analyse-des-interviews-der-nzz-vom-5.-dezember-2023-zwischen-katharina-fontana-(nzz)-und-nora-kronig-(bag)-mit-dem-titel-„frau-botschafterin-kronig:-taeuschen-sie-uns-nicht!Analyse des Interviews der NZZ vom 5. Dezember 2023 zwischen Katharina Fontana (NZZ) und Nora Kronig (BAG) mit dem Titel "Frau Botschafterin Kronig: Täuschen Sie uns nicht!
nach-den-angriffen-der-huthis:-reedereien-stellen-weltweit-den-containerverkehr-durch-das-rote-meer-einNach den Angriffen der Huthis: Reedereien stellen weltweit den Containerverkehr durch das Rote Meer ein
offen-sprechen

Offen sprechen

Published On: 17. Dezember 2023 12:00

Dem deutschen Kulturbetrieb wird vorgeworfen, angesichts des Terrors der Hamas am 7. Oktober in Israel ein beunruhigendes Schweigen zu bewahren. Es wird behauptet, dass Menschlichkeit und Empathie fehlen. Unter dem Motto „Gegen das Schweigen, gegen Antisemitismus“ fand am 27. November ein Solidaritätskonzert im Berliner Ensemble statt, das viel mediale Aufmerksamkeit erhielt. Es wurde gezeigt, was getan werden muss, um sich über moralische Bedenken hinwegzusetzen. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass auch die restliche Kulturszene nicht unwidersprochen im Zwielicht der Kritik stehen gelassen werden sollte. Das vermeintliche Schweigen ist sicherlich kein Schweigen aus Gleichgültigkeit oder emotionaler Distanz. Es ist vielmehr eine große Traurigkeit, in der das schnelle Urteilen nicht empfohlen wird. Es ist ein Schweigen aus Ratlosigkeit und wahrscheinlich auch aus Rücksichtnahme. Denn wer jetzt sein Schweigen bricht, muss Klartext reden. Dieser Mut wurde auf der Bühne des Berliner Ensembles weitgehend vermisst.

