verbandelungen zwischen Gesundheitspolitik und Digitalkonzernen. Ausserdem ist zu vermuten, dass eine elektronische Erfassung zunehmend zu mehr zentraler Überwachung des Bürgers führt, zu einem Register, in dem neben Gesundheitsangaben beispielsweise auch Pass- und Finanzdaten zusammenfliessen; Stichwort: Digitale Identität.

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Zu den Autoren:

Dr. med. Franz Bartmann ist Facharzt für Viszeral- und Unfallchirurgie und war zuletzt bis 2015 im Malteser Krankenhaus St.-Franziskus-Hospital in Flensburg tätig. Von 2001 bis 2018 war er Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein und im Vorstand der Bundesärztekammer verantwortlich für die Themenbereiche Telematik/Telemedizin sowie ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung. Seit 2018 ist er im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin.

Dr. med. Andreas Meißner ist seit über 20 Jahren in München niedergelassener Psychiater und Psychotherapeut und hat etliche Fachartikel publiziert, vor allem zu Fragen rund um die Telematik-Infrastruktur (TI) und die elektronische Patientenakte (ePA). 2020 hat er für das Bündnis für Datenschutz und Schweigepflicht eine Petition gegen den Zwang zum Anschluss an die TI und gegen die zentrale Speicherung der ePA-Daten vor dem Petitionsausschuss des Bundestags in Berlin vertreten.

Buch-Hinweis:



Franz Bartmann, Andreas Meißner: Digitalisierte Gesundheit? Herausgegeben von Lea Mara Eßer. Westend, 2022. 112 S., 14,00 €. ISBN 978-3-8648-9351-3. Auch als E-Book erhältlich.

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