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Es gibt kein Vertrauen mehr in das Bundesverfassungsgericht – kein Schutz vor einem übergriffigen Staat?

Published On: 23. Mai 2022 12:42

Es ist nicht das erste Mal, dass die pensionierte Rechtsanwältin, die unter dem Pseudonym „Margot Lescaux“ hier auf dem Blog Gastbeiträge schreibt und kommentiert, für die Demokratiebewegung tätig wird (beispielsweise hier, hier, hier, hier und hier). In diesem Beitrag möchten wir einen sehr detaillierten Kommentar von ihr zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts veröffentlichen. Sie gibt nicht nur Tipps für Betroffene, sondern erläutert einige relevante Randziffern des Urteils für unsere Leser. An dieser Stelle auch nochmal einen Herzlichen Dank.

Die RAin Jessica Hamed engagiert sich seit vielen Monaten für die Demokratiebewegung, nun hat sie sich in einem Cicero Artikel zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Nachweispflicht – faktisch eine einrichtungsbezogene Impfpflicht – geäußert. Gerade jetzt, in diesem Moment, wurde auch von RA Lipinski – dem Klägeranwalt – eine Pressemitteilung auf seiner Website veröffentlicht, die wir gerne am Ende, der Vollständigkeit halber, mit einpflegen. RA Ludwig äußert sich zu dem Urteil in einer aktuellen Video-Stellungnahme mit Frank Hannig. Die beiden kommen zu dem Schluss, dass fast jeder die Entscheidung falsch liest, außerdem gibt Ludwig eine Einschätzung bei AUF1, wie das System mit Kritikerin umgeht. Die Rechtsauffassung von RA Vosgerau bei TY haben wir auch unten als PDF zum Nachlesen eingefügt.

Die Entscheidung stellt eine ernsthafte Gefahr für die medizinische Versorgung dar, da nunmehr eine große Anzahl an Zutritts- und Tätigkeitsverboten sowie Bußgeldverfahren droht.

RA Lipinski

Die Stellungnahme und das Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgericht findet ihr in diesem Beitrag von uns.

Gerne möchten wir nachfolgend die „Rechtsauffassung“, oder viel mehr die Kommentare dazu, von Margot Lescaux und Jessica Hamed, veröffentlichen. Auch die Stellungnahmen der Sachverständigen Dritten, die für das Gerichtsurteil herangezogen wurden, haben wir zum Download als PDF eingepflegt.

Ein Kommentar von Margot Lescaux

Erst einmal mein herzliches Beileid an alle Betroffenen. An die direkt Betroffenen aus dem Gesundheitswesen und an deren mitleidende Familienangehörigen. Nach dem Hangen und Bangen am 7. April kann man sich gut vorstellen, wie es Ihnen in den letzten Tagen ergangen ist und welche Enttäuschung und welches Entsetzen sich jetzt eingestellt haben. Zumal bei Ihnen noch die nackte Angst um die berufliche Existenz dazukommt.

Ist das Schicksal so vieler Menschen so derart gleichgültig, wird die gesellschaftliche Brisanz so dermaßen geringgeschätzt, dass man die Beschwerdeführer noch nicht einmal für würdig hält, in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen?

Margo Lescaux

Welche Ignoranz und Kaltschnäuzigkeit seitens des BVerfG. Nicht nur durch den Beschluss alleine, sondern auch durch das ganze Prozedere. Beginnend mit dem Versagen einer mündlichen Verhandlung, die laut § 25 BVerfGG Usus sein soll, es sei denn, die Parteien verzichten. RA Lipinski habe mehrfach eine mündliche Verhandlung beantragt. Von Verzicht also keine Rede. Ist das Schicksal so vieler Menschen so derart gleichgültig, wird die gesellschaftliche Brisanz so dermaßen geringgeschätzt, dass man die Beschwerdeführer noch nicht einmal für würdig hält, in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen? Welches Zeichen wird dadurch gesetzt.

Weiter geht es mit dem zeitlichen Ablauf. Die Beschwerdeführer wurden noch nicht einmal vom Gericht darauf hingewiesen, dass kurzfristig eine Entscheidung ansteht. Kein Hinweis auf ein Datum, bis zu welchem Schriftsätze noch hätten eingereicht werden können. Der letzte ausführliche Schriftsatz soll ja wohl erst wenige Tage vorher eingereicht worden sein – nicht ahnend, dass zu dem Zeitpunkt der Beschluss schon fertig vorlag und eingehende Post nur noch schulterzuckend desinteressiert ad acta genommen werden würde.

Niemand hat davon gewusst, dass die Entscheidung bereits vorlag. Niemand? Wirklich niemand? Ist es Zufall, dass ein paar Tage vorher aus mindestens drei Bundesländern ein neuer Vorstoß für eine weitere Teil-Impfpflicht ins Gespräch gebracht wurde? Wers glaubt, wird selig.

Entsetzen rufen die beiden Leitsätze hervor. Vor allem der Leitsatz 2. Man muss ihn wirklich zwei-/dreimal lesen, um zu realisieren, welche Ungeheuerlichkeit er enthält. Üblicherweise ist es so: Ein Gesetz X wird erlassen, um Y zu erreichen. Dadurch können Grundrechte beeinträchtigt werden. Das BVerfG prüft, ob ein Grundrechtseingriff vorliegt und ob er hingenommen werden muss. Falls dem so ist, kann man das ganz grob vereinfachend so übersetzen: Tut uns leid, dass da Grundrechte beeinträchtigt werden, lässt sich aber leider nicht ändern.

Trotzdem denkt man sich – wäre ein Streik, ein „Aufstand“ nicht angebrachter? Wenn das Maß voll ist, passiert sowas. Ist es jetzt voll?

Margot Lescaux


Was steht nun hier in dem Leitsatz 2? Grundrechte werden beeinträchtigt? Na klar doch, das soll so! „Die Konfrontation mit diesen Nachteilen soll … zu einer Entscheidung zu Gunsten einer Impfung bewegen. Die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit ist nicht bloßer Reflex der gesetzlichen Regelung“. Vulgo: Das machen wir absichtlich, da wird nichts abgewogen, wir greifen absichtlich so weit in eure Grundrechte ein, bis Ihr endlich klein beigebt. Nicht nur, weil wir es für nötig halten. Nein, das ist ein gesetzgeberischer Tritt in den Allerwertesten. Und das BVerfG heißt ihn gut.

