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„Ich mache mir große Sorgen um Deutschland“

Published On: 25. Juli 2022 6:00

Der US-amerikanische Fachjournalist und Thinktanker Michael Shellenberger (*1971) präsentierte in Berlin sein soeben auf Deutsch erschienenes Buch „Apokalypse, niemals! Warum uns der Klima-Alarmismus krank macht“. Als Grüner, der „viel gelernt hat“, plädiert er für Kernenergie und gegen Klimapanik – obwohl er an den menschengemachten Klimawandel glaubt. Außerdem sorgt er sich um Deutschland. Das Gespräch führte Ulrike Stockmann.

Sie kritisieren die allgemeine Klimahysterie. Warum lassen sich Ihrer Meinung nach so viele Menschen von der Panik anstecken?

Michael Shellenberger: Aus meiner Sicht gibt es eine menschengemachte globale Erwärmung, ich denke allerdings nicht, dass dies das Ende der Welt ist. Dennoch wäre es aus meiner Sicht besser, wenn es keine Veränderung der Temperatur gäbe, einfach weil unsere Städte, unsere Landwirtschaft, unsere Naturräume und so weiter jeweils auf ein bestimmtes Klima ausgerichtet sind. Andererseits: Wenn man die Wahl zwischen etwas wärmerem und etwas kälterem Klima hat, dann ist eindeutig die Wärme vorzuziehen, weil mehr Menschen durch Kälte als durch Hitze sterben.

Sowohl in den reichen Ländern als auch global reduzieren wir bereits unseren CO2-Ausstoß. In den meisten Fällen durch die Umstellung von Kohle auf Erdgas, welches nur ungefähr halb so viel CO2 ausstößt wie Kohle.

Im Grunde gibt es zwei Gründe, warum die Diskussion um den Klimawandel so apokalyptisch wurde. Denn ursprünglich waren derartige Diskussionen gar nicht so apokalyptisch. In den frühen 80er Jahren kamen die jeweiligen nationalen Wissenschaftsinstitutionen zu dem Schluss, dass der Klimawandel keine Katastrophe darstellen würde und dass die Menschen sich daran anpassen könnten, unter anderem weil man auf Gas und Atomkraft umsteigen würde, damit die Gesamttemperaturen nicht ansteigen.

Mit dem Ende des Kalten Krieges verringerte sich die Gefahr eines Atomkrieges zwischen den ehemals verfeindeten Lagern. All jene mit apokalyptischen Ansichten über Atomwaffen brauchten nun eine neue Projektionsfläche für apokalyptische Gedanken. Sie wählten den Klimawandel.

Ein traditionelles Anliegen der Umweltschützer war die Angst vor Überbevölkerung. Auch diese Sorge zerstreute sich, als klar wurde, dass, sobald arme Staaten wohlhabender werden, die dortige Bevölkerung weniger Kinder bekommt. Dieselbe demografische Entwicklung reicher Länder zeigte sich also auch bei ärmeren. Nicht zuletzt führte China die Ein-Kind-Politik ein. Aber auch andere arme asiatische Länder verzeichneten mit wachsendem Wohlstand eine geringere Geburtenrate. Auch unter dieser Zielgruppe erfreute sich der Klimawandel großer Beliebtheit als Möglichkeit, apokalyptische Ängste und Wünsche auszudrücken.

„Der Klimawandel ist eine Möglichkeit, soziale Macht zu erlangen“

Warum brauchen wir im Westen überhaupt die Vorstellung der Apokalpyse?

Ich denke, aus drei Gründen: Geld, Macht und Religion. Natürlich gibt es genügend Interessenten, um den Klimawandel finanziell auszuschlachten. Vor allem im Bereich der Erneuerbaren Energien. Aber auch bei den „ESG“-Kriterien der Finanzwelt (Die nachhaltige Investitionen durch angeblich höhere Umwelt-, Sozial- und Ethik-Standards ausweisen sollen, Anm. d. Red.). Dies ist jedoch nur ein Weg, um Geldströme und Unternehmen staatlich regulieren zu können. Es geht letztlich um die Kontrolle des Privatsektors.

