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„Spiegel“ steht unter Druck: Berichte über angeblich totes Flüchtlingskind „Maria“

Published On: 24. November 2022 15:43

Eine Debatte, die den griechischen Sommer beherrschte, findet ein unrühmliches Ende. Die Beweise, die eine griechische Journalistin fand, scheinen eindeutig: Das angeblich auf einer Evros-Insel verstorbene Migrantenkind „Maria“ hat es vermutlich nie gegeben.

IMAGO / Fotostand

Es war eines der kleinen Dramolette dieses Nachrichtensommers in Griechenland: 38 Migranten schienen über Wochen auf verschiedenen Inseln im Evros „gefangen“ zu sein. Doch schon diese vermeintliche Grundlage der Geschichte beleuchtet den Fall mit ausreichender Schärfe. Wie sich nämlich herausstellte, hatten türkische Spezialkräfte die Migranten nicht nur auf einer Insel ausgesetzt, sondern sie später auch auf eine andere, vermeintlich besser geeignete verschifft. Besser geeignet insofern, als die Migranten so abgeschnitten von jedem Rückweg und näher an der Grenzlinie in der Mitte des Flusses Evros waren.

Doch wochenlang beharkte die oppositionelle Syriza-Partei die konservative Regierung mit Forderungen nach „Rettung“ und Aufnahme der gestrandeten Migranten. Auch die radikal-linke Partei adoptierte die Positionen von NGOs und einzelner Medien ohne jeden Rückhalt. Sogar eine Liste der Gestrandeten veröffentlichte ein Syriza-Politiker auf Twitter sowie eine Karte der Insel, die zeigen sollte, dass es sich um griechisches Staatsgebiet handelte.

Der deutsche Spiegel schrieb vom Evros als „Todesfalle EU-Grenze“. Doch dieser Artikel ist einer von vieren, die derzeit nicht mehr online sind, weil es „mittlerweile Zweifel an der bisherigen Schilderung der damaligen Geschehnisse“ gebe.

Aktueller Screenshot auf Spiegel.de

Am Ende stellte sich heraus, dass sich die Migranten doch nicht auf griechischem Territorium befanden, was aber wenig interessant war, nachdem sich die griechischen Grenzpolizisten zu einer Rettungsaktion verstanden und die 38 in das Aufnahmezentrum Fylakio verbracht hatten.

Ebenda besuchte der Spiegel-Reporter Giorgos Christides die angeblichen Eltern eines mit fünf Jahren verstorbenen Mädchens „Maria“ für viele Stunden, wie er selbst angab. Dazu hatte er sich als einfacher Übersetzer ausgegeben im Dienst der NGOs „HumanRights360“ und „Greek Council for Refugees“. Auch das wurde von Regierungspolitikern kritisiert. Diese Recherche brach Christides dann aber faktisch auch nach seinen eigenen Worten ab, nachdem er mit den Eltern des angeblich nach einem Skorpionstich verstorbenen Mädchens gesprochen hatte. Christides entschied sich, diesen Eltern von „noch“ vier Kindern zu glauben, einfach weil sie so „herzzerreißend“ von ihrem fünften, jüngst verlorenen Kind erzählten, das sie angeblich auf einer Insel im Evros begraben hatten.

Später rühmte sich Christides in der griechischen „Zeitung der Redakteure“: „Dank solcher Medien und Journalisten, aber auch dank der unermüdlichen, wenn auch geschmähten und oft verfolgten NGOs können nun 38 Flüchtlinge in Europa Schutz suchen.“ Am Evros bedankte man sich für diese Beihilfe nicht.

Spiegel-Redakteur zu griechischer Reporterin: Geduld, bitte

Falscher Bericht über ein Flüchtlingsmädchen?

Dabei weckte schon der Name des Mädchens Misstrauen: „Maria“ wollten es die Eltern genannt haben. Das mochte auch der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis nicht glauben, der Christides’ Berichte schon im Sommer und vor dem versammelten Parlament als „Schande“ ansprach. Von anderen Journalisten wurde dies wiederum als unwürdiges Verhalten des Regierungschefs bekrittelt, der Meinungen und Haltungen aus den sozialen Medien kopiere. Doch mit Verweis auf die Premierministerworte kritisierte auch Migrationsminister Notis Mitarakis weiterhin die Christides-Geschichte von dem tragischerweise auf einer Evros-Insel verstorbenen Mädchen – gestorben freilich nicht durch die Auszehrung nach langer Flucht, sondern aufgrund eines zufälligen Unfalls, wie wiederum griechische Medien hervorhoben.

