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Die neue Generation des Aufstands in Frankreich

Published On: 1. Juli 2023 18:09

Von Dr. Karin Kneissl

Fast wie Drehbücher einer TV-Serie gleichen einander die Ereignisse: Im Herbst 2005 starben zwei arabischstämmige Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei an einem Stromschlag; diesmal erschoss ein Polizist einen jungen Franko-Algerier, als er mit einem gestohlenen PKW flüchten wollte. Die Szene wird auf einem Video gefilmt und gelangt in die sozialen Netzwerke, ähnlich wie vor drei Jahren im Falle Floyd in den USA, was zu den „Black lives matter“-Demonstrationen weltweit führte.

In den darauffolgenden Stunden randalieren Zehntausende meist junge Männer, darunter sehr viele Minderjährige, in den Vororten, den „Banlieues“, der französischen Großstädte von Nantes im Norden bis Marseille im Süden. Mehr Autos als an den sonstigen Wochenenden werden abgefackelt, öffentliche Gebäude wie Schulen attackiert, Geschäfte geplündert. Hunderte Menschen werden verhaftet. In einigen Orten sollen die Täter, zum Großteil Nachkommen von Migranten in dritter und vierter Generation, sogar schwere Waffen verwenden und damit die Bevölkerung in den Sozialbauten drangsalieren.

Tiktok ist schuld

Die Regierung reagiert mit dem Einsatz von Panzern, große öffentliche Veranstaltungen, wie Konzerte, werden abgesagt. Zudem verkündete Präsident Emmanuel Macron, der ironischerweise den gescheiterten EU-Gipfel zur Migration vorzeitig verließ, dass die sozialen Netzwerke, vor allem Tiktok für die Eskalation der Gewalt kausal seien. Macron verlangt daher in direkten Gesprächen mit den Medienplattformen die Löschung „sensibler Inhalte“ und mehr Kontrolle. Bereits am Freitag wurden Twitter-Konten in Frankreich gesperrt, die Bilder von den Ausschreitungen zeigten, auch wenn die betroffenen Inhaber dieser Konten nicht in Frankreich leben und an sich keinen medienrechtlichen Straftatbestand erfüllten. Der Staatschef nimmt auch die Eltern der Minderjährigen in die Pflicht. Zur Erinnerung: Sein Vorgänger Nicolas Sarkozy hatte anlässlich der wachsenden Gewalt von Schulschwänzern die Sozialleistungen für die betroffenen Familien gekürzt. Das ist auch schon 15 Jahre her.

Doch lässt sich mit diesen Maßnahmen, wie kampfbereiten Panzern auf den wesentlichen Verkehrsachsen und einer Zensur der sozialen Medien sowie Druck auf die Eltern der Minderjährigen, die Gewalt jetzt sofort und dauerhaft unter Kontrolle bringen? Das ist zu bezweifeln. Auch wenn Frankreich mit solchen Aufständen regelmäßig in die internationalen Schlagzeilen kommt, so ist die Schuld auch nicht allein bei den Behörden zu suchen. Es handelt sich um ein tiefes Dilemma, das die französische Gesellschaft in Mark und Bein erschüttert. Dabei werden Migration und Integration in Frankreich besser verwaltet, als dies in Deutschland oder Österreich der Fall ist.

Die republikanischen Errungenschaften Franzose zu werden ist relativ einfach: Man muss Französisch sprechen und sich zu den Idealen der Republik, wie der klaren Trennung von Politik und Religion, bekennen; Stichwort Kopftuchverbot im öffentlichen Raum. Auf Ämtern oder in Krankenhäusern in Frankreich wird man niemals Hinweise in anderen Sprachen als Französisch sehen. Das Sprachproblem, das Integration vor allem in Deutschland und Österreich erschwert, existiert nicht in Frankreich. Die Immigrationsstellen finanzieren Dolmetscher, sämtliche Hinweise sind indes auch in Arabisch, Türkisch und weiteren Sprachen in den Wiener Spitälern verfasst. Die Kommunikation scheitert schon an der Sprache, das ist in Frankreich nicht der Fall.

Das Gros der Immigranten in Frankreich stammt aus den ehemaligen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent, und die Menschen beherrschen die französische Sprache. Algerien war sogar bis ins Jahr 1961 Teil des französischen Staatsgebiets. Die Migration in Richtung Frankreich erfolgte in Wellen. Der Algerienkrieg war ein wesentliches Kapitel, da unter anderem Hunderttausende Araber nach der Unabhängigkeit flohen, weil sie zum Beispiel mit den Franzosen kooperiert hatten. Aus der politischen Emigration von Dichtern und Intellektuellen in den 1970er und 1980er Jahren wurde zunehmend eine wirtschaftliche Migration, verstärkt vom Bevölkerungsdruck und dem Schlepperwesen im Mittelmeerraum.

Mit dem sogenannten Barcelona-Prozess im Jahre 1995 wollte vor allem Frankreich dieser unkontrollierten Zuwanderung einen Riegel vorschieben und initiierte gemeinsam mit Italien und Spanien eine Serie von Assoziierungsabkommen mit den Staaten im südlichen und östlichen Mittelmeerraum, um die Menschen durch Investitionen in ihren Heimatländern zu halten. Die Programme scheiterten und führten teils sogar zu weiterem sozialen Gefälle. Die arabischen Revolten im Jahre 2011 traten weitere Migrationswellen los, zumal auch die einstigen „Partner“ in der Kontrolle der nordafrikanischen Fluchtrouten, wie der libysche Staatschef Muammar al Gaddafi, durch französische Militärinterventionen im Namen der Humanität weggebombt wurden.

Bei allen Problemen, die sich vor allem für die dritte und vierte Generation der Zuwanderer stellen, so bietet der französische Wohlfahrtsstaat die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs. Das öffentliche Bildungswesen hat ein höheres Niveau als im deutschen Sprachraum, wo in den Grundschulen in manchen Städten mehr als 90 Prozent der Kinder nicht

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Von Dr. Karin KneisslFast wie Drehbücher einer TV-Serie gleichen einander die Ereignisse: Im Herbst 2005 starben zwei arabischstämmige Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei an einem Stromschlag; diesmal erschoss ein Polizist einen jungen Franko-Algerier, als er mit einem gestohlenen PKW flüchten wollte. Die Szene wird auf einem Video gefilmt und gelangt in die sozialen Netzwerke, ähnlich wie vor drei Jahren im Falle Floyd in den USA, was zu den „Black lives matter“-Demonstrationen weltweit führte.In den darauffolgenden Stunden randalieren Zehntausende meist junge Männer, darunter sehr viele Minderjährige, in den Vororten, den „Banlieues“, der französischen Großstädte von Nantes im Norden bis Marseille im Süden. Mehr Autos als an den sonstigen Wochenenden werden abgefackelt, öffentliche Gebäude wie Schulen attackiert, Geschäfte geplündert. Hunderte

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