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Corona, der Sündenbock und ein alter Reflex

Published On: 7. Februar 2023 0:02

Veröffentlicht am 7. Februar 2023 von Red.

Immer mehr Corona-Massnahmen fallen weg. Gleichzeitig beginnt selbst in den Mainstreammedien ein zaghaftes Hinterfragen (einiger) dieser Massnahmen: War doch nicht alles gut, einiges vielleicht sogar unnötig und schädlich?

Und wenn diese Fragen gestellt werden, dann folgt unweigerlich die nächste: Wer ist schuld? Und dabei geschieht das, was nicht wirklich überrascht: Die Schuld wird hin und her geschoben. Keiner will es gewesen sein. Eine kleine aktuelle Bestandsaufnahme.

Die Mainstreammedien beschuldigen die Politik, zum Ersten

Ende letzten Jahres gab es in unserer grossen Regionalzeitung einen erstaunlichen Artikel des Politikchefs.(1) Er forderte die Politik auf, sich zu entschuldigen. Zunächst bei den Schweden, deren Sonderweg in der Coronazeit massiv von Deutschland kritisiert worden sei und der sich nun als richtig herausgestellt habe.

Und dann auch bei den Menschen, die unter den vielfach überzogenen Massnahmen gelitten hätten. Er erwähnt zum Beispiel die Kinder, bei denen die Selbstmordrate deutlich höher als früher gelegen hätte, oder die Selbstständigen, von denen viele einen Ruin erlebt hätten.

Und schliesslich bei den Menschen, die wegen ihrer kritischen Haltung gegenüber den Massnahmen gesellschaftlich ausgegrenzt worden seien, so zum Beispiel diskreditierte Menschen in Pflegeberufen, Schauspieler, Künstler, Publizisten, Wissenschaftler. So weit so gut.

Die Mainstreammedien beschuldigen die Politik, zum Zweiten

Als Anfang Februar in Deutschland die Maskenpflicht in Bussen und allen Bahnen wegfiel, wurde die Handlungsweise der Politik von dieser Zeitung erneut kritisiert.(2) Die Kommentatorin fragt, ob das lange Aufrechterhalten der Massnahmen in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern wirklich notwendig gewesen sei.

Sie kritisiert dabei vor allem den deutschen Gesundheitsminister und sein strenges Vorgehen zum Beispiel bei den Schul- und Kitaschliessungen, bei der Isolationspflicht oder bei dem Versuch, eine Impfpflicht durchzusetzen. Am Ende gibt sie dem Gesundheitsminister zwei Ratschläge mit auf den Weg. Er solle seine eigene Position kritisch hinterfragen und sich öfter an die Redewendung halten «Reden ist Silber, aber Schweigen ist Gold!» (2) So weit so gut.

Die Politik beschuldigt die Wissenschaft

In einem dritten Artikel nur einen Tag später gibt der deutsche Gesundheitsminister zu, dass die langen Schul- und Kitaschliessungen aus heutiger Sicht falsch waren.

Er verweist jedoch auf die Berater der Bundesregierung aus Wissenschaft und Forschung: «Damals war die Wissenschaft in Deutschland: Die Schulen müssen geschlossen werden, weil es dort zu Übertragungen kommt.»(3) Der Gesundheitsminister finde, so resümiert der dpa-Artikel, den Sündenbock bei den Wissenschaftlern.

Die Wissenschaft beschuldigt die Politik

In dem Artikel werden dann unter anderem Lothar Wieler und auch Christian Drosten zitiert, die beide betonen, dass sie hinsichtlich der Schul- und Kitaschliessungen nur Empfehlungen an die Politik weitergegeben hätten.

Die Politik hätte diese dann an die regionalen Gegebenheiten anpassen müssen, um auch «soziale und psychologische Aspekte zu berücksichtigen». Es hätte Alternativen gegeben und ebenso «Unsicherheiten, auch vom wissenschaftlichen Hintergrund her».

