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Offen und ehrlich sprechen

Published On: 17. Dezember 2023 12:00

Dem deutschen Kulturbetrieb wird vorgeworfen, angesichts des Terrors der Hamas in Israel am 7. Oktober ein beunruhigendes Schweigen zu bewahren. Es wird behauptet, dass Menschlichkeit und Empathie fehlen. Unter dem Motto „Gegen das Schweigen, gegen Antisemitismus“ fand am 27. November ein Solidaritätskonzert im Berliner Ensemble statt, das viel mediale Aufmerksamkeit erhielt und zeigte, was getan werden muss, um sich über moralische Bedenken zu erheben. Es ist jedoch wichtig, dass auch der Rest der Kulturszene nicht unwidersprochen im Zwielicht der Kritik steht. Das vermeintliche Schweigen ist kein Ausdruck von Gleichgültigkeit oder emotionaler Distanz, sondern vielmehr ein Ausdruck von Traurigkeit, Ratlosigkeit und Rücksichtnahme. Es ist schwierig, in dieser Situation die richtigen Worte zu finden. Diejenigen, die jetzt ihr Schweigen brechen, müssen Klartext reden. Dieser Mut wurde auf der Bühne des Berliner Ensembles weitgehend vermisst.

Was derzeit im Nahen Osten und darüber hinaus eskaliert, ist nicht das Ergebnis von Antisemitismus, sondern von Anti-Politik. Seit über 70 Jahren sind Araber und Juden nicht bereit, sich das historisch bedeutsame Palästina friedlich zu teilen. Die internationale Gemeinschaft, die die Gründung des Staates Israel nicht sensibel genug begleitet hat, ist nicht in der Lage, eine dauerhafte und tragfähige Lösung anzubieten. Künstler und Intellektuelle haben in all den Jahren versucht, mit Empathie Fremdheit und Hass entgegenzutreten und Brücken des gegenseitigen Verständnisses zu bauen. Doch auch sie stehen vor einem Scherbenhaufen. Die Berichte der Überlebenden des Pogroms der Hamas im Kibbuz Kfar Aza und Umgebung sind entsetzlich und es ist verständlich, dass man ihnen tröstend zur Seite stehen möchte. Dennoch ist die Forderung nach bedingungsloser Solidarität mit Israel zu kurz gedacht. Die israelische Gesellschaft ist tief gespalten, insbesondere zwischen den Anhängern der ultrarechten Regierung Netanjahu und den meist säkularen Israelis, die seit Monaten für demokratische Strukturen auf die Straße gehen. Israelische Künstler und Intellektuelle haben im März dieses Jahres Kanzler Scholz gebeten, den Berlin-Besuch von Benjamin Netanjahu abzusagen, da die Einladung des rechtesten Regierungschefs in der Geschichte Israels der Demokratiebewegung im Land schade. Doch die Staatsräson ging vor dem Verlust der Demokratie. Angesichts des Kriegsrechts sind die Protestierenden nun auch verstummt. Was unterscheidet das Schweigen unserer Verbündeten von unserem eigenen Schweigen? Wie erklärt man sich, dass ausgerechnet im von Shoa-Überlebenden gegründeten Staat eine rechtsextreme Regierung gewählt wurde? Amnesty International, Human Rights Watch und jüdische Intellektuelle in Israel, Europa und den USA haben die Besatzung als Apartheid verurteilt. Die Provokationen nehmen zu, wenn der Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, der einst wegen Unterstützung terroristischer Vereinigungen verurteilt wurde, als „religiöser Faschist“ bezeichnet wird. Es ist an der Zeit, diese Tabus zu benennen. Dies fehlte bei der Veranstaltung im Berliner Ensemble, die von Vertretern der Kulturszene begleitet wurde. Dort wurde das Narrativ des Antisemitismus als Erklärung für Hass und Gewalt verwendet und der Kampf dagegen als wichtigste Voraussetzung für die Beilegung des Konflikts beschworen. Doch der Begriff des Antisemitismus ist unbrauchbar und verwirrend. Es ist wichtig, gemeinsam Musik zu hören und weise Texte der klassischen Weltliteratur zu genießen, aber es hat auch etwas von Ablasshandel. Wer laut genug den vermeintlichen Antisemitismus beklagt, wird öffentlich exkulpiert und auf die richtige Seite gestellt. Die nächsten geplanten Solidaritätskonzerte dieses Formats werden in kürzester Zeit ausverkauft sein, weil die mediale und persönliche Schuldbefreiung so gut funktioniert. Es ist eine Zumutung für Menschen mit humanistischer Gesinnung, dass sie öffentlich bekennen müssen, dass sie Antisemitismus verurteilen und die brutale Attacke der Hamas ablehnen. Was jetzt wirklich gebraucht wird, sind Vorschläge für Friedenslösungen. Nur so kann die Existenzgrundlage der Hamas entzogen werden. Wenn solche Lösungen auch von Kulturschaffenden kommen, umso besser. Ihre Hauptaufgabe ist es jedoch nicht. Sie sind auf ihre Art für das Menschliche zuständig, für die Überwindung von Fremdheit. Hier muss der Toleranzgedanke immer wieder verteidigt werden. Das hat die 102-jährige Shoa-Überlebende Margot Friedländer atemberaubend im Berliner Ensemble getan, indem sie betonte, dass es kein christliches, muslimisches oder jüdisches Blut gibt und dass wir alle Menschen sind. Wir müssen achtsam und menschlich sein. Dafür hat sich das Solidaritätskonzert allemal gelohnt

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Tacheles reden

Dem deutschen Kulturbetrieb ist angesichts des Terrors der Hamas am 7. Oktober in Israel ein unheimliches Schweigen vorgeworfen worden – man vermisse Menschlichkeit und Empathie. Unter dem Motto „Gegen das Schweigen, gegen Antisemitismus“ hat am 27. November ein sicher gut gemeintes Solidaritätskonzert im Berliner Ensemble unter viel medialem Beifall demonstriert, was man tun muss, um sich über derart moralische Fragwürdigkeit zu erheben. Man sollte aber die übrige Kulturszene nicht unwidersprochen im Zwielicht des Tadels stehen lassen. Denn das vermeintliche Schweigen ist sicher kein Schweigen aus Gleichgültigkeit oder gar emotionaler Distanz. Es ist eine große Traurigkeit ausgebrochen, in der sich das schnelle Bescheidwissen nicht empfiehlt. Es ist ein Schweigen aus Ratlosigkeit und wohl auch aus Rücksichtnahme. Denn wer jetzt sein Schweigen

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