Soll, kann man jetzt noch das Urteil weiter analysieren, um dem einzelnen Tips zu geben, inwieweit er evtl aus den Entscheidungsgründen für sich persönlich noch etwas herausholen kann? Nun ja, das ist Aufgabe eines Juristen und in einem nächsten Kommentar werde ich da noch drauf eingehen. Trotzdem denkt man sich – wäre ein Streik, ein „Aufstand“ nicht angebrachter? Wenn das Maß voll ist, passiert sowas. Ist es jetzt voll?

Mögliche Hilfestellung für Betroffene

An sich widerstrebt es einem, Gesetz und Beschluss daraufhin zu durchforsten, ob sich für den einen oder anderen doch noch Argumentationsmöglichkeiten in seinem individuellen Fall finden lassen. Letztlich führt es dazu, dass jeder für sich kämpft. Aber alle die, die das wollen, haben m.E. Anrecht auf Antworten. Und darauf, dass man ihren Wunsch ernst nimmt.

Besonders ein Punkt ist mir aufgefallen, auf den ich hinweisen möchte, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Die hinreichende Bestimmtheit des § 20a IfSG wird – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden – auch nicht durch die in § 20a Abs. 1 Satz 2 IfSG vorgesehene Ausnahme bei einer medizinischen Kontraindikation infrage gestellt. Schon nach seinem Wortlaut („nicht geimpft werden können“) und dem gesetzgeberischen Regelungsanliegen lässt sich § 20a Abs. 1 Satz 2 IfSG entnehmen, dass hiermit Fälle erfasst werden, in denen an sich Nachweisverpflichtete aus medizinischen Gründen durch die COVID-19-Schutzimpfung ein konkretes Risiko der Eigengefährdung eingehen würden. Es ist der Eigenart des hiermit angesprochenen Sachgebiets geschuldet, dass der Gesetzgeber mögliche medizinische Kontraindikationen – abgesehen von einer frühen Schwangerschaft (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 IfSG) – nicht aufführt, da diese nur anhand der jeweiligen individuellen medizinischen Vorgeschichte und Konstitution und den danach bestehenden Risiken beurteilt werden können

Randziffer 145 auf Seite 47/48

Randziffer 145 auf Seite 47/48. Dort geht es um die medizinischen Kontraindikationen. Bislang konnte man es immer so verstehen, dass es an sich überhaupt keine anerkannten Kontraindikationen gibt, mit Ausnahme von Schwangerschaft im Frühstadium. Auch die handlungsleitenden Anweisungen der Landesgesundheitsämter stellen teilweise sehr strikte, nahezu unerfüllbare Anforderungen. Das BVerfG sagt sinngemäß, das wäre bewusst unklar abgefasst, weil alle Fälle darunter fallen würden, in denen jemand ein konkretes Risiko der Eigengefährdung eingehen würde. Das könne – sinngemäß – nur je nach Einzelfall anhand von Vorgeschichte, Konstitution und danach bestehenden Risiken beurteilt werden.

Bisher gingen die Tips ja immer in die Richtung – schreibt alles rein: Thrombose/ Allergie / familiäre Vorbelastung – zählt zwar nicht, aber trotzdem reinschreiben. Aus dieser Formulierung im Beschluss kann man aber was machen – im Anhörungsverfahren, später vor dem Verwaltungsgericht. Zumindest in dem Punkt darf man den Beschluss des BVerfG dann mal zu seinen Gunsten wörtlich nehmen. Wer eine medizinische Vorgeschichte aus Vor-Corona-Zeiten hat, wird noch Unterlagen darüber haben, ggf sich diese noch besorgen.

Was ist mit denen, die eine oder zwei Impfungen erduldet haben, aber aufgrund von Nebenwirkungen keine weitere akzeptieren werden? Nun ja, auch wenn sie mit unwilligen Ärzten der Kategorie „hat nix mit nix zu tun“ konfrontiert sind. Gleichwohl lässt sich die Arztlauferei belegen; Auszüge aus der Patientendatei (der Patient X wurde mit der Beschwerde Y vorstellig), kann man einfordern und im Prozess vorlegen.

Dann das Thema „Allergien“. Dazu gibt es ja schon viele Tips, wie man die „Impffähigkeit“ bestreiten kann. Und dass jede Frau im gebärfähigen Alter für sich bzw ihr potentielles Baby ein Risiko eingeht – auch dazu gibt es schon viele Anwaltshinweise. Wann beginnen sie denn genau – die ersten drei Monate einer Schwangerschaft….. An diesen Ausführungen in RZ 145 kann man die Gerichte festnageln.

An Aufregern mangelt es wahrlich nicht in dem Beschluss. Einige Highlights, die ich bewusst flapsig formuliere. Für den genauen Wortlaut also bitte nachlesen.

RZ 170, Seite 55. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes gab es keine gesicherten Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Impfstoffe. Heute gibts auch noch keine. Egal. Schließlich habe es der Gesetzgeber auch nicht versäumt, für eine bessere Erkenntnislage zu sorgen.

Daher bleibt die verfassungsrechtliche Prüfung angesichts der zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes fehlenden gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über Einzelheiten der weiteren Verbreitung von COVID-19 und über die konkrete Wirksamkeit einzelner Impfstoffe auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt. Es liegt auch kein Grund für eine nachträgliche Beschränkung des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums vor; weder sind inzwischen besser gesicherte gegenteilige Erkenntnisse ersichtlich, noch hat es der Gesetzgeber versäumt, für eine Verbesserung der Erkenntnislage zu sorgen (vgl. auch BVerfG, Beschlüsse des Ersten Senats vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 189 f. und – 1 BvR 971/21 u.a. -, Rn. 177 f., jeweils m.w.N.).