Der Sündenbock wandert somit wieder zur Politik zurück. In diese Kerbe schlägt nochmals die Kommentatorin zu diesem Artikel. Die Politiker hätten zu blind den Wissenschaftlern vertraut, seien zu ängstlich gewesen und hätten sich Druck zu schnell gebeugt.

Die Auswirkungen bis hin zu psychischen Problemen müssten nun die Kinder und Jugendlichen tragen. «Die Verantwortung dafür liegt bei den Politikern.» Die Kommentatorin gibt den Rat: «Nur wer eigene Fehler einsieht, kann es besser machen!» Ein gutes Wort zum Schluss. Gilt das auch für die Medien?

Und die Mainstreammedien: unschuldig?

Die Corona-Krise hat in den drei Jahren über unzählige Menschen grenzenloses Leid gebracht. Deshalb muss es zu einer Aufarbeitung kommen. Dazu gehört, dass Fehler erkannt und benannt werden. Und zweifellos haben Politiker viele und sehr schwere Fehler gemacht. Aber nicht nur sie.

Und auch nicht nur die Wissenschaftler. In den oben genannten Zeitungsartikeln samt den Kommentaren äussern sich eine Reihe erfahrener Journalisten. Und sie sparen nicht mit ihrer Kritik. Und so nötig die Kritik ist: Es ist immer leicht(er), andere zu kritisieren. Es fehlt jedoch jede Spur von Selbstkritik an der eigenen Berichterstattung! So weit so schlecht.

Die Schuld der Mainstreammedien

Viele Missstände in der Coronazeit hätten sich nicht oder nicht in dieser Form entwickeln können, hätten die Mainstreammedien diese nicht bereitwillig aufgegriffen, unterstützt beziehungsweise noch verstärkt. Seltsame Meinungen in der Politik oder in den Wissenschaften gab es immer und wird es immer geben. Die Frage ist jedoch, ob und inwieweit die Medien diesen Ideen Raum geben oder nicht. Dadurch werden sie zu guten oder schlechten Multiplikatoren.

In wie vielen Artikel ist in den Zeitungen auf eine unabdingbare Impfpflicht für alle hingewiesen worden und wie wenig Raum ist denen gegeben worden, die dagegen waren? In wie vielen Artikeln sind die Massnahmenkritiker in einem schlechten Licht dargestellt worden und mit wie vielen unschönen Attributen wurden sie belegt? Wie viele Interviews wurden mit Massnahmenbefürwortern geführt und wie viele mit Massnahmengegnern?

Und wenn sich ein Kritiker einmal äussern durfte, so wurde in der Regel im beigefügten Kommentar darauf hingewiesen, dass dies nicht die offizielle anerkannte Meinung sei. Oder es gab beiliegend einen «Faktencheck», der die «wirkliche Wahrheit» aufzeigte. Wie viele Leserbriefe hat es mit unterstützendem Inhalt für die Regierung und ihre Massnahmen gegeben und wie viele wurden abgedruckt, die eine andere Meinung vertreten haben?(4)

Wenn eine Aufarbeitung beginnt, dann sollten die Mainstreammedien auch ihre eigene Rolle überdenken. Sonst schleicht sich der Verdacht ein, dass es nur um Opportunismus geht.

Der Sündenbock

Im 3. Buch Mose beschäftigt sich das 16. Kapitel mit dem grossen jährlichen Versöhnungstag zwischen Gott und seinem Volk Israel. Bei den Vorschriften für diesen Tag spielen unter anderem zwei Ziegenböcke eine Rolle. Der eine Bock wird geopfert, um die Beziehung zu Gott wieder herzustellen.

Der andere Bock ist der Sündenbock. Auf seinen Kopf legte der Priester die Sünden des Volkes und bekannte die Missetaten. Dann wurde er durch einen Mann in die Wüste geführt und musste dort bleiben. Dieser Bock war kein Opfer, sondern wurde dem «Asasel» übergeben.(5) Die Sünden wurden somit diesem personifiziertem Bösen «zurückgegeben», weil das Volk damit nichts mehr zu tun haben wollte.

