Das andere «Wort zum Sonntag» oder: Das Heil liegt auf der Strasse

Das andere «Wort zum Sonntag» oder: Das Heil liegt auf der Strasse

Veröffentlicht am 2. Oktober 2022 von LM.

Das sind so die ermutigenden Begegnungen und Gespräche, diese beiden, die mir in den letzten Tagen mit zwei Pfarrkollegen vergönnt waren. Warum wir denn auf die Strasse gehen sollten für Gottesdienste oder kurze Beiträge zum Glauben, war unser Thema.

Erstaunlich rasch – verglichen mit meinen Erfahrungen der letzten zweieinhalb Jahre – waren wir einer Meinung: weil gerade dort die Leute sind, die ihre ehrlichen Fragen ausdrücken; die sich berühren lassen von einer Not, die ihre Sehnsüchte bekunden, die sich mit Oberflächlichem nicht mehr zufrieden geben.

Schon klar, dass man dort kaum mit Liturgie und Talar und Glaubensbekenntnis daherkommen kann. Warum auch? Dies alles kann Ausdruck sein eines gefestigten Glaubens, im dümmeren Falle aber eines verfestigten. Auf der Strasse, auf den Plätzen – dort ereignet sich Glaube in der gestaltlosen Vorform eines gemeinsamen Fragens und Suchens.

Vorhof von Kirche nenne ich das. Der alte Tempel in Jerusalem hatte so einen «Vorhof der Heiden». Dort durfte jeder hinein, unabhängig von Glaube und Geschlecht. Man konnte sich also schon mal dem nähern, woraus andere ihren ganzen Halt und ihre Identität bezogen, aber man musste deswegen nicht aufspringen auf einen alten Zug.

Vorhof von Kirche findet heute Sonntagmorgen, gegen 10.30 Uhr, in Nonnenhorn bei Lindau statt und dann am Nachmittag, gegen 16 Uhr, am Fähranleger in Konstanz. Wir erweitern die «Friedenskette» um eine Dimension und marschieren dann dem Ufer entlang.

Klerikal denkenden Menschen ist das ein Graus. «Wie kann man sich nur für so etwas hergeben!» Kirche, das ist ein angekündigter Gottesdienst in einem vertrauten Gebäude mit einem erkennbaren Pfarrer oder Priester und einem soweit gewohnten Ablauf. So in etwa hatte jener Polizist am vergangenen Freitag gemeint. Wir hatten ihn in meiner Gerichtsverhandlung in Rastatt gefragt, war für ihn denn Kirche und Gottesdienst ausmache.

«Mir ist es ähnlich ergangen», schreibt Eugen Rosenstock-Huessy. «Außerhalb des Kirchenraums, ohne das volle Ritual und Credo, (…) hielt ich kein Seelenheil für möglich. Da wurde mir gezeigt, daß kein Glaube ohne neue Formen der Verkündigung lebendig bleiben kann. (…) Man kann eben auch von zuviel Kirche bekehrt werden.»

Wegweiser auf den Vorhof raus. Denn dort sind die Menschen und die Fragen und «das Heil». Dort «ausserhalb des Tores» solle man mit Ihm eine «Schmach tragen», wie es im Hebräerbrief heisst. Manche Pfarrkollegen wissen hiervon zu berichten. Aber das ist nur die eine Seite. Mazedonien ist die andere; jenes «Komm herüber und hilf uns» im Traum des Paulus (Apostelgeschichte 16, Vers 9).

Mazedonien, das sind heute die Strassen und Plätze und Seeufer, an denen sich jene Menschen versammeln, die mehr wollen; keine Kirchen oder Tempel und verordneten Weisheiten, sondern das heilige Miteinander derer, die eben dies verlassen, und jener, die ihrem Fragen eine Richtung gegeben haben.

Es ist wirklich so: «Geistesgegenwart verwandelt die Welt in einen Strom von Begegnungen» (Eugen Rosenstock-Huessy). Was braucht unsere Zeit mehr als das!?

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Wort zum Sonntag vom 25. Sept: Freigekämpfter Frieden

Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft auch an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.

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