Letztlich stellte sich heraus, dass ein fünftes Kind auf keiner Liste und auf keiner der Photographien zu sehen war, die die 38 Migranten selbst geschossen haben, während sie sich am Evros aufhielten, wie die Vor-Ort-Reporterin Vasiliki Siouti für die Website LiFO berichtet. Der Spiegel vertröstete die Journalistin damals, man brauche noch mehr Zeit für die Antwort. Aber die brauchte es auch nicht mehr: Auf den Bildern der Familie waren stets nur vier Kinder, davon drei Töchter, zu sehen. Und so viele befinden sich heute auch im Aufnahmezentrum Fylakio. Das fünfte Kind fehlte.

Notis Mitarakis griff dies Ende August vor dem Parlament auf und kündigte an, die Sache dem Generalstaatsanwalt beim Areopag zu übergeben. Verschiedene Angaben der Migranten seien in mehreren Punkten unlogisch oder wurden durch unabhängige Untersuchung widerlegt, so auch Angaben zum schlechten Gesundheitszustand eines Kindes und einer schwangeren Frau, was von den Ärzten im Aufnahmezentrum am Evros nicht festgestellt werden konnte. Vor allem aber: Die Eltern selbst können nicht mehr angeben, wo sie ihre angebliche Tochter begraben haben wollen, die sie mal zur Zwillingsschwester der einen, mal der anderen ihrer realen Töchter machten. Der Fall könnte damit abgeschlossen und Giorgos Christides der unjournalistischen Naivität überführt sein – wenn nicht ein noch profunderer Verdacht bestünde, dass er selbst an dieser Schauergeschichte mitgestrickt haben könnte. Genug Zeit hatte er dazu nach eigener Auskunft. Das wäre dann in der Tat: Relotius reloaded beim Spiegel.

Hang zum Melodram, sobald es um Außengrenzen geht

Sündenbock statt Selbstkritik

Dieser Hang zum Melodram durchzieht freilich die gesamte Berichterstattung des Spiegel in Sachen EU-Außengrenzen. Was sogar Christides bemerkte, aber zu wenig berücksichtigt hat: Die angeblichen „Flüchtlinge“ waren von der Türkei „genötigt“ worden, das türkische Staatsgebiet Richtung Griechenland zu verlassen. Ob es freilich Nötigung oder eigene Wahl war, bleibt hier wiederum offen. Das war der nächste Fall von unbegrenztem Vertrauen eines Journalisten zu den Angaben seiner Gesprächspartner, also jenen Migranten, die ein evidentes Interesse an der vermeintlichen Trostlosigkeit ihrer Lage haben.

Zur Verantwortung gezogen werden muss allerdings auch eine Türkei, die „Abschiebungen“ in Länder vornimmt, die nichts mit den betreffenden Migranten zu tun haben. Man nennt das landläufig auch Einschleusung und organisiertes Schlepperwesen. Auch die beteiligte NGO „HumanRights360“ musste zugeben, falsche Nachrichten in der Sache verbreitet zu haben, und wird inzwischen von den griechischen Behörden unter die Lupe genommen. Der Leiter von „HumanRights360“ entschuldigte sich für die Verbreitung der Unwahrheit, wonach die Migranten sich auf griechischem Staatsgebiet befanden. Bürgerschutzminister Takis Theodorikakos ging das nicht weit genug. Er forderte eine Entschuldigung auch von Syriza und deren Vorsitzendem Alexis Tsipras gegenüber den „Grenzanwohnern, der griechischen Polizei und dem Heer“, die gemeinsam die Grenzen des Landes bewachten.

Griechische Twitter-Nutzer forderten nun, dass sich der Spiegel gegenüber dem griechischen Volk für einige Monate währende Desinformationskampagne entschuldigte. Die wesentliche Frage wird freilich sein, welchen Interessen ein solcher, offenbar interessierter Journalismus dient und von welchen Kreisen er getragen wird.

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