Der Unterschied zwischen damals und heute

Zwischen dem Versöhnungstag Israels und den heutigen Sündenböcken gibt es jedoch einen grossen Unterschied: Dem Ziegenbock damals wurde die Schuld des Volkes aufgeladen und das Volk war sich seiner Fehler bewusst und stand dazu.

Es wusste, dass es die Vergebung Gottes benötigte. Die Sündenböcke von heute werden von anderen gesucht und so benannt, weil sie angeblich alleine die Schuld tragen. Es ist also ein Abwälzen der Schuld auf andere.

Der alte Reflex: Der andere ist schuld

Die Schuld auf andere abzuwälzen, ist einer der ältesten Reflexe der Menschheit und wird in der Bibel bereits in der Urgeschichte erwähnt. Adam verteidigte sich vor Gott damit, dass Eva ihm die verbotene Frucht zu essen gegeben hatte. Und Eva machte die Schlange für das Übertreten des Gebotes Gottes verantwortlich (1. Mose, Kapitel 3, Verse 12+13).

Aufarbeitung gepaart mit Selbstreflexion und Ehrlichkeit

Jesus warnt davor, nur den Splitter im Auge des anderen zu erkennen und nicht den Balken im eigenen Auge (Matthäus-Evangelium, Kapitel 7, Vers 3). Eine Aufarbeitung der Corona-Krise ist bitter nötig.

Aber wenn es nur darum geht, dem anderen die Schuld vor Augen zu malen, dann ist das zu wenig. Wenn die Aufarbeitung wirklich gelingen soll, dann muss sie auch mit Selbstreflexion und Ehrlichkeit gegenüber den eigenen Taten gepaart sein.

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Autorenangaben:

Dr. theol. Holger Heydorn arbeitete zunächst für mehrere Jahre in einem biochemischen Labor. Danach studierte er evangelische Theologie in Bethel/Bielefeld und Giessen. Daran schloss sich eine Promotion in den Niederlanden an. In seiner Doktorarbeit untersuchte er den Zusammenhang von Leib, Seele und Geist beim Menschen.

Anmerkungen:

(1) Burkhard Ewert, „Entschuldigung, Schweden!: Selbst Christian Drosten hält die Pandemie für beendet ‒ Zeit, dass sich die Regierung in Selbstkritik übt“, Neue Osnabrücker Zeitung, Kolumne: Rest der Republik, 55. Jahrgang, Nr. 303, 29.12.2022, Seite 4.
(2) Anonym/dpa, „Maske im Fernverkehr fällt ab heute weg: Deutschlandweite Aufhebung der Tragepflicht in Bussen und Bahnen“, Neue Osnabrücker Zeitung, 56. Jahrgang, Nr. 28, 02.02.2023, Seite 1. Dazu der Kommentar: „Schweigen ist Gold!“ von Marion Trimborn.
(3) Anonym/dpa, „Wer verantwortet die Schulschliessungen?: Lauterbach verweist auf Empfehlungen der Wissenschaft in der Corona-Krise ‒ ein Faktencheck“, Neue Osnabrücker Zeitung, 56. Jahrgang, Nr. 29, 03.02.2023, Seite 2. Dazu der Kommentar: „Ein netter Versuch“ von Stefanie Witte.
(4) Ein entsprechender Leserbrief von mir mit dieser Thematik zum ersten Zeitungsartikel wurde ebenfalls nicht abgedruckt. Ein Schelm, wer da Böses denkt. Es lag bestimmt am fehlenden Platz aufgrund der Masse der Leserbriefe.
(5) Hinsichtlich des Wortes „Asasel“ gibt es unterschiedliche Deutungen. Siehe z.B. den Artikel „Asasel“ in Das große Bibellexikon, Hg. Helmut Burkhardt / Fritz Grünzweig u.a., Band 1, 1987, 1. Taschenbuchauflage, Wuppertal: R. Brockhaus Verlag, 1996, S. 174+176. Da der Name hier Gott gegenübergestellt wird, passt eine Personifizierung am besten.

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