Außerdem fällt auf, dass jene, die besonders apokalyptisch auf den Klimawandel blicken, gleichzeitig nach größerer Macht und Kontrolle über die Ökonomie und die Gesellschaft streben. Allerdings nicht nur im Bereich der staatlichen Regulation, sondern auch bei Protagonisten und Gruppierungen wie Greta Thunberg oder Extinction Rebellion. Gruppen, in denen Individuen wirken, die sich sozial isoliert fühlen. Junge Leute, die sich machtlos fühlen, benutzen den Klimawandel als Möglichkeit, um soziale Macht zu erlangen.

Drittens ist der Klimawandel längst zu einer alternativen Religion geworden, und zwar unter Leuten, die angeblich säkular sind. Zumindest glauben sie nicht mehr an die judeo-christlichen Religionen, weil deren Einfluss sinkt. Also wird der Klimawandel zur neuen säkularen Religion. Inklusive Ausblick auf das Ende der Welt und die Sehnsucht nach einer paradiesischen Vergangenheit, in der wir in Harmonie mit der Natur lebten. Und dem Wunsch, mittels Erneuerbarer Energien und Biolandwirtschaft wieder dorthin zurück zu gelangen. Im Grunde wenden wir uns einem niedrigeren, einfacheren und ärmeren Energie-Lebensstil zu.

In Sri Lanka spielt sich derzeit eine riesige Katastrophe ab. Die Regierung hat über Nacht eine Umstellung auf ökologischen Anbau beschlossen. Die Folge: Die Menschen hungern und haben daraufhin ihren Präsidenten gestürzt. Was geht in Entscheidungsträgern vor, die so etwas verursachen?

Im April 2021 hat die Regierung Sri Lankas chemischen Dünger verboten. Die Folgen waren katastrophal. Die Tee-Exporte sind um fast 20 Prozent eingebrochen. Tee war Sri Lankas wichtigstes Exportgut. Ohne die Erlöse aus dem Tee-Export konnte die Regierung nicht mehr ihre Schulden bezahlen und keine Versorgung mit Strom und Lebensmitteln mehr gewährleisten. Eine große Finanzkrise brachte die Regierung zu Fall.

Wie kam die Regierung darauf, Dünger zu verbieten? In Sri Lanka herrschte der Aberglaube, dass chemischer Dünger Nierenerkrankungen auslösen würde. Ein weiterer Grund waren aber die importierten Ideen aus dem Westen, die wir so ähnlich schon von der Unterstützung der Erneuerbaren Energien her kennen: Moderne Landwirtschaft würde die Natur zerstören, die ein harmonisches System sei, das durch die chemische Landwirtschaft untergehen würde. Seit den Sechzigern verbreitet der Westen solche Ideen, um zu versuchen, die Entwicklung der armen Länder sowie eine Überbevölkerung zu verhindern. Das ist jedoch ein totaler Irrtum.

Wenn man die Größen von Familien reduzieren will, braucht man größere ökonomische und landwirtschaftliche Produktivität. Der Irrglaube begann im späten 18. Jahrhundert mit den menschenfeindlichen Ideen des Ökonomen Thomas Robert Malthus. Er betrachtete die Menschheit als dazu verdammt, sich selbst zu zerstören. Schon bei Malthus findet man einen religiösen Impuls, aber vor allem einen düsteren Blick auf die Menschheit.

Doch eine derartige Ideologie befürwortet in Wahrheit eine selbstzerstörerische Politik. Denn jene, die behaupten, Menschen seien selbstzerstörerisch, streben eigentlich selber nach der Zerstörung der menschlichen Gesellschaft.

In dieser Ideologie steckt Fortschrittsfeindlichkeit sowie eine bestimmte Auffassung davon, was Natur eigentlich ist. Demnach ist Gülle natürlich, aber chemischer Dünger gehört nicht zur Natur. Dabei ist die chemische Zusammensetzung jeweils die gleiche. Aber man glaubt, das eine sei natürlich, weil es vom Tier kommt, wohingegen die Verbindung von Luft und natürlichem Gas unnatürlich sei.

