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Suchen die USA eine Exit-Strategie aus dem Ukraine-Krieg?

Published On: 7. Februar 2023 10:00

Ein Papier der einflussreichen RAND-Corporation und Medienberichte weisen darauf hin, dass die USA anscheinend eine Exit-Strategie aus dem teuren Konflikt in der Ukraine suchen.

Die RAND Corporation hat ein Papier veröffentlicht, das der US-Regierung sehr deutlich empfiehlt, sich aus dem Ukraine-Abenteuer zurückzuziehen und dabei sogar recht unverblümt die Anerkennung der russischen Gebietsgewinne und die Aufhebung der Russland-Sanktionen ins Spiel bringt. Bevor wir zu dem aktuellen Papier kommen, will ich noch einmal erklären, was die RAND-Corporation ist und warum es sich lohnt, ihre Veröffentlichungen genau zu lesen.

Die RAND-Corporation

Die RAND Corporation ist ein Think Tank, der 1948 gegründet wurde und zunächst vor allem die US-Armee beraten hat. RAND spielte im Kalten Krieg eine wichtige Rolle, ist aber stark gewachsen und beeinflusst längst auch andere Politikfelder, wie Wirtschaftspolitik oder Gesundheitswesen. Die RAND Corporation dürfte zu den einflussreichsten Think Tanks in den USA gehören. Für diese Organisation haben unter anderem Donald Rumsfeld und Condoleezza Rice gearbeitet, aber auch ca. 30 Nobelpreisträger, die während ihrer Tätigkeit für RAND ihre Nobelpreise gewonnen haben.

Schon 1972 hat RAND eine Strategie erarbeitet, wie der Kalte Krieg zu gewinnen wäre und später hat US-Präsident Reagan exakt diesen Plan umgesetzt und der Kalte Krieg war für die USA gewonnen. Es gibt viele Beispiele dafür, dass die RAND-Corporation die (Außen-)Politik der USA maßgeblich bestimmt.

Die RAND-Corporation und die US-Außenpolitik

Die RAND-Corporation ist ein Falke, wie man zum Beispiel an einer Studie sehen kann, über die ich schon 2019 berichtet habe. In der Studie hat die RAND-Corporation festgestellt, dass Russland keinerlei aggressive Absichten hat. Anstatt sich aber darüber zu freuen und für Entspannung und eine Annäherung an Russland zu plädieren, hat RAND ein sehr umfangreiches Maßnahmenpaket vorgeschlagen, mit dem Russland endlich dazu gebracht werden soll, aggressiv auf die Provokationen der USA zu reagieren, damit die USA Russland endlich als internationalen Bösewicht darstellen und politisch und wirtschaftlich isolieren können. Die Details finden Sie hier.

2019 hat die RAND-Corporation noch eine andere Studie mit dem Titel „Russland überdehnen – aus vorteilhafter Position konkurrieren“ (Extending Russia – competing from advantageous ground) veröffentlicht, in der auf insgesamt 354 Seiten detailliert aufgelistet wurde, wie die USA Russland in den Bereichen Wirtschaft, Geopolitik, Propaganda und Militär überdehnen oder das zumindest versuchen können. Das war eine Anleitung zu einem Krieg der USA gegen Russland auf allen denkbaren Feldern, außer einem wirklichen „heißen“ Krieg.

Über diese Studie habe eine 20-teilige Serie geschrieben und die von der RAND-Corporation vorgeschlagenen Maßnahmen im Details aufgezeigt. 2021 habe ich in einem Artikel abgeglichen, was von dem, was RAND zwei Jahre zuvor vorgeschlagen hatte, von der US-Regierung alles umgesetzt wurde. Das Ergebnis finden Sie hier und es zeigt, wie mächtig die RAND-Corporation ist, denn wenn sie etwas „vorschlägt“, wird es mit ziemlicher Sicherheit von den USA zeitnah umgesetzt.

„Einen langen Krieg vermeiden“

Im Januar hat die RAND-Corporation wieder ein sehr interessantes Papier veröffentlicht, das den Titel „Einen langen Krieg vermeiden – Die US-Politik und der Verlauf des Russland-Ukraine-Konflikts“ (Avoiding a Long War – U.S. Policy and the Trajectory of the Russia-Ukraine Conflict) trägt. Wie der Titel schon andeutet, tritt die RAND-Corporation in dem 32-seitigen Papier nun dafür ein, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Ich habe die Zusammenfassung der Ergebnisse des Papiers übersetzt .Nach der Übersetzung schauen wir uns an, was das bedeuten dürfte.

Beginn der Übersetzung:

In der Debatte in Washington und anderen westlichen Hauptstädten über die Zukunft des Krieges zwischen Russland und der Ukraine steht die Frage der territorialen Kontrolle im Vordergrund. Die Falken plädieren für verstärkte Militärhilfe, um dem ukrainischen Militär die Rückeroberung des gesamten Territoriums des Landes zu ermöglichen. Deren Gegner fordern die USA auf, die Kontaktlinie vor Februar 2022 als Ziel festzulegen und verweisen auf die Eskalationsrisiken, die mit einem weiteren Vorstoß verbunden sind. Außenminister Antony Blinken hat erklärt, das Ziel der US-Politik sei es, die Ukraine in die Lage zu versetzen, „das Gebiet zurückzuerobern, das ihr seit dem 24. Februar entrissen wurde“.

