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Sieben Minuten, dann waren die Passagiere der „Landshut“ frei

Published On: 18. Oktober 2021 18:27

Am 18. Oktober 1977 stürmte die GSG 9 die entführte Lufthansa-Maschine in Mogadischu. Der „Deutsche Herbst“ endete mit einer völligen Niederlage der Linksterroristen. Seine Ausläufer reichen allerdings weit – bis in die Gegenwart.

picture alliance/dpa | Felix Kästle

Die Lufthansa-Maschine Landshut steht in Friedrichshafen in einem Hangar des Dornier Museums

Die vier Mitglieder des Kommandos „Martyr Halimeh“ hatten die Passagiere der Lufthansa-Maschine „Landshut“ schon mit Alkohol übergossen, damit sie besser brennen sollten. Das Quartett hielt Handgranaten bereit und machte eine 500-Gramm-Ladung Plastiksprengstoff fertig. Alle – die Entführer, die Besatzungsmitglieder und die Passagiere – wussten, dass die nächsten 90 Minuten an diesem 18. Oktober 1977 in Mogadischu über ihr Leben entscheiden würden. Um 1.30 Uhr morgens lief das letzte Ultimatum der PFLP-Terroristen ab. Sollten bis dahin nicht die RAF-Mitglieder aus Stuttgart-Stammheim, mehrere PFLP-Angehörige aus israelischen Gefängnissen entlassen und 15 Millionen Dollar Lösegeld bereitgestellt worden sein, dann, so kündigte das Kommando an, würden sie die Maschine mit 86 Passagieren und vier Besatzungsmitgliedern in die Luft sprengen. Den Flugkapitän Jürgen Schumann hatte der Anführer der „Martyr Halimeh“ schon mit einem Kopfschuss getötet, um zu zeigen, dass die Entführertruppe es ernst meinte.

Nach einem langen Irrflug war die „Landshut“, die Mallorca am 13. Oktober verlassen hatte, über Rom, Larnaka und Dubai am 17. Oktober nach Mogadischu gelangt, in das Somalia des Herrschers Siad Barre. Es war die letzte Station; kein anderes Land war mehr bereit, dem Flugzeug eine Landeerlaubnis zu erteilen.

Die eigentliche Entscheidung auf Leben und Tod hatte Tage zuvor schon ein anderer getroffen: Bundeskanzler Helmut Schmidt. Er entschied, die Häftlinge in Stammheim nicht im Austausch für den von der RAF entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer freizulassen. Und auch nicht für die Menschen in der „Landshut“. Stattdessen gab er Ulrich Wegener, dem Kommandeur der GSG 9, einen Auftrag, wie ihn keiner seiner Vorgänger und Nachfolger je erteilen musste: die Maschine stürmen, die Terroristen außer Gefecht setzen, die Geiseln befreien.

Für den Fall, dass die Aktion in einem blutigen Desaster enden sollte, formulierte Schmidt schon sein Rücktrittsschreiben. Am 17. Oktober tagsüber hatte das GSG-9-Kommando seine Vorbereitungen für den Zugriff noch nicht abschließen können. Sie brauchten noch Zeit. Das erste Ultimatum sollte eigentlich schon an diesem Nachmittag um 15 Uhr enden. Schmidts Emissär in Mogadischu, Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski, ließ den Entführern deshalb übermitteln, die Bundesregierung sei jetzt bereit, ihren Forderungen nachzugeben. Sie bräuchte allerdings noch Zeit, um die RAF-Mitglieder von Stammheim nach Somalia zu schaffen.

Sowohl der Name des Terroristenquartetts „Martyr Halimeh“ als auch der Kampfname des Anführers Youssif Akache, „Martyr Muhamad“, wiesen auf eine andere Terroraktion gut ein Jahr vorher hin: Am 27. Juni 1976 entführte eine Truppe der PFLP unter Kommando des Deutschen Wilfried Böse eine Air-France-Maschine von Tel Aviv in das ugandische Entebbe, wo sie von dem Diktator Idi Amin als antiimperialistische Kampfgefährten begrüßt worden waren. Böse, Kampfname „Mahmud“, und Brigitte Kuhlmann, Kampfpseudonym „Halima“, waren von den deutschen „Revolutionären Zellen“ zu den palästinensischen Terroristen gestoßen.

