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Eine Momentaufnahme des indischen Gesundheitssystems

Published On: 15. August 2022 0:06

Veröffentlicht am 15. August 2022 von LK.

Heute vor 75 Jahren hat sich Indien aus den Fesseln der britischen Kolonialherrscahft befreit. Vikram Patel, Professor für Internationale Psychische Gesundheit und Wellcome Trust Senior Research Fellow in Clinical Science an der London School of Hygiene & Tropical Medicine (UK), hat zusammen mit Beauftragten der «Bürgerkommission zur Neugestaltung des indischen Gesundheitssystems» beleuchtet, wie es aktuell um die allgemeine Gesundheitsversorgung in Indien bestellt ist.

Gegenüber der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet sagten die Autoren, dass Indien seit der Unabhängigkeit zwar bei vielen Gesundheitsindikatoren, wie etwa der Kindersterblichkeit, erhebliche Verbesserungen erzielt habe, die Fortschritte in anderen Bereichen jedoch zurückgeblieben seien. Dabei betonen sie, dass zwischen den Bundesstaaten grosse Unterschiede bestünden.

Die Vision von Premierminister Narendra Modi sei es, dass Indien eine grössere Rolle in der Weltwirtschaft spielt und effizienter, wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger wird. In seiner Rede an die Nation im Jahr 2020 sagte er, dass das 21. Jahrhundert Indien gehören könnte, wenn das Land sich «selbständig» macht. Den Kommentatoren zufolge, müsse das Land zunächst die Gesundheits- und Entwicklungsbedürfnisse seiner Bevölkerung befriedigen, um dieses Ziel zu erreichen.

Millionen von Indern hätten immer noch keinen Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsdiensten. Trotz der Einführung mehrerer schlagzeilenträchtiger politischer Massnahmen liessen Modi und die Staatsführer einen grossen Teil der indischen Bevölkerung im Stich.

«Covid-19 hat die Stärken und Schwächen Indiens aufgezeigt. Indien war eines der am schlimmsten betroffenen Länder der Welt. Das Gesundheitssystem war völlig unvorbereitet und schlecht gerüstet, um eine ‹Pandemie› dieses Ausmasses zu bewältigen. Nach dem Aussetzen von Impfungen, Ernährungsprogrammen und Vorsorgeuntersuchungen für nicht übertragbare Krankheiten besteht nun dringender Nachholbedarf.»

(wir berichteten hier und hier)

Seit 2018 seien mehr als 120’000 Gesundheits- und Wellness-Zentren eröffnet worden, die eine Reihe von primären Gesundheitsdiensten anböten. Weitere 150’000 würden bis Ende des Jahres fertiggestellt sein. Es bleibe jedoch abzuwarten, ob sie die Gesundheitsergebnisse verbessern werden. Die grösste Herausforderung sei die Sicherstellung von Gesundheitspersonal für diese Einrichtungen. Nach Angaben von The Lancet ist die Zahl der Medizinstudienplätze zwischen 2014 und 2022 um 75% gestiegen, die Zahl der Stellen für Postgraduierte um 93%, aber es werde dauern, bis die Kliniken über genügend Fachkräfte verfügen. Ausserdem werde es von entscheidender Bedeutung sein, genügend nichtärztliche Gesundheitsdienstleister auszubilden, um die medizinische Grundversorgung zu gewährleisten.

Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern sei immer noch ein grosses Hindernis für die Gesundheit und die Entwicklung in Indien. Nach wie vor seien Frauen benachteiligt und würden in hohem Masse diskriminiert. Unterernährung und Anämie seien bei Inderinnen unannehmbar hoch und hätten sich trotz Nahrungsergänzungsprogrammen kaum verbessert. Im Vergleich zu Männern hätten Frauen weniger Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Zudem sei die Erwerbsbeteiligung von Frauen erheblich zurückgegangen. Die Fortschritte in Bezug auf häusliche Gewalt, Kinderheirat und Schulabbruch seien während der «Pandemie» wieder zunichte gemacht worden. Die Daten zeigten auch eine unverhältnismässig hohe Zahl älterer Frauen – insbesondere Witwen und alleinstehende Frauen – ohne soziales Sicherheitsnetz in einer Gesellschaft, in der zunehmend Kernfamilien erwartet würden.

Die Umkehrung dieser geschlechtsspezifischen Unterschiede würde eine grundlegende Veränderung der sozialen, kulturellen und institutionellen Normen erfordern. Entscheidend sei ein sektorübergreifender Ansatz, der Bildung, Gesundheit, Ernährung, Wasser und sanitäre Einrichtungen sowie Arbeit und Beschäftigung einbezöge. Dieser Ansatz soll dazu dienen, dass sich Frauen in Zukunft stärker emanzipieren können.

The Lancet verweist darauf, dass sich in einem politischen Umfeld nichts ändern wird, wenn die Lücken nicht anerkannt, geschweige denn geschlossen werden. Der medizinischen Fachzeitschrift zufolge wird Indien im Jahr 2023 das bevölkerungsreichste Land der Welt sein. Die demografische Dividende habe zu einer wachsenden jungen Bevölkerung geführt, aber die Fruchtbarkeit stabilisiere sich jetzt. Die demografische Dividende bezeichnet in der Demografie und der Ökonomie den möglichen wirtschaftlichen Nutzen, der sich durch die entwicklungsbedingte Veränderung der Altersstruktur eines Staates erzielen lässt.

Indien hat The Lancet zufolge die Möglichkeit, für einen begrenzten Zeitraum von den Vorteilen einer wachsenden jungen Bevölkerung zu profitieren. Um daraus Kapital zu schlagen, seien Investitionen in die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung erforderlich. Die Regierung müsse mehr tun, als an nationalistische Interessen zu appellieren und sich auf auffällige gesundheitspolitische Massnahmen zu verlassen, ohne über deren Wirksamkeit Rechenschaft abzulegen. Sie müsse das Recht auf Gesundheit und eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für alle ihre Bürgerinnen und Bürger gewährleisten.

Ausserdem müsse die indische Regierung von einem kurativen zu einem präventiven Ansatz in der Gesundheitspolitik übergehen und die Rolle der Zivilgesellschaft anerkennen. Aufgabe der Regierung sei es auch, in junge Menschen zu investieren, damit sie an der Wirtschaft und Gesellschaft teilhaben können. Die Regierenden müssten sicherstellen, dass die sozialen Sicherheitsnetze für diejenigen da sind, die sie brauchen und sich mit den sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Determinanten der Gesundheit befassen. Es liege auch in der Verantwortung der Regierung, zu erkennen, dass das Ziel, eine echte Weltmacht zu werden, eine Fata Morgana bleiben wird, wenn nicht jeder Inder, unabhängig von Geschlecht, Kaste, Klasse, Religion oder Region, sein volles Potenzial ausschöpfen kann und dabei vom Staat unterstützt wird.

Zum vollständigen Artikel (auf Englisch).

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