Unsere Analyse legt nahe, dass diese Debatte zu sehr auf eine Dimension des Kriegsverlaufs fokussiert ist. Die Kontrolle des Territoriums ist zwar für die Ukraine immens wichtig, aber für die USA nicht die wichtigste Dimension der Zukunft des Krieges. Wir kommen zu dem Schluss, dass die Vermeidung eines langen Krieges für die USA eine höhere Priorität hat als die Ermöglichung einer wesentlich stärkeren territorialen Kontrolle der Ukraine, um eine mögliche Eskalation zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO oder den Einsatz russischer Atomwaffen zu verhindern. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten der USA, die Grenzziehung im Detail zu beeinflussen, stark eingeschränkt, da das US-Militär nicht direkt in die Kämpfe verwickelt ist. Die Ermöglichung der territorialen Kontrolle durch die Ukraine ist auch bei weitem nicht das einzige Instrument, das den USA zur Verfügung steht, um die Entwicklung des Krieges zu beeinflussen. Wir haben mehrere andere – potenziell wirkungsvollere – Instrumente hervorgehoben, die Washington einsetzen kann, um den Krieg in eine Richtung zu lenken, die den Interessen der USA besser entspricht. Während die USA den territorialen Ausgang des Krieges nicht direkt bestimmen können, haben sie eine direkte Kontrolle über diese Politik.

Präsident Biden hat gesagt, dass dieser Krieg am Verhandlungstisch enden wird. Aber die Regierung hat bisher keine Schritte unternommen, um die Parteien zu Gesprächen zu bewegen. Obwohl es alles andere als sicher ist, dass eine Änderung der US-Politik Verhandlungen auslösen kann, könnte die Annahme einer oder mehrerer der in dieser Perspektive beschriebenen Strategien Gespräche wahrscheinlicher machen. Wir nennen Gründe, warum Russland und die Ukraine beide optimistisch in Bezug auf den Krieg und pessimistisch in Bezug auf den Frieden sind. Die Literatur über die Beendigung von Kriegen legt nahe, dass solche Wahrnehmungen zu langwierigen Konflikten führen können. Wir zeigen daher vier Optionen auf, mit denen die USA diese Dynamik verändern können: Klärung ihrer Pläne für die künftige Unterstützung der Ukraine, Zusagen für die Sicherheit der Ukraine, Zusicherung der Neutralität des Landes und Festlegung von Bedingungen für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland.

Eine dramatische Änderung der US-Politik über Nacht ist politisch unmöglich – sowohl innenpolitisch als auch gegenüber den Verbündeten – und wäre in jedem Fall unklug. Aber wenn diese Instrumente jetzt entwickelt und in der Ukraine und bei den Verbündeten der USA bekannt gemacht werden, könnte dies als Katalysator für den Beginn eines Prozesses dienen, der diesen Krieg auf dem Verhandlungswege in einem Zeitrahmen beenden könnte, der den Interessen der USA entspricht. Die Alternative wäre ein langer Krieg, der die USA, die Ukraine und den Rest der Welt vor große Herausforderungen stellt.

Ende der Übersetzung

Die Suche nach der Exit-Strategie

RAND stellt in dem Papier fest, dass die Kosten für die Unterstützung der Ukraine zu hoch sind, weil die USA in dem Krieg nur wenig gewinnen können. In Washington dürfte man lange etwas anderes gehofft haben, aber die Realität hat gezeigt, dass Russlands Wirtschaft nicht an den Sanktionen zerbrochen ist, dass es nicht gelungen ist, Russland international zu isolieren und dass selbst die beispiellose militärische Unterstützung der Ukraine durch den Westen Russland militärisch nicht besiegen konnte.

In dem Papier stellt RAND ganz nüchtern fest, dass den Kosten, die die Unterstützung der Ukraine verursacht, kein entsprechender Gegenwert gegenübersteht, weil es nicht absehbar ist, dass Russland zusammenbricht. Daher sucht RAND nach einer Exit-Strategie aus dem Ukraine-Konflikt.

In dem Papier wird China nicht erwähnt, aber in Washington mehren sich die Stimmen, die China als den wichtigsten Konkurrenten der USA sehen, und nicht Russland. Daher ist aus geopolitischer Sicht dumm, die Ressourcen der USA im Kampf gegen Russland zu verbrennen, weil man sie für den Konflikt mit China braucht. Wie gesagt, steht das nicht in der Studie, aber ich sehen diesen Zusammenhang durchaus.

