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Sind die sagenhaften Leserzahlen wirklich wahr

Published On: 12. Mai 2023 10:40

Esther Diener-Morscher / 12.05.2023

Die Printmedien verlieren schnell ihr Publikum, aber die Verleger jubeln mit unglaubwürdigen Zahlen. Der Verlegerverband Schweizer Medien wirbt damit, dass 81 Prozent des gesamten Inhalts einer Zeitung täglich gelesen werden und das in einer Rekordzeit von 29 Minuten. Doch Experten wie der Medienwissenschaftler und Spezialist für visuelle Kommunikation Christoph Schütz glauben nicht an solche Zahlen. Er macht die Rechnung für seine Zeitung, die Freiburger Nachrichten, und sagt, dass man in einer halben Stunde lediglich etwa 30 Prozent schaffen würde.

Martin Voigt vom Verlegerverband Schweizer Medien verteidigt sich und sagt, dass die Daten von der Werbemedienforschung (WEMF) stammen und fundiert und verlässlich seien. Allerdings heißt „Lesen“ bei der WEMF das, was wir unter „Anschauen“ verstehen. Die WEMF fragt bei regelmäßigen Leserinnen und Lesern, wie viele Seiten einer Ausgabe sie jeweils nutzen: Alle oder fast alle Seiten, etwa drei Viertel, die Hälfte, einen Viertel oder weniger. Ein Blick auf eine Zeitungsseite, bei dem man sich einen Überblick über die Artikel verschafft, die man dort lesen könnte, genügt für das Kriterium „wurde gelesen“.

Die WEMF-Zahlen, welche der Verlegerverband als fundiert und verlässlich taxiert, sind immer wieder umstritten. Die WEMF gehört den Verlegern, den Werbe-Agenturen und den Werbe-Auftraggebern. Sie alle profitieren davon, wenn sie möglichst hohe Auflagen und Reichweiten ausweisen können. Keiner der Beteiligten hat ein Interesse daran, dass bei vertiefterem Nachfragen herauskommen könnte, dass eine Zeitschrift gar nicht wirklich gelesen wird und deren Anzeigen folglich auch nicht sonderlich gut wahrgenommen werden.

Übertriebene Zahlen

Nicht nur die Zahl der angeblich gelesenen Seiten in einer Zeitung wirkt reichlich übertrieben. So behaupten die Schweizer Medien auch, dass 85,6 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer regelmäßig gedruckte Publikation lesen. Auch hier interpretiert die Studie den Begriff „lesen“ äußerst großzügig. Gefragt wird nämlich: Wie viele Ausgaben werden normalerweise gelesen oder durchgeblättert? Durchblättern gilt also bereits als Lesen. Und regelmäßig heißt nicht „fast jede Ausgabe“, sondern kann auch heißen „etwa jede zweite Ausgabe“.

Weiter behaupten die Verleger, dass „beliebte Printmedien mehr als 6-mal pro Ausgabe zur Hand genommen und über 64 Minuten pro Ausgabe gelesen werden“. Es gibt nur ein einziges Printmedium, das diese Kriterien erfüllt: Die monatlich erscheinende Zeitschrift Reader’s Digest Schweiz. Sie gehört mit 82.000 Leserinnen und Lesern zu den zehn kleinsten Magazinen, welche die WEMF bewertet und ist kaum repräsentativ für die Schweizer Medienlandschaft.

Streit über WEMF-Zahlen

Die WEMF-Zahlen sind immer wieder umstritten. Die Werbeauftraggeber kritisierten die WEMF damals für die „Verwässerung“ der Leserforschung. Auch die Zuverlässigkeit der Antworten in den Umfragen wird immer wieder angezweifelt. Es gehört vor der Jahrtausendwende zum guten Ton, die neuste Ausgabe auf dem Tisch liegen zu haben. Heute dürfte die NZZ von diesem Phänomen profitieren: Bei Meinungsumfragen – und nicht zuletzt auch für die eigene Selbstbestätigung – macht es sich besser, sich daran zu erinnern, dass man auch schon mal einen NZZ-Artikel gelesen hat, statt zuzugeben, dass man am liebsten kurz die erste und die letzte Seite des Blicks anschaut.

Leserschaft äußerst großzügig definiert

Die WEMF definiert den Begriff „Lesen“ äußerst großzügig. Gefragt wird, wie viele Seiten einer Ausgabe genutzt werden: Alle oder fast alle Seiten, etwa drei Viertel, die Hälfte, einen Viertel oder weniger. Ein Blick auf eine Zeitungsseite, bei dem man sich einen Überblick über die Artikel verschafft, die man dort lesen könnte, genügt für das Kriterium „wurde gelesen“. Auch die Definition von „regelmäßig lesen“ ist großzügig. Durchblättern gilt bereits als Lesen und regelmäßig heißt nicht „fast jede Ausgabe“, sondern kann auch heißen „etwa jede zweite Ausgabe

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Sind die sagenhaften Leserzahlen wirklich wahr?

Esther Diener-Morscher / 12.05.2023  Die Printmedien verlieren rasend schnell ihr Publikum. Trotzdem jubeln die Verleger – mit unglaubwürdigen Zahlen. Lesen Sie in Ihrer Zeitung täglich 81 Prozent des gesamten Inhalts und das in einer Rekordzeit von 29 Minuten? Ich nicht. Doch der Verlegerverband Schweizer Medien wirbt mit diesen Zahlen – es seien sogar nur Durchschnittswerte. Auch Fachleute wie der Medienwissenschaftler und Spezialist für visuelle Kommunikation Christoph Schütz glauben nicht an solche Zahlen: «Das kann nicht sein», sagt er und macht die Rechnung für seine Zeitung, die Freiburger Nachrichten. Pro Ausgabe enthalte sie um die 150’000 Zeichen redaktionellen Inhalt. «Bei einer geschätzten Lesemenge von 1700 Zeichen pro Minute, schafft man in einer halben Stunde lediglich etwa 30 Prozent.» Leserschaft äusserst grosszügig

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