Was derzeit im Nahen Osten und darüber hinaus eskaliert, ist nicht das Ergebnis von Antisemitismus, sondern von Anti-Politik. Seit über 70 Jahren sind Araber und Juden nicht bereit, dieses geschichtsträchtige Palästina friedlich miteinander zu teilen. Die internationale Gemeinschaft, die die Gründung des Staates Israel nicht gerade sensibel eingeleitet hat, ist unfähig, eine dauerhafte, tragfähige Lösung anzubieten. Künstler und Intellektuelle haben in all den Jahren versucht, mit Empathie Fremdheit und Hass entgegenzutreten und stattdessen Brücken des gegenseitigen Verständnisses zu bauen. Aber auch sie stehen vor einem Scherbenhaufen. Man kann sie jedoch nicht für das Scheitern verantwortlich machen. Die Berichte der Überlebenden des Pogroms der Hamas im Kibbuz Kfar Aza und Umgebung sind entsetzlich und jeder mit einem Herz möchte ihnen Trost spenden. Dennoch ist die Forderung nach bedingungsloser Solidarität mit Israel zu kurz gedacht. Denn wer oder was ist Israel? Die Gesellschaft ist tief gespalten – es besteht eine tiefe Kluft zwischen den Anhängern der ultrarechten Regierung Netanjahu und den meist säkularen Israelis, die seit Monaten demokratische Strukturen verteidigen. Israelische Künstler und Intellektuelle haben Kanzler Scholz gebeten, den Berlin-Besuch von Benjamin Netanjahu abzusagen, weil die Einladung des Chefs der rechtesten Regierung, die Israel je hatte, der Demokratiebewegung im Land schadet. Doch die Staatsräson ging vor dem Verlust der Demokratie. Angesichts des Kriegsrechts sind die Protestierenden nun auch verstummt. Was unterscheidet das Schweigen dieser Verbündeten von unserem eigenen Schweigen? Wie soll man erklären, dass ausgerechnet im von Shoa-Überlebenden gegründeten Staat mehrheitlich rechtsextrem gewählt wurde? Dass der Finanzminister Bezalel Smotrich, der sich selbst als „faschistischen Homophoben“ bezeichnet, von Netanjahu die Kontrolle über große Teile der besetzten Gebiete übertragen bekommen hat – und dort ein anderes Rechtssystem gegenüber den Palästinensern durchsetzt als für die benachbarten israelischen Siedler. Amnesty International, Human Rights Watch und jüdische Intellektuelle in Israel, Europa und den USA haben die Besatzung als Apartheid verurteilt. Wie soll man die Provokation verkraften, wenn der Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, der auch für die besetzten Gebiete zuständig ist, als „religiöser Faschist“ bezeichnet wird? Dies hat dazu geführt, dass das moralische Gefüge in der israelischen Gesellschaft erodiert, wie der Politologe der Ben-Gurion-Universität Dani Filc feststellt. „Die jahrzehntelange Besatzung der Palästinenser-Gebiete braucht Rassismus, um sich zu legitimieren. Das bringt gewisse Tabus zum Bruch.“ Wer jetzt beschließt, nicht zu schweigen, muss diese Tabus benennen. Dies fehlte bei der Veranstaltung im Berliner Ensemble, die von Vertretern der Kulturszene begleitet wurde und viel Lob von den Medien erhielt. Dort wurde das Narrativ des Antisemitismus als Erklärung für Hass und Gewalt verwendet und der Kampf dagegen als wichtigste Voraussetzung für die Beilegung des Konflikts beschworen. Doch der Begriff des Antisemitismus ist unbrauchbar und verwirrend. Er lenkt die Debatte von den realen politischen Fehlern auf eine schwer fassbare irrationale Ebene. Natürlich spricht nichts dagegen, gemeinsam wunderbare Musik zu hören oder kluge Texte der klassischen Weltliteratur oder eigene ältere Texte anzuhören, die belegen, dass man immer auf der Seite des Guten stand. Aber das Ganze hat auch etwas von einem Ablasshandel. Wer nur laut genug den vermeintlichen Antisemitismus beklagt, wird öffentlich entlastet und auf die richtige Seite gestellt, sei es im Publikum oder noch besser auf der Bühne. Und auch die nächsten geplanten Solidaritätskonzerte dieses Formats werden in vier Minuten ausverkauft sein, weil die mediale und vielleicht auch persönliche Schuldentlastung so gut funktioniert. Für einen Menschen mit humanistischer Gesinnung ist es in gewisser Weise auch eine Zumutung, das Offensichtliche öffentlich bekennen zu müssen, nä

Original Artikel Teaser

Tacheles reden

Dem deutschen Kulturbetrieb ist angesichts des Terrors der Hamas am 7. Oktober in Israel ein unheimliches Schweigen vorgeworfen worden – man vermisse Menschlichkeit und Empathie. Unter dem Motto „Gegen das Schweigen, gegen Antisemitismus“ hat am 27. November ein sicher gut gemeintes Solidaritätskonzert im Berliner Ensemble unter viel medialem Beifall demonstriert, was man tun muss, um sich über derart moralische Fragwürdigkeit zu erheben. Man sollte aber die übrige Kulturszene nicht unwidersprochen im Zwielicht des Tadels stehen lassen. Denn das vermeintliche Schweigen ist sicher kein Schweigen aus Gleichgültigkeit oder gar emotionaler Distanz. Es ist eine große Traurigkeit ausgebrochen, in der sich das schnelle Bescheidwissen nicht empfiehlt. Es ist ein Schweigen aus Ratlosigkeit und wohl auch aus Rücksichtnahme. Denn wer jetzt sein Schweigen

Details zu Tacheles reden

analyse-des-interviews-der-nzz-vom-5.-dezember-2023-zwischen-katharina-fontana-(nzz)-und-nora-kronig-(bag)-mit-dem-titel-„frau-botschafterin-kronig:-taeuschen-sie-uns-nicht!Analyse des Interviews der NZZ vom 5. Dezember 2023 zwischen Katharina Fontana (NZZ) und Nora Kronig (BAG) mit dem Titel "Frau Botschafterin Kronig: Täuschen Sie uns nicht!
nach-den-angriffen-der-huthis:-reedereien-stellen-weltweit-den-containerverkehr-durch-das-rote-meer-einNach den Angriffen der Huthis: Reedereien stellen weltweit den Containerverkehr durch das Rote Meer ein