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Ich habe mir alles kulturell angeeignet

Published On: 30. Juli 2022 16:00

Ich habe mich mal in meinem Leben umgeschaut. Alles, aber wirklich alles, was ich benutze, habe ich nicht selbst erfunden. Ich habe mir alles angeeignet. Meine Sprache, die Werkzeuge, mein ganzes Wissen, alles habe ich mir angeeignet. Was also soll ich jetzt machen?

In der Schweiz leben über zwei Millionen Ausländer ohne Schweizer Bürgerrecht. Damit hat die Schweiz einen Ausländeranteil von ungefähr 25 Prozent. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist der Ausländeranteil an der schweizerischen Gesamtbevölkerung höher als in vielen anderen europäischen Ländern. Die Schweiz ist somit ein Land, das sehr intensiv von anderen Kulturen lernt. Mit dieser Tradition könnte es jedoch bald vorbei sein, denn die Offenheit der Schweiz läuft Gefahr, als kulturelle Aneignung gebrandmarkt zu werden.

Am 18. Juli 2022 wurde in der Schweizer Hauptstadt Bern ein Konzert der Reggae-Band „Lauwarm“ vom Veranstalter abgebrochen, weil sich mehrere Zuschauer beschwert hatten. Sie hatten erklärt, sich „unwohl“ zu fühlen, weil zwei weiße Männer innerhalb der Band Rastafrisuren tragen, die Band jamaikanische Reggae-Musik spielt und sie dabei sogar öfter farbige Kleider aus Senegal und Gambia tragen. Für sie ist dieses Verhalten der Band eine unerträgliche „kulturelle Aneignung“.

Was bitte soll diese kulturelle Aneignung sein?

Ich habe mich mal in meinem Leben umgeschaut. Alles, aber wirklich alles, was ich benutze, habe ich nicht selbst erfunden. Ich habe mir alles angeeignet. Meine Sprache, die Werkzeuge, mein ganzes Wissen, alles habe ich mir angeeignet. Was also soll ich jetzt machen?

Darf ich etwa nur noch Dinge konsumieren, die von Menschen meiner Hautfarbe erfunden wurden? Darf ich keine Kartoffeln mehr essen, weil sie aus Amerika importiert wurden? Müssen Muslime und Christen ihre Religion ablegen, weil sie sich den Glauben von Juden angeeignet haben? Sollen nur noch Amerikaner Facebook benutzen dürfen? Sollen alle Deutschen, Engländer und Franzosen aufhören, ihre Sprachen zu schreiben, weil sie dabei lateinische Buchstaben benutzen? Sollen Menschen in Afrika aufhören, sich Techniken aus Europa anzueignen? Darf Lang Lang kein Beethoven, Liszt und Mozart mehr spielen? Sollen alle Asiaten aus der Musikhochschule in Köln rausgeworfen werden, weil sie sich die europäische Musikkultur aneignen?

Menschen waren und sind ständig im Austausch. So entstehen neue Kulturen. Menschen lernen voneinander und messen sich aneinander. Sie sind Gegner und Freunde, Nachbarn und Fremde, aber immer inspirieren sie sich dabei.

Die Evolution der Menschheit ist eine fortlaufende Aneignung

Wenn diese Evolution nicht mehr gewünscht ist, was genau soll ich machen, um mich nicht der kulturellen Aneignung schuldig zu machen? Sollen vielleicht die Nürnberger Rassegesetze wieder eingeführt werden, damit entschieden werden kann, zu welcher Rasse jemand gehört, um so zu bestimmen, wie er sich kleiden und welche Musik er spielen darf?

Wann darf ein Mensch Dreadlocks tragen? Muss er mindestens einen schwarzen Vater haben oder reicht es schon, wenn er eine schwarze Großmutter hat? Wann ist man schwarz genug, um das weiße Okay zu bekommen, authentisch unterdrückt zu sein?

Weiße Menschen, die darüber entscheiden, wer schwarz genug ist, nehmen für sich in Anspruch, darüber zu bestimmen, wer zu welcher Rasse gehört und welche Rechte und Pflichten daraus für ihn resultieren. Sie nennen es kulturelle Aneignung. Ihre Großeltern nannten es jedoch „Rassenschande“.

Hinter der Ablehnung von kultureller Aneignung verbirgt sich die Überzeugung, es könne und müsse „reinrassige“ Kulturen geben, unberührt von jeglicher Form der „artfremden“ Vermischung. Im Grunde genommen ist die moderne Ablehnung von kultureller Aneignung nichts weiter als die unterbewusste Aneignung des alten Rassismus der eigenen Vorfahren.

Aber was erlaube ich mir schon, über das Unterbewusstsein dieser Leute zu spekulieren? Die Psychoanalyse wurde schließlich von einem Juden erfunden, und als Nicht-Jude habe ich selbstverständlich nicht das Recht, mir dieses Wissen anzueignen.

Hören Sie morgen früh Gerd Buurman ab 6 Uhr auf Indubio: Er spricht mit dem Kernenergetiker und Achse-Autor Manfred Haferburg über die Zukunft der Kernenergie in Deutschland und holt später noch Prof. Dr. André Thess zu dem Gespräch hinzu, Initiator der „Stuttgarter Erklärung“, in der deutsche Professoren dazu aufrufen, den Ausstieg aus der Kernkraft rückgängig zu machen.

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