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Studie: Gestresste Tomaten «schreien»

Published On: 3. April 2023 0:05

Veröffentlicht am 3. April 2023 von KD.

Empfinden Pflanzen Schmerz? Wenn ja, teilen sie das ihrer Umgebung mit? Und wenn ja, wie? Diese Fragen beschäftigen die Wissenschaft seit langem. Nun zeigt eine neue israelische Studie, dass Tomaten-, Tabak- und andere Pflanzen zumindest auf Stress mit Tönen reagieren. In einer Medienmitteilung erklären die Autoren, diese seien «ein bisschen wie geplatzte Luftpolsterfolie». Auf die Studie machte Study Finds aufmerksam.

In der von Experten begutachteten Veröffentlichung wurde ermittelt, dass Tomaten- und Tabakpflanzen, die gestresst sind, weil sie ausgetrocknet sind oder ihre Stängel abgebrochen wurden, Geräusche von sich geben. In ihrer Lautstärke seien diese mit einer normalen menschlichen Unterhaltung vergleichbar, so die Wissenschaftler. Allerdings sei die Frequenz dieser Geräusche für menschliche Ohren zu hoch, um wahrgenommen zu werden. Doch sie könnten wahrscheinlich von Insekten, anderen Säugetieren und möglicherweise auch von anderen Pflanzen gehört werden.

Hier finden Sie die Tonaufnahme von Pflanzengeräuschen. Die Frequenz wurde so abgesenkt, dass sie für menschliche Ohren hörbar ist.


Quelle: EurekAlert

Die Hauptautorin Lilach Hadany, Evolutionsbiologin und Theoretikerin an der Universität Tel Aviv, erläutert:

«Selbst in einem ruhigen Feld gibt es Geräusche, die wir nicht hören, und diese Geräusche enthalten Informationen. Es gibt Tiere, die diese Geräusche hören können, also besteht die Möglichkeit, dass eine Menge akustischer Interaktionen stattfindet.»

Obwohl Ultraschallschwingungen von Pflanzen schon früher aufgezeichnet wurden, ist dies den Autoren zufolge der erste Beweis dafür, dass sie über die Luft übertragen werden, was sie für andere Organismen in der Umwelt noch relevanter macht. Hadany erklärt:

«Pflanzen interagieren ständig mit Insekten und anderen Tieren, und viele dieser Organismen nutzen Schall zur Kommunikation, so dass es für Pflanzen suboptimal wäre, überhaupt keinen Schall zu nutzen.»

Die Forscher verwendeten Mikrofone, um gesunde und gestresste Tomaten- und Tabakpflanzen aufzuzeichnen, zunächst in einer schallgedämmten Akustikkammer und dann in einer lauteren Gewächshausumgebung. Sie setzten die Pflanzen auf zwei Arten unter Stress: Indem sie sie mehrere Tage lang nicht bewässerten und indem sie ihre Stängel abschnitten. Nach der Aufzeichnung der Pflanzen trainierten die Forscher einen Algorithmus mit maschinellem Lernen, um zwischen nicht gestressten Pflanzen, durstigen Pflanzen und abgeschnittenen Pflanzen zu unterscheiden.


Quelle: Cell

Das Team fand heraus, dass gestresste Pflanzen mehr Geräusche von sich geben als ungestresste. Die Pflanzengeräusche würden Knall- oder Klickgeräuschen ähneln, und eine einzelne gestresste Pflanze stosse in scheinbar zufälligen Abständen etwa 30 bis 50 dieser Klickgeräusche pro Stunde aus. Ungestresste Pflanzen würden hingegen weit weniger Geräusche von sich geben. «Wenn Tomaten überhaupt nicht gestresst sind, sind sie sehr leise», so Hadany.

Bei Pflanzen mit Wassermangel begannen die Geräusche den Forschern zufolge, bevor sie sichtbar ausgetrocknet waren. Die Häufigkeit der Geräusche habe nach fünf Tagen ohne Wasser ihren Höhepunkt erreicht, bevor sie wieder abgenommen habe, als die Pflanzen vollständig austrockneten.