RZ 170, Seite 55

Rz 182, Seite 59. Ob denn wohl die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesesn zu Lasten der vulnerablen Gruppen in Frage stehen könnte? Ach was. Keiner der befragten Sozialverbände rechnet damit, dass zum 16.3. eine „systemrelevante“ Anzahl von Personen die Tätigkeit einstellen würde. Da passiert schon nix. So etwas nenne ich eine Verhöhnung von verängstigten Menschen, die in ihrer Existenzangst einen Teufel tun werden, selbst zu kündigen. Wer an seinen Arbeitsplatz festhält und Sperre beim Arbeitsamt, Verlust des Einkommens, nicht riskieren will, hat Pech gehabt. Er verliert den Prozess, weil er das System gestützt hat. Wer trotzdem selbst kündigt, hat ebenfalls Pech gehabt. Job weg, Einkommen weg..

(g) Der in § 20a IfSG geregelten Nachweispflicht fehlt auch nicht deshalb die Eignung, weil sie sich gegenläufig auswirken würde. Es stellt die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose nicht infrage, dass jedenfalls ein Teil der in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtungen und Unternehmen tätigen Personen weiterhin ungeimpft bleiben will und deshalb ihre Tätigkeit von sich aus beenden oder aber mit einem Tätigkeits- oder Betretungsverbot belegt werden wird. Dies könnte zwar die Funktionsfähigkeit solcher Einrichtungen und Unternehmen gefährden und sich letztlich zu Lasten vulnerabler Personen auswirken. Gesicherte Erkenntnisse, dass es zu solchen systemgefährdenden Auswirkungen kommen würde, lagen jedoch zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes nicht vor. Der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren eine Vielzahl von Stellungnahmen sachkundiger Berufs- und Sozialverbände eingeholt. Kein Verband hat dabei die Befürchtung geäußert, wonach eine systemrelevante Zahl von Personen spätestens ab dem 16. März 2022 ihre Tätigkeit zur Vermeidung einer Impfung beenden könnte oder wegen fehlender Impfung beenden müsste.

Rz 182, Seite 59

RZ 201, Seite 65. Nix Genaues weiß man nicht. Je nachdem, was man nicht weiß, hat das aber unterschiedliche Konsequenzen. Wie lange schützt die Impfung? Keine Ahnung, aber die hilft ganz bestimmt, je öfter, desto besser. Wie lange ist ein Genesener immun? Keine Ahnung (also jedenfalls in Deutschland nicht, woanders schon), also besser mal so kurz wie möglich ansetzen. Wie sieht es mit Antikörpertests als milderes Mittel aus, würden die Leute auch gerne selbst bezahlen? Keine Ahnung, also besser die Finger von lassen.

Ausweislich der eingeholten Stellungnahmen der sachkundigen Dritten (dazu Rn. 50 ff.) besteht ein weitgehender fachwissenschaftlicher Konsens, dass die durch eine COVID-19-Impfung induzierte Schutzwirkung – einschließlich eines durch sie reduzierten Übertragungsrisikos – nach einer dritten Einzelimpfung wieder zunimmt. Fachwissenschaftliche Unsicherheiten, wie lange eine Genesung noch eine ausreichende Immunität vermitteln kann, durfte der Gesetzgeber für ein möglichst effektives Schutzkonzept zu Gunsten der vulnerablen Gruppen zum Anlass für einen zeitlich nur begrenzten Genesenenstatus nehmen. Gesicherte Erkenntnisse, wonach die nach einer überstandenen Infektion bestehende Immunität auch über einen Zeitraum von 90 Tagen nach der zugrundeliegenden Testung hinaus fortbesteht, gibt es nicht (vgl. etwa die Wissenschaftliche Begründung des RKI zu den fachlichen Vorgaben für COVID-19-Genesenennachweise, Stand: 3. Februar 2022). Ebenso wenig lässt sich bislang eine Aussage darüber treffen, wie lange ein Schutz nach mehrfacher Infektion besteht (vgl. GfV, 3. Aktualisierte Stellungnahme zur Immunität von Genesenen vom 14. Februar 2022). Der Gesetzgeber musste es auch nicht Genesenen als milderes Mittel ermöglichen, auf eigene Kosten Antikörper- und T-Zellentests vorzulegen, um länger als drei Monate als genesen zu gelten. Auch insoweit liegen gesicherte Erkenntnisse, ab welchen Werten von einer ausreichenden Immunität ausgegangen werden kann, nicht vor (vgl. RKI, COVID-19 und Impfung, Antworten auf häufig gestellte Fragen , Stand: 14. April 2022). Die Interpretation von entsprechenden Testergebnissen ist nach wie vor schwierig (vgl. PEI, Antikörper nach SARS-CoV-2-Infektion – neue Erkenntnisse über die Sensitivität und Nachweisdauer von Antikörpertests, Aktualisiert: 21. Januar 2022).

RZ 201, Seite 65

Dazu passend Rz 238 auf Seite 75. Zur Impfwirksamkeit. Man wusste bei Gesetzeserlass nichts. Jetzt weiß man auch nichts Genaues. Da man aber immer noch nichts weiß, wurden die schon vorher nicht bestehenden „Erkenntnisse“ auch nicht durch neue Erkenntnisse erschüttert.

(aa) Dies gilt zunächst für die gesetzgeberische Prognose, die verfügbaren Impfstoffe könnten vor einer Infektion schützen und – sollten sich Betroffene gleichwohl infizieren – zu einer Reduzierung des Transmissionsrisikos beitragen. Diese Prognose ist nicht durch eine nach Verabschiedung des angegriffenen Gesetzes eingetretene Veränderung der tatsächlichen Bedingungen oder durch aufgekommene neue Erkenntnisse erschüttert worden (dazu Rn. 184). Es ist weiterhin davon auszugehen, dass eine Impfung jedenfalls einen relevanten – wenn auch mit der Zeit abnehmenden – Schutz vor einer Infektion auch mit der aktuell vorherrschenden Omikronvariante des Coronavirus SARS-CoV-2 bietet (vgl. auch RKI, Wöchentliche Lageberichte vom 17. März 2022, S. 27 ff., vom 31. März 2022, S. 26 ff., 32, und vom 21. April 2022, S. 26 ff.).