Die USA dachten anscheinend wirklich, sie könnten Russlands Wirtschaft mit den Sanktionen in einem „wirtschaftlichen Blitzkrieg“ zerstören, was nicht funktioniert hat. Nun ist der Ukraine-Konflikt für die USA zu einem (wirtschaftlichen) Abnutzungskrieg geworden, wenn man bedenkt, dass westliche Armeen ihre Arsenale geleert haben, um ihre Waffen der Ukraine zu schicken, wo sie in Rekordzeit zerstört werden, ohne die russische Armee ernsthaft in Bedrängnis gebracht zu haben.

Die vier Optionen

Interessant sind die vier Optionen, die RAND einzeln oder als Kombination vorschlägt, um den Krieg zu beenden.

Erstens: „Klärung ihrer Pläne für die künftige Unterstützung der Ukraine“ – Das bedeutet, dass man sich bei RAND darüber Gedanken macht, was man der Ukraine anbieten kann, damit sie sich mit dem Verlust eines Teils ihres Landes abfindet. Dass die Frage, welche Teile der Ukraine Kiew nach dem Krieg noch kontrolliert, für RAND ziemlich unwichtig ist, kann man in dem Papier und der Zusammenfassung schwarz auf weiß lesen.

Zweitens: „Zusagen für die Sicherheit der Ukraine“ – Das geht in die gleiche Richtung, aber die Formulierung ist interessant, denn ein NATO-Beitritt der Ukraine wird dabei nicht genannt. Anscheinend schwebt RAND das vor, worauf Russland und die Ukraine sich schon bei den Friedensgesprächen Ende März 2022 geeinigt hatten, nämlich, dass einige westliche Länder der Ukraine Sicherheitsgarantien geben, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine jedoch ausgeschlossen ist. Das ist vor allem deshalb interessant, weil es die USA selbst waren, die diese Friedenslösung damals verhindert haben, wie der damalige israelische Ministerpräsident Bennett gerade erst in einem Interview erzählt hat.

Drittens: „Zusicherung der Neutralität des Landes“ – Der NATO-Beitritt der Ukraine ist offensichtlich vom Tisch. Der ganze Krieg war aus Sicht der Ukraine und der NATO vollkommen überflüssig, denn das war ja Russlands Forderung: Die Ukraine solle ein neutrales Land sein. Die NATO-Ambitionen der Ukraine zu verhindern, war aus geopolitischer Sicht der wichtigste Grund für Russland, im Februar 2022 in der Ukraine zu intervenieren. Der Westen hatte diese russische Forderung im Januar 2022 zurückgewiesen, nun scheint es trotzdem so zu kommen, was den totalen Sieg Russlands bedeuten würde, weil es sein Hauptziel erreicht hätte. Dass RAND das überhaupt ernsthaft vorschlägt, ist regelrecht revolutionär.

Viertens: „Festlegung von Bedingungen für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland“ – Sogar die Aufhebung der Russland-Sanktionen schlägt RAND vor. Der Grund dürfte sein, dass man Russland irgendwas anbieten muss, bevor Russlands militärischer Sieg so umfassend ist, dass man in Washington gar keine Verhandlungsmasse mehr hat. RAND dürfte wissen, dass man in Moskau Null Vertrauen in Zusagen der USA hat, was bedeutet, dass RAND der US-Regierung am Ende wohl eine schnelle Aufhebung der Sanktionen ohne allzu viele Bedingungen vorschlagen muss, weil Russland Taten sehen und nichts mehr auf Versprechungen der USA gibt.

Was bedeutet das?

Man muss das erst einmal sacken lassen, denn das RAND-Papier sagt im Grunde aus, dass Russland gesiegt hat und dass RAND der US-Regierung empfiehlt, möglichst bald aus dem Ukraine-Abenteuer auszusteigen. Warum das schwierig ist, kann man in der Zusammenfassung lesen:

„Eine dramatische Änderung der US-Politik über Nacht ist politisch unmöglich – sowohl innenpolitisch als auch gegenüber den Verbündeten – und wäre in jedem Fall unklug.“

Die USA müssen also einen Weg finden, die anstehende 180-Grad-Wendung sowohl innenpolitisch als auch den Verbündeten gegenüber zu erklären. Schließlich könnte selbst in Brüssel, das eigentlich jede Entscheidung Washingtons – auch zum eigenen Schaden – gehorsam umsetzt, die Frage aufkommen, wozu man all die Milliarden aus dem Fenster geworfen und die eigene Energieversorgung und Wirtschaft an die Wand gefahren hat, wenn man am Ende gegenüber Russland klein beigeben muss.

Eigentlich wollte ich hier auch noch darüber schreiben, welche konkreten Anzeichen es bereits dafür gibt, dass die US-Regierung schon nach der von RAND empfohlenen Exit-Strategie sucht, aber dann wäre dieser ohnehin schon recht Artikel zu lang geworden. Daher werde ich darüber morgen in einem zweiten Teil berichten.


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme – den wir gerade erleben – wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich hier direkt über den J.K. Fischer Verlag bestellbar.

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