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Frankreich–Deutschland: Das Ende einer Freundschaft, die wohl nie eine war

Published On: 22. Oktober 2022 11:55

Es knirscht zwischen Paris und Berlin – ist das das Ende der sogenannten deutsch-französischen Freundschaft? Oder hat es sie in Wirklichkeit nie gegeben?

Der Wirtschaftskrieg mit Russland, das war von Anfang an klar, würde die vermeintliche Solidarität innerhalb der EU auf eine harte Probe stellen. Sicher, anfänglich hat man sich auf gemeinsame Sanktionen geeinigt, nur Ungarn scherte völlig aus, aber diese ökonomische Auseinandersetzung trifft natürlich die einzelnen europäischen Länder ganz unterschiedlich hart. Es gibt Staaten, die zumindest auf Sicht von 2 bis 3 Jahren recht gut ohne russisches Gas auskommen werden – Frankreich gehört vermutlich dazu – und es gibt andere, für die diese Energiequelle kaum vernünftig zu ersetzen ist oder wenn, dann nur zu unerträglich hohen Preisen, und zur zweiten Gruppe gehört per saldo Deutschland. 

Die Bundesregierung hat einerseits mit dem Erbe ihrer Vorgängerregierungen zu kämpfen, die über lange Zeit, spätestens seit 2011 eine Energiepolitik verfolgt hatten, die ganz auf ein Schönwetterszenario ausgerichtet war. Die Abhängigkeit von Russland als Gaslieferant wurde immer weiter erhöht, auch noch nach 2014, als sich die Möglichkeit einer großen militärischen Auseinandersetzung im Osten Europas schon deutlich am Horizont abzeichnete.

Diese Politik Merkels, die freilich in der SPD seinerzeit auf begeisterte Zustimmung stieß, war, man muss es so offen sagen, bodenlos dumm. Aber der neuen Regierung, die ja in ihren SPD-Teilen auch eine erhebliche Kontinuität zur alten aufweist, ist es seit März nicht gelungen, ein stimmiges Konzept für eine neue kriegstaugliche Energiepolitik zu entwickeln. Was Scholz am Ende einfiel, war der „Doppelwumms“ (womit er ein interessantes Schlagwort verwendete, das vermutlich direkt der anspruchsvollen volkswirtschaftlichen Theoriebildung zu Wirtschaftskrisen entnommen war) – ein Versprechen, Energiepreise durch die Bank zu subventionieren.

Das Problem eines solchen Plans ist, dass damit die realen Marktpreise eher nochmal in die Höhe getrieben werden, weil bei stark subventionierten Preisen für den Konsumenten der Verbrauch nicht stark genug zurückgeht. Überdies fürchten unsere Nachbarn in der EU, die freilich teilweise ihre Energiepreise auch schon stark subventioniert haben, insbesondere in Frankreich und Spanien sowie Portugal, dass Deutschland bei diesem Subventionswettlauf die tieferen Taschen hat und seiner Industrie einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen wird, und dabei noch durch seine enorme Nachfrage die Gaspreise weiter in die Höhe treibt.

Ganz unberechtigt sind diese Sorgen sicher nicht, und Scholz und Habeck haben den Fehler gemacht, ihre Subventionspläne ohne Absprache mit anderen EU-Ländern einfach in den Raum zu stellen. Zum Teil wissen sie natürlich noch selber gar nicht, wie die angekündigten 200 Milliarden Euro überhaupt ausgegeben werden sollen, verschärfen durch den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft aber leichtsinnig die Energiekrise, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa – ein Verhalten, das jenseits des Rheins, aber auch sonst in Europa als autistisch angesehen wird.

L’Allemagne paiera – Deutschland zahlt: der Grundtenor der französischen Politik

Allerdings, was unsere europäischen „Partner“ unter französischer Führung dieser deutschen Politik jetzt entgegensetzen, hat das Potenzial, für Deutschland absolut tödlich zu sein. Natürlich ruft Macron zusammen mit seinem famosen Finanzminister Le Maire unter lautem Beifall aus den meisten EU-Defizitländern jetzt erneut nach noch mehr gemeinsamen Schulden in der EU – mit ein bis zwei Billionen wäre man wohl anfänglich zufrieden, später sieht man dann weiter. Die Zinslast würde in überproportionalem Umfang Deutschland tragen, das Geld aber vor allem für andere Länder zur Verfügung stehen, wie beim Corona-Wiederaufbaufonds. Das Muster kennt man ja. 

Gefährlich ist auch der Plan, die Einkaufspreise für Gas zu deckeln. Das könnte dazu führen, dass Anbieter ihr Flüssiggas vorwiegend nach Asien verkaufen und Deutschland seinen Gasbedarf gar nicht mehr decken kann, was nicht nur das Ende zahlreicher Industriezweige wäre, sondern wohl im nächsten Winter auch zum Ausfall der Heizungssysteme führen würde. Scholz führt hier offenbar einen hartnäckigen Abwehrkampf, musste aber offenbar bereits gefährliche Zugeständnisse machen. Auch das Tor zu einer weiteren gemeinsamen Schuldenaufnahme hat sich beim jüngsten EU-Gipfel zumindest ein Stück weit geöffnet, und Paris wird sicher dafür sorgen, dass Deutschland zu weiteren Konzessionen gezwungen werden wird, denn das Prinzip der französischen Europapolitik unter Macron war von jeher „L’Allemagne paiera!“ „Deutschland zahlt alles“, so wie schon nach 1918, wobei die Lage damals natürlich eine andere war.

