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Weshalb ein Atomkrieg ausbrechen könnte

Published On: 28. April 2022 0:04

Veröffentlicht am 28. April 2022 von KD.

Red. Der Krieg in der Ukraine birgt die Gefahr einer Eskalation, bis hin zu einem Atomkrieg. Wie real dieses Risiko ist, erläutert Nikolai N. Sokov in einem Gespräch mit dem italienischen Journalisten und Autor Paolo Barnard. Volerelaluna hat Teile des Interviews transkribiert. – Anm. Transition News

Sokov ist ein führendes Mitglied des Zentrums für Abrüstung und Nichtverbreitung in Wien. Davor war er in leitender Funktion im Aussenministerium der Sowjetunion und später Russlands tätig. Er war auch russischer Verhandlungsführer bei den START-I- und START-II-Verträgen zur Eindämmung der Atomwaffenarsenale. Er ist zudem Autor wissenschaftlicher Texte über die Bedrohung durch einen Atomkrieg und Kommentator für renommierte wissenschaftliche Publikationen wie das Bulletin of the Atomic Scientists.

Im Gespräch enthüllt Sokov ein beunruhigendes und bisher unbekanntes Detail von Putins neuer russischer Militärdoktrin: Das Konzept der «nuklearen Deeskalation» – die genau das Gegenteil von dem ist, was der Name vermuten lässt.

Wladimir Putin behält sich seit mehr als zwei Jahrzehnten die Option vor, einen begrenzten Nuklearschlag gegen westliche militärische Ziele zu führen, falls sich die NATO oder die USA in Konflikte einmischen, in denen Russland nationale Sicherheitsinteressen vertritt. Und diese Definition passt genau auf den heutigen Konflikt in der Ukraine.

Denn die NATO und die USA schaffen durch die Bewaffnung der Ukraine die perfekten Bedingungen für einen russischen «nuklearen Deeskalations»-Angriff. Sokov beleuchtet auch andere bedeutsame Aspekte der Krise und enthüllt Schockierendes über den US-Präsidenten Joe Biden.

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Paolo Barnard: Dr. Sokov, wir brauchen ein wenig Kontext, bevor wir zum Kern kommen. Wladimir Putin prangert die NATO-Osterweiterung seit Jahren als «existenzielle Bedrohung» für sein Land an und macht sie für das, was er «Mütterchen Russland» nennt, zu einer Frage von Leben und Tod. Für uns klingt das wie Propaganda für den heimischen Konsum, doch was ist, wenn er das wirklich glaubt?

Nikolai N. Sokov: Zunächst einmal muss man verstehen, dass zu Boris Jelzins Zeiten die NATO-Osterweiterung als Bedrohung für die politische Isolierung Russlands und nicht als militärische Gefahr wahrgenommen wurde. Moskau befürchtete, seine Bedeutung innerhalb der OSZE zu verlieren und damit von zentralen Entscheidungen abgeschnitten zu werden. Der grosse Wendepunkt war dann der Kosovo-Krieg der NATO in den Jahren 1998 bis 1999. Damals hat das atlantische Bündnis ein Gebiet unter russischem Einfluss angegriffen, ohne eine Resolution des UN-Sicherheitsrates zu erwirken, in dem Moskau glaubte, durch sein Veto die Kriegsambitionen der USA stoppen zu können.

Dies war ein Schock für den Kreml, denn es bedeutete, dass die NATO überall nach Belieben angreifen konnte und somit kein Verteidigungsbündnis mehr war, sondern ein Angriffsbündnis. Im Kosovo wurde auch die immense Überlegenheit der USA bei konventionellen Langstreckenwaffen deutlich. Moskau war sich nämlich darüber im Klaren, dass es in einem Konflikt mit dem Westen besiegt werden würde, noch bevor es am Boden kämpft. Schliesslich die ukrainische Frage: Dem Kreml war klar, dass kurz nach dem nun sicheren Beitritt Kiews zur NATO diese hochmodernen westlichen konventionellen Langstrecken-Sprengköpfe auf ukrainischem Boden auftauchen würden, und hier verstehe ich, wie die russische Führung begann, die so genannte existenzielle Bedrohung des Landes wahrzunehmen.