„Deutschland wird bedeutend ärmer werden“

Man könnte sich genauso die fatalen Entscheidungen der deutschen Politik hinsichtlich der Landwirtschaft und Energieversorgung anschauen. Also nochmal: Was steckt auf Seiten der Entscheider dahinter? Unwissenheit, Lobbyismus, Böswilligkeit?

Es steckt ein Hass gegenüber der Menschheit oder der menschlichen Gesellschaft dahinter. Die Auffassung, dass alles, was Menschen tun, schlecht sei, wir einen zerstörerischen Einfluss auf den Planeten hätten und es besser wäre, wenn es weniger Menschen gäbe.

Das ist ja gruselig. Dann wären unsere Eliten ja misanthropisch.

Ja, das stimmt. Eine sehr beunruhigende Vorstellung. Aber gleichzeitig schränken die Entscheidungsträger ja nicht sich selbst ein, sondern nur Andere. Es geht also wieder um Macht und die Kontrolle über das Leben der Anderen. Das sollte einen wirklich erschrecken. Weil es die Situation einer unsicheren Energieversorgung, zum Beispiel für Deutschland, kreiert. Ich mache mir große Sorgen um Deutschland und um Europa. Putin hat die Gaslieferung reduziert, also 40 Prozent des gesamten nach Deutschland importierten Gases. Eine schlimme Situation. Die Aluminium-, Stahl-, Glas- sowie Automobilindustrie hängt von billiger Energie ab. Ist dies nicht gewährleistet, wird Deutschland bedeutend ärmer werden.

Unsere Politiker versuchen uns momentan davon zu überzeugen, im Winter zu frieren und generell den Gürtel enger zu schnallen. Eine Diskussion, die eines Industrielandes definitiv unwürdig ist. Was macht es denn in den USA für einen Eindruck, dass wir uns nicht nur von Atomstrom, sondern auch von Kohlestrom verabschieden wollen?

Es ist einfach nur traurig. Es gibt so viel an Deutschland zu bewundern: Die Ingenieurskunst, die Qualität der Infrastruktur. Und wenn man sich dann vergegenwärtigt, dass so qualitative Kernkraftwerke wie jene in Deutschland stillgelegt werden, ist das, als würde man jemandem bei der Zerstörung einer Kathedrale zusehen. Nur dass es sich um eine Kathedrale handelt, die nicht nur Schmuck ist, sondern die Gesellschaft mit Strom versorgt.

Insgesamt hat sich die Diskussion um Kernkraftwerke in letzter Zeit rapide zum Positiven gewendet, sogar in Deutschland. Ich selbst bin für Kernenergie. Nun äußert sich sogar Elon Musk, der mit Solarzellen Geld verdient, positiv zur Kernenergie. Wenn sich Kalifornien in dieser Hinsicht verändern kann, können es alle anderen auch. Gerade wurde beschlossen, dass Kalifornien sein letztes Kernkraftwerk nicht abschalten wird. Ich glaube auch, dass Deutschland seine letzten drei Kernkraftwerke behalten wird. Natürlich muss noch mehr geschehen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt macht Kernenergie nur 6 Prozent der Energieversorgung in Deutschland aus. Also nicht mal annähernd ausreichend. Aber irgendwo muss man ja anfangen. Die letzten aktiven Kernkraftwerke zu erhalten, erhöht die Wahrscheinlichkeit, Kernenergie in Zukunft auszubauen.

„Meine Liebe zur Natur ließ mich die Erneuerbaren hinterfragen“

Was hat Sie eigentlich als Nicht-Naturwissenschaftler vom Atomstrom überzeugt? Wie haben Sie es geschafft, dem gängigen Narrativ zu trotzen?

Ich verstehe mich als Journalist. Um ein guter Journalist zu sein, muss man aber eine ähnliche Mentalität wie ein Wissenschaftler haben. Man muss immer in der Lage sein, eine andere Meinung umfassend wiederzugeben. Im Allgemeinen ist ein kritischer Denker jemand, der den Standpunkt seiner Gegner akkurat wiedergeben kann. Und jemand, der verschiedene Sichtweisen einbeziehen kann.