Dass Scholz überhaupt gewagt hat, französischen Plänen entgegenzutreten, hat in Paris bereits zu einer ernsthaften Verstimmung und zu einer Absage der regelmäßigen bilateralen Konsultationen geführt. Macron liebt ja solche Gesten, um Stärke zu demonstrieren, da ist er ganz ein Mann der Diplomatie des 19. Jahrhunderts. Dass Scholz nicht ganz jener bequeme Rheinbundkanzler ist, den man sich erhofft hatte, wird ihm Macron nicht vergeben, wobei das deutsch-französische Verhältnis auch noch durch andere Konflikte belastet wird. In Paris hatte man gehofft, die militärische Konfrontation mit Russland werde Pläne zum Aufbau einer gemeinsamen europäischen Verteidigung unter der Führung Frankreichs fördern. Davon hatte man sich auch zahlreiche neue Aufträge für die französische Rüstungsindustrie erwartet.

In Berlin scheint man der Partnerschaft mit Paris aber zu misstrauen. Vergangene Kooperationen haben gezeigt, dass die Franzosen in Deutschland und deutschen Firmen wie Rheinmetall bestenfalls einen Juniorpartner mit begrenztem Mitspracherecht sehen. Außerdem herrscht in Berlin mit einem gewissen Recht der Eindruck vor, dass man bei einer ernsthaften Bedrohung durch Russland so oder so auf die Amerikaner mit ihrer enormen militärischen Schlagkraft angewiesen wäre. Gäbe es je eine unabhängige gemeinsame europäische Armee, würde sie in einer Konfrontation mit einer feindlichen Macht vermutlich ähnlich abschneiden wie die – übrigens damals zusammen mit den verbündeten französischen Kontingenten auch unter französischem Befehl stehende – Reichsarmee bei Rossbach im Siebenjährigen Krieg (1757), die immerhin in der Flucht ein bemerkenswertes Tempo entfalten konnte.

Sicherlich hat sich Deutschland durch seine Energiepolitik und die starke Abhängigkeit von Russland auch selbst in der EU in die Isolation manövriert. Das kann man gar nicht leugnen, aber die Tendenz unserer Partner, unter Frankreichs Führung jede Krise auf Kosten Deutschlands zu bewältigen, ist evident. Wenn man dies bedenkt, ist sogar die eher zögerliche Haltung von Kanzler Scholz im Ukraine-Konflikt, die wohl darauf abzielt, für die Jahre nach dem Ende des Krieges und nach einem Ende der Herrschaft Putins die Tür für eine erneute Zusammenarbeit mit Russland offenzuhalten, vielleicht doch nicht ganz so falsch, wie manche meinen, auch wenn einem dieses Eingeständnis schwerfällt. 

Am Ende wird Deutschland ganz ohne russisches Gas in den nächsten 10 Jahren wohl kaum auskommen, wenn es eine Deindustrialisierung vermeiden will, und dass wir uns auf unsere Partner in der EU, die vor allem immer mehr deutsches Geld wollen, nicht verlassen können, das muss man nicht mehr eigens nachweisen. Zuletzt hat ja Frankreich sogar eine mögliche Gaspipeline von Frankreich nach Deutschland blockiert, was man, wenn es zu keiner adäquaten Ersatzlösung kommt, als offen feindseligen Akt werten muss. Vielleicht ist sich Scholz dieser Problematik mehr bewusst als manch anderer deutscher Politiker, auch wenn seine bisherige Rhetorik in eine ganz andere Richtung ging. Aber er wird ahnen, dass ein radikaler Abbau des deutschen Sozialstaates schon bald alternativlos werden könnte, wenn man Frankreich gegenüber immer nur nachgibt.

Allerdings hat Frankreich es bisher immer noch verstanden, eine Mehrheit gegen Deutschland zu organisieren (was Macron übrigens heute als eine Politik des Versöhnens widerstreitender Interessen darstellt, die er den deutschen Alleingängen entgegenstellt), wenn es um Umverteilung innerhalb der EU oder der Eurozone ging, und gegen eine solche Mehrheit konnte sich Deutschland dann in der Regel nicht wehren. 

Macron scheint freilich nicht zu begreifen, dass er mit seiner Politik Deutschland sowohl wirtschaftlich wie politisch dauerhaft destabilisiert. Er mag aus dem Kampf mit dem alten Erzrivalen siegreich hervorgehen, aber wen hat er, wenn Deutschland am Ende ganz am Boden liegt, und fern ist dieser Zeitpunkt nicht mehr, dann noch als Partner für seine ambitionierten imperialen Pläne für ein französisch geführtes Europa als globale Macht? Das instabile Italien oder die hypernationalistischen Polen, die im Dauerclinch mit Brüssel liegen?

Aber soweit scheint man in Paris nicht zu denken, die traditionelle Selbstüberschätzung der französischen Elite, die Macron ganz und gar verkörpert, ist dafür einfach zu groß, gerade beim egomanen Macron und seinen Weggefährten. Denn es gibt sicher unter den moderaten Konservativen vernünftigere französische Politiker, nur ihr Einfluss scheint gering zu sein, und Deutschland kann auf sie nicht setzen. Ihm bleibt am Ende nur eine Sabotagepolitik innerhalb der EU. Dafür scheint Scholz allerdings wirklich ein gewisses Talent mitzubringen – das immerhin muss man ihm lassen.

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