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Klaenge gegen Kanonen

Published On: 27. Mai 2023 14:28

Aufgerissen durch Metallexplosionen
Gefangen im Stacheldraht Feuerball

Slap-Bass und Snare-Drum knallen wie Peitschenhiebe, der Funk-Beat schreitet im Gleichschritt der Soldaten. Die verzerrte Gitarre trudelt wie eine Alarmsirene oder eine Rakete von rechts nach links durch den Stereo-Raum. Dieses akustische Spektakel dröhnt überraschend aus einem großen Lautsprecher, während ein General seine Soldaten auf den Krieg einschwört — den Vietnamkrieg. Sie sind nur eine Masse für ihn, die bewegt und dirigiert werden muss. Wegen des Krachs aus dem Lautsprecher muss der General seine Rede unterbrechen; er kocht vor Wut, während seine Untergebenen vergeblich versuchen, die laute Musik abzustellen. Die Soldaten feixen, ihre Disziplin scheint sich plötzlich in Nichts aufzulösen. Es ist eine Schlüsselszene im 1967 erschienenen Rock-Musical „Hair“, das Miloš Forman 1979 sehr eindrücklich verfilmte. Sie zeigt, was passiert, wenn Befehlshabern die Kontrolle entgleitet und Soldaten erfahren, was ihnen im Krieg wirklich bevorstehen wird.

Schießt auf die Muskeln
256 Vietcong gefangen genommen

Das „Hair“-Musical hat einige Textphrasen dem sehr langen Gedicht „Wichita Vortex Sutra“ von Allen Ginsberg entnommen, der den Vietnamkrieg deutlich kritisiert. Angeblich sprach Ginsberg den Text spontan in ein Tonbandgerät, während er in einem VW-Bus durch Wichita fuhr und seiner Wut über den Krieg freien Lauf ließ. Ob er von den Machern des „Hair“-Musicals für die Textzeilen honoriert wurde, ist nicht überliefert. Die Zahl 3550 bietet jedenfalls viel Stoff für Spekulationen: Manche behaupten, das sei die Zahl der toten GIs pro Woche — oder pro Monat? Wer weiß das schon? 3500 ist aber auch die Zahl der US-Marines, die 1965 die bereits in Vietnam stationierten 23.000 Amerikaner verstärkten und den Krieg so weiter eskalierten. Wieder andere vermuten eine Parallele zu einer im Vietnamkrieg verwendeten Waffe, die eine maximale Reichweite von 3.500 Metern hatte. Vielleicht am wahrscheinlichsten ist die These, dass hier 3.446 gelynchte Schwarze gemeint sind, die zwischen 1882 und 1968 den Tod fanden. Rassismus und Krieg sind eben einfach nur zwei unterschiedliche Ausprägungen eines menschlichen Grundübels, nämlich Auseinandersetzungen nicht auf diplomatischem Weg lösen zu können oder zu wollen.

Gefangen in Niggertown
Es ist ein schmutziger kleiner Krieg
3-5-0-0
Nehmt die Waffen und beginnt das Töten

Three Five Zero Zero — es gibt kaum einen Krieg, in dem sich nicht eine Zahl wie diese finden lässt. In Afghanistan starben 3.500 ausländische Soldaten, insgesamt gab es über eine halbe Million Tote. Im Irakkrieg wurden allein im Jahr 2006 gemäß den Vereinten Nationen 35.000 Zivilisten getötet, der gesamte Krieg forderte laut einer Lancet-Studie 655.000 zivile Opfer: Six Five Five Zero Zero Zero. Oder der Jemen: Dort sind seit 2014 etwa 350.000 Menschen durch den Krieg gestorben. Und etwa 3.500 Zivilisten wurden im Ukrainekrieg bereits bis zum russischen Einmarsch 2022 getötet; insgesamt waren es bis zu diesem Zeitpunkt 14.400 Tote. Wie viele Menschen nach diesem Zeitpunkt gestorben sind, den viele Medien als eigentlichen Kriegsbeginn definieren und dabei die Vorgeschichte ausblenden, ist unbekannt. Wegen der Kriegspropaganda auf beiden Seiten sind darüber keine verlässlichen Zahlen zu finden, eine Verhundertfachung der Opferzahlen ist aber nicht unrealistisch. Das über 50 Jahre alte Lied ist also unverändert relevant in einer Zeit, in der allein die USA bereits 2,5 Milliarden Dollar in die Rüstung investieren — und zwar täglich! Two Five Zero Zero Zero Zero Zero Zero Zero Zero Zero.

Die Kraft der vielen Kehlen scheint uns zu sagen: Wir können den Wahnsinn beenden, wenn wir nur zahlreich genug sind.

Es bleibt ein Rätsel, wie sich die Grünen bei einstigen Parteithemen wie Pazifismus, Selbstbestimmung oder Ablehnung von Gentechnik um 180 Grad drehen konnten, ohne auseinanderzubrechen: Keine andere Partei treibt derzeit so sehr zum Krieg an und hetzte so sehr gegen COVID-Ungeimpfte, die man zur Einnahme von gentechnischen Therapeutika zwingen wollte. Wie soll Frieden entstehen und bestehen in einer Gesellschaft ohne Toleranz, Empathie und individuelle Freiheit? Im „Hair“-Film wird die subversiv wirkende Musik martialisch zum Schweigen gebracht: Militärpolizisten feuern so lange auf den Lautsprecher, bis er zerfetzt vom Mast fällt. Doch die Musik lebt weiter, in den Köpfen und Herzen der Menschen, die für eine bessere Welt kämpfen. Denn wie es im Lied heißt: „Es gibt keine Möglichkeit, den Krieg zu gewinnen. Der menschliche Fehler liegt in der Suche nach einem Sieger.

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Klänge gegen Kanonen

Aufgerissen durch Metallexplosionen Gefangen im Stacheldraht Feuerball Slap-Bass und Snare-Drum knallen wie Peitschenhiebe, der Funk-Beat schreitet im Gleichschritt der Soldaten. Die verzerrte Gitarre trudelt wie eine Alarmsirene oder eine Rakete von rechts nach links durch den Stereo-Raum. Dieses akustische Spektakel dröhnt überraschend aus einem großen Lautsprecher, während ein General seine Soldaten auf den Krieg einschwört — den Vietnamkrieg. Sie sind nur eine Masse für ihn, die bewegt und dirigiert werden muss. Wegen des Krachs aus dem Lautsprecher muss der General seine Rede unterbrechen; er kocht vor Wut, während seine Untergebenen vergeblich versuchen, die laute Musik abzustellen. Die Soldaten feixen, ihre Disziplin scheint sich plötzlich in Nichts aufzulösen. Es ist eine Schlüsselszene im 1967 erschienenen Rock-Musical „Hair“, das Miloš Forman 1979

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