Um die Jahrtausendwende war ich selber alarmistisch gegenüber dem Klimawandel eingestellt und setzte mich für Erneuerbare Energien ein. Doch dann begriff ich die Probleme der Erneuerbaren. Sowohl die unkontinuierliche Stromversorgung durch wetterbedingte Energiequellen als auch ihre schädlichen Auswirkungen auf die Landschaft. Denn ich sorge mich um den Erhalt der natürlichen Umwelt, inklusive der Wüsten in Kalifornien. Dort wurden viele Solarpaneele aufgestellt, doch das beansprucht einfach zu viel Land. Sie benötigen 300- bis 500-mal mehr Fläche als konventionelle Kraftwerke. Meine Liebe zur Natur ließ mich die Erneuerbaren hinterfragen.

Zur gleichen Zeit begann sich jemand aus meinem Umfeld für Atomkraft einzusetzen, sodass ich einen zweiten Blick auf diese Form der Energiegewinnung riskierte. Für Atomkraft gilt das genaue Gegenteil: Man braucht nur sehr wenig Fläche. Eine Technologie, die immer als umweltschädlich verunglimpft wurde, war eigentlich gut für die Umwelt. Und umgekehrt waren die vermeintlich guten Energieformen schlecht für die Umwelt. Das schockierte mich.

Ich war 15 Jahre alt, als das Unglück von Tschernobyl geschah. Das war furchtbar, denn es wurde beinah so berichtet, als wäre eine Atombombe explodiert. Ich reagierte also ähnlich wie die meisten Menschen in Deutschland: Nämlich dass unsere Gesellschaft flächendeckend vergiftet worden sei. Jede Form von Gift wirkt zu Recht beängstigend auf uns.

Was hat dazu geführt, dass Sie die kritische Instanz in Ihrem Kopf in Bezug auf die Kernenergie überwunden haben?

Zwischen 2006 und 2010 begann ich, meine Ansichten zu hinterfragen. Ich war damals Ende Dreißig und in einem vernünftigeren Alter. Ich las also Studien über Tschernobyl von der WHO und der UNO. Bei der Lektüre entdeckt ich, dass nur sehr wenige Menschen durch Tschernobyl verletzt wurden. Außerdem erfährt man, dass Radioaktivität nicht so giftig ist, wie man annehmen würde. In hoher Dosis natürlich schon. Aber das kann man im Prinzip über fast jeden Stoff sagen. Wenn sich Radioaktivität über eine große Fläche ausbreitet und man ein bisschen davon abbekommt, kann man die Wirkung mit dem Effekt von Sonnenlicht vergleichen. Wir genießen Sonnenlicht in Maßen, aber zu viel Sonne schadet.

Im Grunde steht hinter allen meinen Untersuchungen die Frage, wie Ideologie in Gestalt von säkularen Religionen Zivilisationen unterwandert.

„Apokalypse, niemals! Warum uns der Klima-Alarmismus krank macht“ von Michael Shellenberger, 2022, Langen-Müller-Verlag: München. Hier bestellbar.

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Seit einigen Tagen ist Achgut.com erneut Verleumdungen und Boykott-Aufrufen aus dem antisemitischen Milieu auf Twitter ausgesetzt. Anonyme Denunzianten, die unser freies Onlinemedium wirtschaftlich vernichten wollen, denunzieren uns bei Unternehmen – verbunden mit dem Aufruf, keine Werbung mehr bei uns zu schalten. Mehr dazu finden Sie im Beitrag: Die „Compliance“ von Antisemiten. Aufgrund vieler Fragen von Achse-Lesern und Twitter-Nutzern, was man ganz praktisch dagegen tun könnte, beschreiben wir hier die Möglichkeit, verleumderische Twitter-Tweets und Nutzer-Profile bei Twitter zu melden: Was Sie gegen Twitter-Denunzianten tun können.

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