Bild: Midjourney/bearbeitet von Konstantin Demeter

Laut der Studie ist die Art der abgegebenen Geräusche unterschiedlich, je nach Ursache des Stresses. Der Algorithmus sei in der Lage gewesen, genau zwischen Stress durch Austrocknung und durch Schneiden zu differenzieren. Er hätte auch feststellen können, ob die Geräusche von einer Tomaten- oder Tabakpflanze stammten.

Obwohl sich die Studie auf Tomaten- und Tabakpflanzen konzentrierte, weil sie im Labor leicht zu züchten und zu standardisieren sind, nahm die Forschergruppe auch eine Vielzahl anderer Pflanzenarten auf. Dabei haben sie festgestellt, dass viele Pflanzen Geräusche aussenden, wenn sie gestresst sind – zum Beispiel Mais-, Weizen-, Weintrauben- und Kaktuspflanzen.

Der genaue Mechanismus, der hinter diesen Geräuschen steckt, ist unklar. Die Forscher vermuten allerdings, dass er auf die Bildung und das Zerplatzen von Luftblasen im Gefässsystem der Pflanze zurückzuführen sein könnte, ein Prozess, der als Kavitation bezeichnet wird.

Ebenfalls unklar ist gemäss dem Team, ob die Pflanzen diese Geräusche erzeugen, um mit anderen Organismen zu kommunizieren. Sie sehen jedoch allein in der Tatsache, dass diese Geräusche existieren, «grosse ökologische und evolutionäre Auswirkungen». Hadany erläutert:

«Es ist möglich, dass sich andere Organismen so entwickelt haben, dass sie diese Töne hören und darauf reagieren. Eine Motte, die ihre Eier auf einer Pflanze ablegen will, oder ein Tier, das eine Pflanze fressen will, könnte sich bei ihrer Entscheidung von den Geräuschen leiten lassen.»

Auch andere Pflanzen könnten die Geräusche hören und von ihnen profitieren, spekulieren die Wissenschaftler. Aus früheren Forschungen wisse man, dass Pflanzen auf Geräusche und Vibrationen reagieren können. So konnten Hadany und mehrere andere Mitglieder des Teams bereits zeigen, dass Pflanzen die Zuckerkonzentration in ihrem Nektar erhöhen, wenn sie die Geräusche von Bestäubern «hören». Andere Studien ermittelten, dass Pflanzen ihre Genexpression als Reaktion auf Geräusche verändern. Hadany sagt:

«Wenn andere Pflanzen Informationen über Stress haben, bevor er tatsächlich auftritt, könnten sie sich darauf vorbereiten.»

Eine Anwendungsmöglichkeit ihrer neuesten Befunde sehen die Forscher in landwirtschaftlichen Bewässerungssystemen: Tonaufnahmen von Pflanzen könnten eingesetzt werden, um den Hydratationszustand der Pflanzen zu überwachen und das Wasser effizienter zu verteilen. Co-Autor Yossi Yovel, Neuro-Ökologe an der Universität Tel Aviv, teilt mit:

«Wir wissen, dass es da draussen eine Menge Ultraschall gibt: Jedes Mal, wenn man ein Mikrofon benutzt, stellt man fest, dass viele Dinge Geräusche erzeugen, die wir Menschen nicht hören können. Doch die Tatsache, dass Pflanzen diese Geräusche erzeugen, eröffnet ganz neue Möglichkeiten der Kommunikation, des Abhörens und der Nutzung dieser Geräusche.»

Die Evolutionsbiologin Hadany ergänzt:

«Da wir nun wissen, dass Pflanzen Geräusche aussenden, lautet die nächste Frage: ‹Wer könnte zuhören?›. Wir untersuchen derzeit die Reaktionen anderer Organismen, sowohl von Tieren als auch von Pflanzen, auf diese Geräusche, und wir erforschen auch unsere Fähigkeit, die Geräusche in völlig natürlichen Umgebungen zu identifizieren und zu interpretieren.»

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