Rz 238 auf Seite 75

Jetzt wissen wir auch, warum die gesetzlich vorgeschriebenen Evaluierungsmaßnahmen von KL hintertrieben und bis auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden. Warum das RKI bzw das PEI von den Krankenkassen entgegen gesetzlicher Verpflichtung keine Daten einfordern. Warum ein BKK-Pro-Vita-Vorsitzender, der Daten vorlegen wollte, schleunigst aus dem Verkehr gezogen werden musste. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Da wird man sich sein schönes Gesetz doch nicht mit irgendwelchen blöden Erkenntnissen kaputt machen lassen.

Sehr schön auch Rz 208, Seite 66 Nebenwirkungen. Ach was. Alles bloß Verdachtsfälle. Ist auch alles gar nicht so schlimm. Ja, doch, Tote soll es wohl auch geben.

Daneben können im Einzelfall auch schwerwiegende und/oder länger andauernde Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen eintreten. Zwar handelt es sich bei den gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen zunächst nur um Verdachtsfälle, die nur zu einem Teil auch nachweislich zwingend kausal auf die Impfung zurückzuführen sind. Auch waren die gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen sehr selten und in der Regel nicht von Dauer (vgl. PEI, Sicherheitsbericht vom 26. Oktober 2021 – Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19, S. 5 f., 14, 43). Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass eine Impfung im ganz extremen Ausnahmefall auch tödlich sein kann. Dies erhöht die Eingriffstiefe maßgeblich auch deshalb, weil die Impfung einem in der Regel gesunden Menschen verabreicht wird, und zwar grundsätzlich zweifach und ab 1. Oktober 2022 auch dreifach.

Rz 208, Seite 66

Aber Rz 209 – muss sich ja keiner impfen lassen.

Bei der Beurteilung der Eingriffstiefe ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit § 20a IfSG keinen gegebenenfalls hoheitlich durchsetzbaren Impfzwang begründet, sondern den in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtungen und Unternehmen tätigen Personen letztlich die Entscheidung überlässt, den erforderlichen Nachweis zu erbringen. Der Gesetzgeber hat damit zwar die Eingriffstiefe in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch den Verzicht auf einen Impfzwang relativiert (vgl. auch EGMR , Vavřička and others v. the Czech Republic, Urteil vom 8. April 2021, Nr. 47621/13, § 276). Die Regelung stellt die Betroffenen aber de facto vor die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität einzuwilligen. Insoweit ist regelmäßig auch die Berufsfreiheit der im Gesundheits- und Pflegebereich Tätigen betroffen. Lehnen sie eine Impfung ab, können sie insbesondere dann, wenn es sich um einen typischen und spezialisierten Beruf im Gesundheits- und Pflegebereich handelt, diesen Beruf in der Regel nicht mehr weiter ausüben. Eine Erwerbstätigkeit ist insoweit – jedenfalls für die Geltungsdauer des Gesetzes – nur noch berufsfremd möglich, was für die Betroffenen in besonderem Maße belastend ist, wenn sie etwa zum Erwerb einer (zahn)ärztlichen Approbation eine lange Phase der Berufsqualifikation bewältigen mussten. Soweit andere Berufsfelder betroffen sind, verlieren Betroffene jedenfalls ihren bisherigen Arbeitsplatz oder müssen zumindest innerhalb der Einrichtung oder des Unternehmens ihren Tätigkeitsbereich oder ins reine Home-Office wechseln. Die Intensität der mit der Nachweispflicht verbundenen Freiheitsbeeinträchtigungen erhöht sich weiter dadurch, dass nach einer Anforderung des Gesundheitsamts, den Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist zu erbringen, ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot angeordnet werden kann, wobei beides bußgeldbewehrt ist (vgl. § 73 Abs. 1a Nr. 7f und 7h IfSG). Gleichzeitig drohen angestellt Tätigen in der Regel arbeitsrechtliche Konsequenzen wie insbesondere eine Freistellung ohne Lohnfortzahlung oder eine Kündigung.

Rz 209

Rz 225, Seite 71, letzte Zeile: NUR 78 Todesfälle. Und selbst von denen weiß man es nicht genau (Seite 72 oben).

Relativierend ist insoweit jedoch zum einen zu berücksichtigen, dass das Paul-Ehrlich-Institut in seinen Sicherheitsberichten alle eingegangenen Meldungen unabhängig vom ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung zusammenfasst. Es handelt sich mithin um bloße Verdachtsmeldungen. Dabei ist die Meldeschwelle im Sinne einer frühzeitigen Erkennung von möglicherweise neuen Risikosignalen bewusst niedrig angesetzt, da insoweit auch Meldungen in rein zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung bedeutsam sind. Nicht jede gemeldete Reaktion stellt daher tatsächlich auch eine Nebenwirkung dar (vgl. PEI, Sicherheitsbericht vom 26. Oktober 2021, S. 43). So hat das Paul- Ehrlich-Institut in seinem nachfolgenden Sicherheitsbericht vom 23. Dezember 2021 nur in 78 von den bis dahin insgesamt 1.919 eingegangenen Verdachtsmeldungen, die einen Todesfall betrafen, einen ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung als möglich oder wahrscheinlich bewertet (vgl. PEI, Sicherheitsbericht vom 23. Dezember 2021, S. 10

Rz 234, Seite 74 Entwicklung des Pandemiegeschehens. Sh oben. Man wusste nichts, also durfte man eine Prognoseentscheidung treffen. Jetzt weiß man auch nichts Genaues, also ist die Entscheidung durch nichts erschüttert worden.

(d) Die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens nach Verabschiedung des Gesetzes begründet keine abweichende Beurteilung der Angemessenheit der angegriffenen Regelungen.

Rz 253, Seite 78, da ist wieder diese Unsäglichkeit aus dem zweiten Leitsatz. „…dass der Gesetzgeber…vorrangig eine zielgerichtete Beschränkung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit verfolgt“. Bitte auch die darauffolgenden nächsten zwei Sätze unter Rz 253 lesen.