Mit der Entführung wollte das Kommando die Freilassung von 40 Mitgliedern der PFLP und der Fatah aus israelischen Gefängnissen sowie von Angehörigen der RAF und der Bewegung „2. Juni“ aus deutschen Haftanstalten erzwingen. Unter der Leitung Böses und Kuhlmanns suchten die Terroristen unter den insgesamt 253 Passagieren die jüdischen Fluggäste heraus – oder diejenigen, die sie aufgrund des Namens für jüdisch hielten –, insgesamt 77 Israelis und fünf weitere Geiseln. Die anderen ließen sie gehen. In der Öffentlichkeit ist es heute kaum noch präsent, dass die erste Selektion von Juden und Nichtjuden nach dem 2. Weltkrieg durch deutsche Linksextremisten durchgeführt wurde. Die Air-France-Besatzung blieb bei den Geiseln, obwohl es ihr freigestellt war, den Flughafen in Entebbe ebenfalls zu verlassen.

Am 4. Juli 1976 landete ein israelisches Spezialkommando auf dem Rollfeld, erschoss Böse, Kuhlmann und die anderen Mitglieder des Terrorkommandos und etliche Soldaten Idi Amins und flog die befreiten Geiseln über Kenia aus. Die israelische Operation „Thunderbolt“ (später umbenannt in „Operation Yonatan“ zu Ehren des bei der Aktion gefallenen Yonatan Netanyahu, Bruder des späteren Ministerpräsidenten) war in vielem Vorbild des Unternehmens „Feuerzauber“ der GSG 9, das am 18. Oktober um fünf Minuten nach Mitternacht begann. Wegeners Männer hatten es geschafft, sich unbemerkt der Maschine zu nähern. Sie drangen über beide Eingänge in das Flugzeug ein, nahmen den Entführern mit Blendgranaten die Orientierung, töteten drei Terroristen, und schossen die vierte, Souhaila Andrawes, kampfunfähig. Von den Geiseln wurde nur die Stewardess Gabriele Dillmann verletzt. Insgesamt dauerte das Gefecht sieben Minuten. Um 00.12 Uhr meldete Wischnewski den erfolgreichen Abschluss der Operation „Feuerzauber“ nach Bonn.

Damit war der Versuch, die RAF-Häftlinge in Stammheim freizubekommen, endgültig gescheitert. Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin töteten sich mit einer Waffe, die sie mit Hilfe ihrer Anwälte eingeschmuggelt hatten. Nur Irmgard Möller überlebte die Nacht von Stammheim schwer verletzt. Einen Tag später gab die draußen operierende RAF-Gruppe die Ermordung Schleyers bekannt. Seine Leiche lag im Kofferraum eines Audi 100 im elsässischen Mühlhausen. Damit endete der „Deutsche Herbst“ mit der vollständigen Niederlage der Linksterroristen.

Die langen Ausläufer des „Deutschen Herbstes“ vor 44 Jahren reichen bis heute. Durch linksradikale Kreise geistert bis heute die längst widerlegte Legende vom staatlichen Mord in Stammheim. Die Namen Böse und Kuhlmann, die Selektion von Entebbe sind nur noch wenigen geläufig. Die verbliebenen RAF-Mitglieder mordeten weiter, auch mit Unterstützung der Staatssicherheit, die ihnen in der DDR einen sicheren Hafen bot. Erst in den neunziger Jahren erklärte die linksextremistische Terrororganisation, die angetreten war, um eine kommunistische Diktatur zu errichten, ihre Auflösung. Bis heute verklärt die Organisation „Rote Hilfe“ die RAF-Terroristen als „politische Gefangene“. Ein prominenter Unterstützer der „Roten Hilfe“ könnte möglicherweise als Staatssekretär in die nächste Bundesregierung einrücken: Kevin Kühnert, Vizechef der Partei, die einmal die SPD von Helmut Schmidt war.

Die rekonstruierte „Landshut“ soll demnächst in Friedrichshafen am Bodensee ausgestellt werden. Dafür engagiert sich seit Jahren Gabriele von Lutzau, die Stewardess, die damals im Jahr 1977 noch Dillmann hieß.

Ihr persönliches Motto lautet: „Mein Leben ist kein langer, ruhiger Fluss“.

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