Das andere «Wort zum Sonntag» oder: Ein Stockwerk tiefer suchen. Und finden.

Veröffentlicht am 9. Juli 2022 von LM.

Machen wir’s kurz. Die vielen Trennungen, Scheidungen und Zerwürfnisse unserer Tage müssen wir, vom Ende her gesehen, nicht bedauern. Es hat schon immer zwei Gruppen gegeben, und es wird immer zwei Gruppen geben: Die einen stimmen zu und lassen sich treiben, die anderen haben ein höheres Ziel vor Augen und auf dem Herzen und schlagen andere Wege ein.

Zwei Dimensionen erweisen sich dabei als die Variablen: die jeweilige Zeit und ihre Themen und die jeweilige Intensität des Suchens und Findens. Lässt man sich heute mitreissen von Kriegsängsten, Gesundheitswahn und säkular-prophetischem Prognostizieren, so waren es früher verdrehte Worte von Betrügern, zynische Triumphgesänge und verführerische Weiber; Schnittmengen vorbehalten. Das 2. Kapitel der Sprüche ist da ziemlich realistisch in seinen Beschreibungen.

Wie intensiv hingegen werden die Alternativen gesucht, wie erfolgreich werden sie gefunden? Das dürfte sich früher wie heute an der gleichen Weiche entscheiden, nämlich an der je eigenen Antwort auf den Ratschlag: «Darum wandle du auf dem Weg der Guten und bewahre die Pfade der Gerechten!»

Also die alte Variante eines «Tue recht und scheue niemand» und so etwas wie ein religiös eingekleideter kategorischer Imperativ? Der Schreiber vom Buch der Sprüche ist kein Kant der Antike. Er ist ein Ratgeber durch und für alle Zeiten.

Er sucht intensiver und weiter als nur nach einer innermenschlichen Instanz, die es aus Einsicht ins Notwendige wieder inkraft zu setzen gelte. Er setzt vielmehr voraus, dass man / du «der Weisheit dein Ohr leihst» und das Herz «der Einsicht zuwendest», dass «du um Verständnis betest und um Einsicht flehst – im Wissen darum, dass «der HERR» Weisheit gibt und diesen Aufrichtigen «behütet» und «beschirmt».

Das geht ein Stockwerk tiefer und ein paar Horizonte weiter als alle nur notgeborenen Appelle und Anläufe.

Man muss das einfach mal kontrastieren, um diese ganz andere Haltung überhaupt wahrzunehmen; ob man ihr dann selber nachspüren mag oder nicht. Redlichkeit, geistige Redlichkeit, besteht auch darin, Unterschiede zu erkennen und darüber «erleuchtete Augen des Herzens» zu wagen, wie das Paulus nennt.

Viele Menschen schauen sich ja genau danach um. Woher sonst alles spirituelle Suchen und Probieren? Es nährt sich aus dem Gefühl, dass das vordergründig Materielle und das abgründig Boshafte nicht der Weg sein können; nicht mehr und «ganz sicher nicht für einen selber»! Man geht auf eine Weiche zu. – Recht so! Denn «es müssen ja Spaltungen unter euch sein, auf dass die unter euch offenbar werden, die bewährt sind», schreibt wiederum Paulus.

Wer sind diese «Bewährten»? Keine anderen als jene «auf dem Weg der Guten»; die angefangen haben, ihrem Herzen zu folgen, und dieses Herz «der Einsicht zuwenden», dass sie ohne dem lebensbegleitenden Gott der Bibel das Ziel, ihr Ziel, nicht erreichen werden, mit Ihm zusammen aber «das Land bewohnen» werden.

«Wir beschäftigen uns mit dem Glauben nicht,

um zu etwas zurückzukehren, das uns vordem schon zu eng geworden ist,

sondern um etwas zu finden, das uns aus dieser Enge befreit,

das gross und weiträumig genug ist,

um uns in unserer Ratlosigkeit mit aufzunehmen.»

Hermann Rauschning, Ruf über die Schwelle, 1955.

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Wort zum Sonntag vom 3. Juli 2022: Jetzt sind wir die «nächste Generation»

Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft auch an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.

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