Zwar droht weder als Folge einer individuellen Entscheidung gegen eine COVID-19-Impfung noch bei Nichtvorlage eines Nachweises bis zum 15. März 2022 (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG) ein berufliches Betretungs- oder Tätigkeitsverbot unmittelbar kraft Gesetzes. Das Gesundheitsamt kann aber, wenn der Nachweis auch ihm gegenüber nicht auf entsprechende Anforderung (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG) innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt wird, nach Maßgabe des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG im Rahmen einer Ermessensentscheidung ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot anordnen. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Gesetzgeber – dem Zweck der Regelung entsprechend – vorrangig eine zielgerichtete Beschränkung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit verfolgt (dazu Rn. 114). Die Konfrontation mit möglichen beruflichen Nachteilen soll nach dem gesetzgeberischen Ziel nicht nur Einfluss auf die Impfentscheidung haben. Das Betretungs- und Tätigkeitsverbot hat vielmehr eine darüber hinaus gehende eigenständige Bedeutung und beeinträchtigt unmittelbar und zielgerichtet Art. 12 Abs. 1 GG.

Rz 253, Seite 78

Gute Nacht Deutschland

Frau Lescaux äußert sich zu dem Artikel bei Cicero, von RAin Hamend, den ihr nachfolgend findet, wie folgt:

Der Artikel ist einfach eine Wucht. Ganz toll geschrieben und herausgearbeitet. Die ist offenbar genauso wütend nach der Lektüre des Beschlusses. RAin B. Röhrig sieht die Leitsätze positiv auf ihrem Telegram-Kanal – das vermag ich jetzt nicht nachzuvollziehen. Wollte ich der Vollständigkeit halber aber jetzt hier erwähnen. Sehe selbst aber keine Veranlassung, von meiner Interpretation der Leitsätze abzuweichen. Von allem, was ich bislang dazu gelesen habe, finde ich den Kommentar von Frau Hamed am überzeugendsten. Auch ihre Schlussfolgerung ist sehr interessant: man sollte das BVerfG in Corona-Sachen am besten gar nicht mehr anrufen, sondern stattdessen besser den Weg über die Untergerichte gehen.

Warum sollten „fehleranfällige“ (Rn. 193 des Beschlusses) Corona-Tests schlechter sein als mangels sterilisierender Immunität ebenfalls „fehleranfällige“ Impfungen?

Jessica Hamed

Bundesverfassungsgericht: Postfaktischer Wegbereiter des paternalistischen Staates

Mit der Entscheidung, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht rechtens sei, hat das Bundesverfassungsgericht ein weiteres Mal gezeigt, dass die Bürger von ihm keinen Schutz vor einem übergriffigen Staat erwarten dürfen. Der Erste Senat hat sämtliche Argumente, die gegen eine solche Impfpflicht sprechen – fehlender Fremdschutz, Impfnebenwirkungen, niedrige Infektionszahlen – konsequent ignoriert. Betroffene sollten erwägen, das Bundesverfassungsgericht nicht mehr in Sachen Corona anzurufen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht ist eigentlich rasch kommentiert: Zugespitzt würde ein Zitat des seit Wochen viel gefragten ehemaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Immunologie Andreas Radbruch vom 3. April 2022 genügen, um die ins Auge springende Unrichtigkeit des Karlsruher Beschlusses aufzuzeigen:

Wichtig vielleicht noch einmal zu betonen: Auf die Wissenschaft kann sich eine Entscheidung zu irgendeiner Impfpflicht nicht berufen!

Andreas Radbruch

Kein relevanter Fremdschutz 

Die Covid-Impfungen vermitteln keinen relevanten Fremdschutz, weshalb eine partielle Impfpflicht zum Schutze vulnerabler Menschen bereits Zweifel an der Geeignetheit und an der Erforderlichkeit hervorruft. Warum sollten „fehleranfällige“ (Rn. 193 des Beschlusses) Corona-Tests schlechter sein als mangels sterilisierender Immunität ebenfalls „fehleranfällige“ Impfungen? Jedenfalls aber wird hierdurch die Angemessenheit des tiefgreifendsten Grundrechtseingriffs in der Coronapolitik offensichtlich in Frage gestellt.

In der Gesellschaft und offenbar auch beim höchsten Gericht Deutschlands hält sich jedoch der Aberglaube an einen Fremdschutz derart hartnäckig, dass so manche religiöse Institution – letztlich die PR-Profis schlechthin für die Verbreitung evidenzfreier Narrative – vor Neid erblassen müsste. Weder Bildung noch Intellekt helfen bei tief verinnerlichten Glaubenssätzen. Gleichwohl, in aller Deutlichkeit mit den Worten des renommierten Virologen Hendrik Streeck:

„Jeder erlebt doch, dass sich Geimpfte und Geboosterte infizieren können und dass es keinen Fremdschutz durch die Impfung gibt. Hier fehlt mir die kluge Kommunikation. Auch zuletzt im Bundestag haben Abgeordnete immer noch von einem Fremdschutz als Argument für die Impfpflicht gesprochen – und zwar nicht von einem indirekten Fremdschutz, dass die Intensivstationen freibleiben, sondern einem direkten Fremdschutz, dass jemand, der geimpft ist, den anderen nicht infizieren kann. Aber das ist schlichtweg falsch.“ 

Vom Abwehrrecht zur Schutzpflicht 

Den vom Bundesverfassungsgericht wortreich und substanzlos insinuierten Fremdschutz, der durch die Ausbreitung der Omikron-Variante „nicht erschüttert“ worden sei (Rn. 184), ist nicht nur als verdrehte Schlussfolgerung aus den – zum Teil sehr unterkomplexen – Stellungnahmen der sachverständigen Dritten (keiner behauptete dort, es gebe einen relevanten Fremdschutz) anzusehen. Sondern der Beschluss stellt im Ergebnis auch einen Paradigmenwechsel dar, der es dem Staat auch in künftigen Krisen ermöglicht, via Einschätzungsspielraum jede Maßnahme, deren Eignung nicht zweifelsfrei widerlegt ist, zu ergreifen – etwa im Umgang mit dem Klimawandel.