B: Im Jahr 2015 wandte sich Putin in St. Petersburg mit knappen Worten an die internationale Presse: «Wie können Sie nicht verstehen, dass die NATO die Welt in eine unumkehrbare Konfrontation treibt? Ich weiss wirklich nicht mehr, wie ich Ihnen das erklären soll!». Er bezog sich dabei auf die Aufstellung von Tomahawk-Raketenabwehrsystemen mit grosser Reichweite, die, wenn sie in der Ukraine stationiert sind, Moskau in etwa vier Minuten erreichen können und eine Verteidigung unmöglich machen.

S: Ganz genau. Vor den Toren Russlands wiederholte sich, was Anfang der 1980er Jahre geschah. Damals stationierten die beiden Supermächte in Europa Atomraketen mittlerer Reichweite, die unter das Abrüstungsabkommen INF fallen. Diese hätten die UdSSR von Deutschland aus innerhalb von sieben Minuten erreichen konnten und umgekehrt – womit eine mikroskopisch geringe Reaktionszeit zur Verfügung stand, in der es nicht möglich wäre, das Ereignis zu überprüfen oder mit der Führung der anderen Seite Kontakt aufzunehmen. Mit einer Ukraine, die NATO-Raketen beherbergt, würde sich diese Situation für den Kreml noch verschlimmern: Vier Minuten, wie Sie sagten.

Ich bedauere, dass nicht weniger als zwei Versuche ergebnislos geblieben sind, zwischen Washington und Moskau zu einem Vertrag zu kommen, um diese Bedrohung im Osten zu entschärfen: Im Dezember 2021 und im Januar 2022. Dies ist kurz gesagt der Kontext, aber wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass dies keine Rechtfertigung für eine Aggression gegen die Ukraine ist.

B: Soweit wir wissen, sind Sie der einzige Spezialist für nukleare Proliferation, der in den letzten Tagen Alarm geschlagen hat: Nämlich die konkrete Möglichkeit, dass Putin, wenn er in der Ukraine in die Enge getrieben wird, einen nuklearen Angriff anordnen wird, der völlig untypisch ist und «Deeskalation» genannt wird. Können Sie der Öffentlichkeit auch erklären, worum es hier geht?

S: Ja, eigentlich war ich der Einzige, denn ich war Beamter im sowjetischen und russischen Aussenministerium und kenne die Sprache sehr gut, die unsere Generäle ausserhalb der offiziellen Militärdoktrinen verwenden. Auch hier muss man auf das Kosovo im Jahr 1999 zurückblicken, als der Kreml erkannte, dass seine einzige Chance in einer künftigen Konfrontation mit den USA und der NATO in einem gezielten und begrenzten präventiven Nuklearangriff liegen würde. Diese Idee tauchte in den Diskussionen über die neue Militärdoktrin auf, die Putin als Präsident im Jahr 2000 unterzeichnete, und wurde von Insidern als «Deeskalation» bezeichnet.

Im Gegensatz zu dem, was der gesunde Menschenverstand vermuten lässt, wirkt ein demonstrativer Atomangriff, der auf bestimmte Ziele beschränkt ist, als Abschreckung/Schock, um den mächtigeren Gegner zu zwingen, seine konventionellen Waffeneinsätze gegen Russland unter Androhung des nuklearen Holocausts einzustellen. Das Ganze basiert auf dem Konzept, dass bei der Asymmetrie der Kräfte einer am meisten zu verlieren hat. Gewinnen tut der Schwächste: Derjenige, der alles aufs Spiel setzt. Wie Russland im Fall der Ukraine.

B: Bitte präzisieren Sie: Sie sprachen von einem gezielten und begrenzten präventiven Atomangriff. Italien hat NATO-Stützpunkte auf seinem Territorium … was wären die Ziele einer «Deeskalation»?

S: Militär, Militärbasen …

B: Können Sie Namen nennen? Aviano zum Beispiel?

S: Ja, Aviano ist eines der Ziele, denn bei einem Deeskalationsangriff würden als erstes die Luftwaffenstützpunkte der USA und der NATO betroffen sein. Neben Aviano umfasst die Liste zwei polnische, die deutschen und vor allem die britischen Stützpunkte. In den bis 2013 durchgeführten Simulationen gab es aber auch Stützpunkte auf amerikanischem Territorium. Wie Sie sehen, geht es bei der «Deeskalation» nicht um den Einsatz russischer taktischer Mittelstreckenwaffen, sondern um Langstreckenwaffen.