Damit werden sukzessive die Grundrechte, die primär als Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat konzipiert waren, nicht nur zu weitreichenden Schutzrechten, sondern sogar zu angeblichen Schutzpflichten umgebaut. Denn der erste Senat, der sich seit Monaten „lauterbachesk im pandemischen Panikmodus“ eingerichtet hat, hat sich sogar andeutungsweise dazu verstiegen, die einrichtungsbezogene Impfpflicht als Handlungspflicht des Staates anzusehen (Rn. 217). Mit dieser anti-freiheitlichen Deutung der Grundrechte liegt es nahe, dass der Senat auch eine allgemeine Impfpflicht unter der Prämisse der Teilhaberechte vulnerabler Menschen am öffentlichen Leben absegnen würde, wohingegen er den Ausschluss ungeimpfter Personen vom soziokulturellen Existenzminimum durch das 2G-Modell bislang nicht beanstandet hat.

Überträgt man die Linie des Senats auf andere Gefahrenlagen, wären auch eine Grippeimpfpflicht, lebenslanges Maskentragen gegen sämtliche respiratorische Erreger usw. „begründbar“. 

Jessica Hamed

Das Gericht verkennt dabei, dass Covid-19 aufgrund des freien Zugangs zu Behandlungsmöglichkeiten, Schutzausrüstung und Impfungen für die gesamte Gesellschaft schon lange zum allgemeinen Lebensrisiko geworden ist. Überträgt man die Linie des Senats auf andere Gefahrenlagen, wären auch eine Grippeimpfpflicht, lebenslanges Maskentragen gegen sämtliche respiratorische Erreger usw. „begründbar“.

Seuchenpolitischer Imperativ

Rote Linien kennt der Senat bei Corona so gut wie keine. Er hat sich vollständig dem seuchenpolitischen Imperativ unterworfen, wie die Richter spätestens erkennen ließen, als sie im Dezember 2021 die strengsten Corona-Maßnahmen Deutschlands für das Abhalten einer mündlichen Verhandlung erlassen haben.

Die Verhandlung fand unter „2Gplusplus“ statt und wurde nicht nur von der Autorin dieser Zeilen, die vor diesem Hintergrund namens ihrer Mandantin (erfolglos) alle Senatsmitglieder wegen Befangenheit in Sachen Corona ablehnte, scharf kritisiert. Auch heute gilt auf den Fluren des Bundesverfassungsgerichts – auf Anordnung des wegen seiner hochpolitischen Vergangenheit umstrittenen Präsidenten Stephan Harbarth – noch 3G und Maskenpflicht. Damit war der Irrglaube des Präsidenten an die angeblich gerechtfertigte Privilegierung gegen Covid-19 geimpfter Menschen nach außen eindrücklich dokumentiert.

Erneut betonte das Gericht, dass die Betroffenen sich nicht impfen lassen müssten, sondern auch (vorübergehend) ihre Tätigkeit wechseln könnten.

Jessica Hamed

Indem der Senat in seinem Beschluss übrigens auch (PCR)-Tests aufgrund ihrer „Fehleranfälligkeit“ als weniger geeignet zur Pandemiebekämpfung als eine Impfung abtat (Rn. 193 f.), signalisierte er der Politik zudem en passant, dass 2G in Ordnung und 3G unsicher sei. Mit gutem Willen kann man eine rote Linie bei einem – aktuell nicht bestehendem – Impfzwang erkennen (Rn. 209, 221). Erneut betonte das Gericht, dass die Betroffenen sich nicht impfen lassen müssten, sondern auch (vorübergehend) ihre Tätigkeit wechseln könnten. Dass damit die wirtschaftliche und soziale Existenz in Gefahr ist, thematisiert das Gericht nicht, obgleich es grundsätzlich anerkennt, dass es sich hierbei um eine gravierende Folge handelt.

Im Zweifel für den Staat 

Dass die Richter mit zweierlei Maß messen und zugespitzt das Ergebnis stets lautet: „Im Zweifel für den Staat“, ist ein weiterer Makel der Entscheidung. Das zeigte sich auch an anderer Stelle: So gingen Unsicherheiten in Bezug auf den Genesenenstatus zu Lasten der Betroffenen (Rn. 201), obwohl auch hier wissenschaftlich allgemein anerkannt ist, dass Genesene und Geimpfte gleichgesetzt werden müssten, wie etwa in der wenig beachteten Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestags am 6. April 2022 deutlich zum Ausdruck kam.

Besonders haarsträubend fällt auch die Bewertung des Senats im Hinblick auf die Gefahr schwerwiegender Nebenwirkungen durch die Covid-Impfungen aus. Obwohl gesellschaftlich und fachlich schon längst kontrovers über das Ausmaß der – naturgemäßen – Untererfassung von schwerwiegenden Nebenwirkungen diskutiert wird, kommt das Gericht ganz ungeniert zu einer angeblichen Überschätzung des Risikos, basierend auf den Daten des Paul-Ehrlich-Instituts, da „bei weitem nicht bei jeder Verdachtsmeldung ein Kausalzusammenhang mit der Impfung gesichert ist“, weshalb „davon ausgegangen werden [kann], dass entsprechende Nebenwirkungen oder gravierende Folgen ganz überwiegend nicht eintreten“ (Rn. 227).

Frappierende Erörterungslücke

Am schockierendsten erscheint jedoch das nonchalante Überspringen der sich aufdrängenden Frage, ob der Staat zum Schutze anderer das Leben und die Gesundheit von in der Regel gesunden Menschen riskieren darf, wohlwissend, dass, statistisch betrachtet – unabhängig davon, wie man die Quote der schwerwiegenden bzw. tödlichen Nebenwirkungen einschätzt – durch die Impfpflicht sicher Menschen zu Schaden kommen.

Statt die Frage zu beantworten, ob der Staat aktiv töten darf oder ob hierin eine Verletzung der Menschenwürde zu erblicken ist, erging sich der Senat in einer knappen utilitaristischen Folgenabwägung und stellte lapidar fest: „Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht im Ergebnis die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber“ (Rn. 230).

Der Senat hätte dabei zwingend die vorgenannten Fragen aufwerfen und seine Antwort insbesondere an seinen Ausführungen zum Luftsicherheitsgesetz messen müssen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht wird rein fremdnützig begründet, sodass sich der Gedanke, dass die Betroffenen damit zum bloßen Objekt der staatlichen Rettungsaktion zum Schutze anderer gemacht werden könnten, derart aufdrängt, dass man sich fragen muss, wie es zu der frappierenden Erörterungslücke kommen konnte.

Anders als beim Luftsicherheitsgesetz, mit dem der Staat den Abschuss eines entführten Flugzeugs anordnen und damit das Leben der Insassen opfern hätte können, ohne ihnen eine Wahl zu lassen, gibt es bei der Impfpflicht allerdings keinen unmittelbaren Zwang. Die damalige Entscheidung ist somit zwar nicht ohne weiteres übertragbar, aber aufgrund des existenziellen Drucks durch das drohende Tätigkeitsverbot reicht die Maßnahme auch hier recht nah zumindest an einen mittelbaren Zwang heran. Jedenfalls hätte das Gericht nach althergebrachten Wertmaßstäben des Grundgesetzes nicht ohne weiteres Leben gegen Leben abwägen dürfen.

Verengter Entscheidungsspielraum

Neben der grotesken inhaltlichen Begründung der Entscheidung bleibt noch auf den Umstand hinzuweisen, dass das Gericht erneut auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hatte. Wie auch schon bei den –  den Anfang allen Übels markierenden – harsch kritisierten Bundesnotbremsentscheidungen, obwohl sich bereits aus Gründen der Transparenz und der Bedeutung des Verfahrens das Abhalten einer Verhandlung aufgedrängt hat.

Das Bundesverwaltungsgericht hingegen verhandelt seit dem 2.Mai 2022 über ein ähnliches Thema, nämlich die Duldungspflicht im Hinblick auf die Covid-Impfung bei Soldaten. Obgleich sich nunmehr der Entscheidungsspielraum aufgrund der Bindungswirkung des veröffentlichten Beschlusses deutlich verengt hat, dürfte noch ein gewisser Spielraum für eine anderweitige Beurteilung bestehen, da hier zumindest auch andere Aspekte zu thematisieren sind. Insbesondere dürften in der Bundeswehr kaum vulnerable Personen anzutreffen zu sein.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht auffallend schnell – innerhalb nur weniger Monate – in der Hauptsache entschieden hat, stellt sich die Frage, ob der Senat mit seiner Entscheidung vom 27. April 2022 etwa einem abweichenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zuvorkommen wollte. Schließlich wurde immer noch nicht in der Hauptsache über die seit 2020 anhängigen Verfassungsbeschwerden zur Masernimpfpflicht (wobei dort die Übergangsfristen verlängert wurden) entschieden. Ein Geheimnis bleibt übrigens, ob die hiesige Entscheidung einstimmig erging. Bei den Bundesnotbremse-Entscheidungen hingegen wurde das (einstimmige) Abstimmungsergebnis mitgeteilt.

Massiver Vertrauensverlust

Seit den Bundesnotbremse-Entscheidungen, die deutlich machten, dass das Gericht nicht beabsichtigt, eine enge verfassungsrechtliche Kontrolle durchzuführen und es stattdessen bei einer „Vertretbarkeitskontrolle“ belässt (auch in diesem Beschluss, Rn. 187), ist mir bewusst, dass von dem höchsten Gericht Deutschlands – noch weniger als von den Fachgerichten – in Sachen Corona nichts zu erwarten ist. Was folgt daraus? Tatenlos Rechtsbrüchen zusehen? Klagen, um das Unrecht zu dokumentieren?  Nach meinem Dafürhalten sollten Betroffene erwägen, das Bundesverfassungsgericht nicht mehr in Sachen Corona anzurufen. Es verdient das Vertrauen der schutzsuchenden Bürger nicht mehr – und deshalb sollte es auch keine Gelegenheit mehr zur Äußerung erhalten.

Nachdem der Befangenheitsantrag wegen des „Dinners im Kanzleramt“ – zu Unrecht – abgelehnt wurde, wäre es möglicherweise aus politischen Gründen besser gewesen, die anhängigen Verfassungsbeschwerden zur Bundesnotbremse zurückzuziehen und damit den Vertrauensverlust aufzuzeigen. Notwendig wurden diese Erwägungen, da weder die zur Entscheidung berufenen Richter für die Beschädigung des Ansehens des Gerichts noch die beteiligten Politiker Verantwortung für das inakzeptable Verhalten übernommen haben. Einzig schonungslose Transparenz hätte wieder Vertrauen herstellen können.

Ein Gefühl von Ohnmacht

Es ist eine bittere Erkenntnis, die ein Gefühl von Ohnmacht vermittelt. Und natürlich fällt es schwer, diesen Schritt, die Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde, zu gehen. Hat man es erst einmal so weit gebracht, dass der Senat die eigene Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annimmt (was sehr selten geschieht), fällt es schwer, loszulassen. Von der ganzen Arbeit und der Hoffnung, die unweigerlich aufflammt, einmal ganz abgesehen. Ich sage das nicht leichtfertig. Einer meiner für mich bedeutsamsten Momente in meiner Berufslaufbahn war neben der Vereidigung zur Rechtsanwältin das Unterzeichnen meiner ersten – auch erfolgreichen – Verfassungsbeschwerde. Mich schmerzt, dem höchsten Gericht Deutschlands in grundsätzlicher Hinsicht kein Vertrauen mehr entgegenbringen zu können.  

Es liegt nunmehr an den Richterinnen und Richtern sowie der Politik, das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Objektivität des Bundesverfassungsgerichts durch geeignete Maßnahmen wieder herzustellen. Das Gegenteil geschieht indes momentan. Und so wirkt es nach alledem geradezu zynisch, dass Harbarth jüngst konstatierte: „Zu jedem Zeitpunkt der Pandemie haben Gerichte – auch das Bundesverfassungsgericht – auf die Achtung der Grundrechte geachtet und den notwendigen Abstand zur Politik gewahrt.“

Stellungnahme Ärzte für individuelle Impfentscheidung

Stellungnahme Bundesministerium für Gesundheit

Stellungnahme Helmholtz Zentrum für Infektionsforschug

Stellungnahme Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie

Stellungnahme Gesellschaft für Virologie e.V.

Stellungnahme Bundesärztekammer

Stellungnahme PEI

Stellungnahme RKI

Stellungnahme Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e.V.