B: Sie schreiben: «Diese Drohung soll die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten davon abhalten, sich in Konflikte einzumischen, in denen Russland strategische Interessen verfolgt.» Das ist die Lehrbuchdefinition des Krieges in der Ukraine. Die NATO rüstet Kiew auf, aber ist sich das Bündnis darüber im Klaren, dass es den «perfekten Sturm» für einen russischen nuklearen «Deeskalations»-Angriff erzeugt?

S: Meiner Meinung nach würde Moskau auf eine anhaltende Einmischung der NATO in der Ukraine in erster Linie mit dem Abschuss gewöhnlicher, nicht-atomarer Raketen reagieren, da Russland heute den grossen Abstand zu den USA beim erwähnten konventionellen Langstreckenarsenal bis zu einem gewissen Grad geschlossen hat. Aber leider gibt es nur diesen einen Schritt zwischen dem heutigen Status quo und einem schockierenden russischen atomaren «Deeskalations»-Angriff. Das ist zu wenig.

B: Die Medien beschreiben Putins Krieg als Desaster: Truppen in Schwierigkeiten, Ziele nicht erreicht. Darüber hinaus wetterte der russische Präsident gegen «Verräter und den Abschaum im Inneren Russlands», womit er die Pazifisten im eigenen Land meinte. Er sagte, das Land sollte von ihnen «gesäubert» werden. Putin steht unter Druck, vielleicht verliert er den Verstand. Macht das einen «Deeskalations»-Angriff nicht noch wahrscheinlicher?

S: Hören Sie, unter diesen Bedingungen ist alles unvorhersehbar, ich habe keine Antwort auf Ihre Befürchtungen. Von allen Optionen, die dem Präsidenten zur Verfügung stehen, ist die «Deeskalation» per Definition sicherlich die unwahrscheinlichste, aber es gibt sie, und was alarmierend sein sollte, ist die völlige Irrationalität der jüngsten Entscheidungen von Wladimir Putin. Schlimmer noch: Dass der Präsident den schrecklichen Befehl zum Abschuss von atomaren Langstreckenraketen im Rahmen eines «Deeskalations»-Angriffs gibt, wird aufgrund der westlichen Bedingungen, um Frieden zu erreichen, sehr viel wahrscheinlicher. Wenn Putin erkennt, dass Bidens Schritte die Absicht beinhalten, einen Regimewechsel in Russland nach libyschem Vorbild herbeizuführen, dann werden die Atomwaffen tatsächlich eingesetzt.

B: Sind sich die wichtigsten politischen Führer der NATO, wie Biden, Scholz, Macron, Johnson, Draghi oder zum Beispiel Andrzej Duda, der russischen Bedrohung durch einen «Deeskalations»-Angriff bewusst?

S: Natürlich wissen sie das, und genau aus diesem Grund haben sie sich geweigert, die Ukraine mit einer Flugverbotszone zu schützen – nicht aus Angst vor einem gross angelegten nuklearen Holocaust, wie die westlichen Medien behaupten. Es ist die «Deeskalation», die sie dazu gebracht hat, in den sauren Apfel zu beissen, insbesondere im Fall von Macron, der dieses Pulverfass am besten entschärfen kann. Stattdessen war es Joe Biden, der einen dramatischen Fehler machte.

B: Welcher?

S: Als Biden Putin öffentlich als «Kriegsverbrecher» bezeichnete, machte er jeden künftigen Kontakt zwischen ihm und dem russischen Präsidenten praktisch unmöglich …

B: Erläutern Sie das bitte.

S: Biden hat jede Möglichkeit der direkten Kommunikation mit dem Leader einer atomaren Supermacht abgeschnitten, mit dem er am Rande eines historischen bewaffneten Konflikts oder gar eines nuklearen Holocausts steht. Ich war schockiert … das ist sehr gefährlich. Jetzt wird alles, selbst die dramatischsten Ereignisse, auf die zweite Ebene der Technokraten der beiden Supermächte zurückgestuft. (…) Der Präsident der Vereinigten Staaten hat sich in diese absurde Lage gebracht, die es seit den Tagen Kennedys und Chruschtschows nicht mehr gegeben hat und deren Folgen für die Menschheit fatal sein könnten.