Stellungnahme Niedersachsen

Stellungnahme Hessen

Bei Cicero veröffentlichte die Rechtsanwältin Jessica Hamed einen Artikel mit einem vernichtenden Urteil zum Bundesverfassungsgericht. RA Ralf Ludwig kommentiert diesen auf seinem Kanal wie folgt:

Kein Vertrauen mehr in das Bundesverfassungsgericht

Meine Kollegin Jessica Hamed zerlegt im Cicero die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Insbesondere kritisiert sie, dass das Verfassungsgericht die Tatsachen und vorliegenden Daten ignoriert habe.

Sie geht sogar so weit, anzuregen, dass Verfassungsgericht gar nicht mehr anzurufen, damit negative Entscheidungen nicht dauerhaft manifestiert werden.

Die Enttäuschung spricht aus jeder Zeile und vieles von dem, was uns das oberste deutsche Gericht hier auftischt, ist auch schwer zu verdauen.

Der quasi unhinterfragbare Einschätzunsspielraum von Parlament und Regierung, die absolute Höherwertung des Kollektivs über das Individuum und die kaum zu überprüfende Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen zeigen eine Abwendung von einem liberalen Staat hin zu einer alles umsorgenden Patria.

Dennoch sehe ich die Entscheidung nicht so schwarz wie die Kollegin und so düster wie ich sie selbst in meiner ersten Wahrnehmung geschildert habe.

Das Bundesverfassungsgericht beweist keinen Mut, sondern zeigt deutlich auf, dass es weder als Fachgericht noch als Nebenregierung auftreten möchte. Andererseits formiert es sich wieder als Hüter der Verfassung, der eine erst auf den zweiten Blick juristisch weise Entscheidung trifft. Es bindet nämlich das Parlament und die Regierung an die Verfassung und formuliert klare Grenzen. Das Verfassungsgericht sieht die absolute Grenze der körperlichen Unversehrtheit dort, wo zwanghaft in einen Körper eingegriffen wird. Es sieht auch den Druck auf Ungeimpfte als mittelbaren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.

Das Gericht verpflichtet darüber hinaus die Entscheidungsträger ggf. die Lage täglich zu evaluieren und das Gesetz dann nicht mehr anzuwenden, wenn die ursprüngliche Begründung nicht mehr trägt.

Den Verfassungsrichtern ist bewusst, dass ein Berufswechsel existenzielle wirtschaftliche Folgen haben kann. Deshalb verpflichten sie Behörden und Fachgerichte jeden Einzelfall genau abzuwägen.

Inhaltlich kann man auch zu anderen Schlüssen kommen, juristisch ist das Urteil meines Erachtens aber tragfähig. Jetzt gilt es nachzuweisen, dass das Gesetz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht ab jetzt in keinem Einzelfall mehr angewandt wird.

222. Mai 2022 Telegram Ralf Ludwig

Heute ist aus meiner Sicht der schwärzeste Tag seit Beginn der Corona-Krise.

Ralf Ludwig

Hier auch das aktuelle Video von RA Ralf Ludwig zum Thema „Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht!“ mit RA Frank Hannig. Sie kommen in dem Video zu der Rechtsauffassung „Warum fast jeder die Entscheidung falsch liest. In Deutschland gibt es keine mRNA-Impfpflicht.“


Pressemitteilung des Klägeranwalts RA Lipinski

Verfassungsrechtlich grob unrichtiger Beschluss des BVerfG zur bereichsbezogenen Impfpflicht (Az. 1 BvR 2649/21)

Am 19.05.2022 gegen 08.30 Uhr wurde Rechtsanwalt Dr. Lipinski der Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur bereichsbezogenen Impfpflicht vorab per E-Mail durch das Bundesverfassungsgericht übersandt. Der knapp 99 Seiten umfassende Beschluss stellt eine herbe Enttäuschung für den effektiven Grundrechtsschutz dar, der sich allerdings in eine Reihe vorheriger Entscheidungen des Ersten Senats einfügt, die ebenfalls alle bisherigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe ad acta gelegt haben (z.B. die Entscheidungen Bundesnotbremse I und II).

Rechtsanwalt Dr. Lipinski: Der Beschluss gibt unseren bisherigen umfangreichen medizinischen und rechtlichen Vortrag sowohl im Beschlusstatbestand als auch in den Beschlussgründen bestenfalls sehr unvollständig wieder. Die Entscheidung stellt eine ernsthafte Gefahr für die medizinische Versorgung dar, da nunmehr eine große Anzahl an Zutritts- und Tätigkeitsverboten sowie Bußgeldverfahren droht. Das Gericht ist auf unsere Einwendungen gegen das bedingte Zulassungsverfahren der sog. Impfstoffe, auf unsere Ausführungen zum Genesenenstatus (auch zum neuem 28-Tageszeitraum) und vor allem gegen die Art der Statistik des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), betreffend die Zahl der Impfkomplikationen, praktisch gar nicht eingegangen. Wir vermissen ferner u.a. auch die Erwähnung unserer Ausführungen zur Unvereinbarkeit der Impfpflicht mit internationalem Recht und eine Thematisierung dieser Argumentation..

Auch die Ausführungen zum Zitiergebot und zur angeblichen nunmehrigen Irrelevanz der Frage, ob die doppelt dynamische Verweisung in § 20a I BIfSG a.F. noch relevant ist (das ist sie richtigerweise wie in der Verfassungsbeschwerde dargelegt sehr wohl) können nur noch mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen werden.

Besonders unbefriedigend ist, dass das Gericht erneut keine mündliche Verhandlung durchzuführen bereit gewesen ist, obwohl dies mehrfach beantragt und erbeten worden ist.

Ob die Beschwerdeführergruppe eine Menschenrechtsbeschwerde nach Art. 34 EMRK einlegen wird, steht derzeit noch nicht sicher fest.

In Kürze wird auf der hiesigen Internetseite eine nähere Kritik der Fehler, Unvollständigkeiten und teils groben Widersprüche des Beschlusses veröffentlicht werden.

Heidelberg, den 23.05.2022

Rechtsanwalt Dr. Lipinski

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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