B: Die Global Times, die offizielle englischsprachige Zeitung der Kommunistischen Partei Chinas, titelte gestern: «Die Beziehungen zwischen Russland und China sind das wichtigste strategische Gut, das durch die Provokationen der USA nicht beschädigt werden kann». Die fortgesetzte Expansion der NATO nach Osten hat Putin noch tiefer in die Arme Chinas getrieben. Ist das nicht ein gigantischer strategischer und wirtschaftlicher Fehler?

S: Absolut, das war ein strategischer Fehler, den wir jetzt damit bezahlen, dass China Putin unterstützt, obwohl es über dessen Vorgehen in der Ukraine meiner Meinung nach überhaupt nicht erfreut war. Bereits 2014, nach den bekannten Ereignissen in Kiew (Sturz des ukrainischen Präsidenten, Euromaidan-Protest), war klar, dass Russland und China plötzlich die militärische Zusammenarbeit im strategischen Luftraum für beide sichtbar verstärkt hatten. Danach hatten sie eine Art Bündnis gebildet – ohne Verpflichtung zum Krieg zur gegenseitigen Verteidigung – gegen die Entscheidung der Vereinigten Staaten und Grossbritanniens, Atom-U-Boote an Australien zu liefern. Und je mehr Russland durch den Westen geschwächt wird, desto mehr wird es sich auf China verlassen müssen.

B: Um ein letztes Mal zu einem «Deeskalations»-Angriff zurückkehren: Da die russische Militärdoktrin diesen mit der Angst rechtfertigt, in einer langfristigen Konfrontation mit dem Westen mit konventionellen Streitkräften unterzugehen, drängt Moskau auf eine umfassende Aufrüstung. Doch die Aufrüstung könnte weitere russische Aggressionen fördern. Kurzum, das Ideal des Friedens scheint immer weiter wegzurücken.

S: Sie sprechen einen erschreckenden Punkt an, der seit dem Ende des Kalten Krieges fast unbemerkt geblieben ist: Nach dem Abklingen der Spannung über den nuklearen Zusammenstoss zwischen den beiden Polen hat die Diplomatie die rasante Aufrüstung mit Lang- und Mittelstrecken-Präzisionsraketen, die die zerstörerischste Komponente aller konventionellen Waffen darstellen, völlig vergessen. Sie haben sich wild und ohne jegliche Kontrolle oder Absprache zwischen den Supermächten vermehrt. Paradoxerweise hat nur Russland Beschränkungen vorgeschlagen, die von den USA stets abgelehnt wurden. Sie haben Recht, der Frieden wird leider noch lange Zeit daran leiden.

B: Als Insider und Russe müssen Sie eine gute Vorstellung davon haben, welchen Rückhalt Putin in der Bevölkerung des Landes wirklich geniesst.

S: In den Umfragen wird er immer noch mit 70 Prozent unterstützt. Und selbst wenn man dieser Zahl skeptisch gegenübersteht, so ist doch mehr als die Hälfte der Russen mit Sicherheit auf seiner Seite. Das Wichtigste dabei ist jedoch, dass selbst diejenigen Russen, die mit Putins Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, nicht einverstanden sind, die NATO und die Vereinigten Staaten in jedem Fall als Bedrohung für ihr Land ansehen. Die Sympathie für den Westen ist in Russland gar nicht so weit verbreitet, wie Ihre Presse oft glauben machen will.

B: Und wie sehen die Russen die Sanktionen?

S: Ha! Diejenigen, die die Oligarchen treffen, sind ein echtes Geschenk an Putin. Die einfachen Leute mögen die Oligarchen nicht, aber Putin mag sie auch nicht – und das auch nur, weil sie in der Regel grosse Mengen an Kapital aus Russland abziehen, um es im Westen zu investieren. Nun werden die Oligarchen durch die Beschlagnahmung eines Teils ihres Vermögens in Europa und den Vereinigten Staaten gezwungen sein, mit eingezogenem Schwanz nach Russland zurückzukehren, um dort zu investieren und sich vor dem Präsidenten zu verneigen. Das ist ein Sieg, sowohl für Putin als auch für das Volk, das sie beschuldigt haben, dem Land Reichtümer zu stehlen.

B: Möchten Sie uns noch eine abschliessende Bemerkung mit auf den Weg geben?

S: Die Zeiten, in denen wir leben, sind ausserordentlich gefährlich.

zum Originalartikel (auf Italienisch)

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