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«Die Welt braucht eine geopolitische Vision»

Published On: 8. Januar 2023 0:07

Veröffentlicht am 8. Januar 2023 von LK.

Für Denis Bitterli und Ueli Keller hat die parlamentarische Parteiendemokratie abgedankt. Sie sei nicht in der Lage, qualifizierte und zukunftsfähige Lösungen herbeizuführen. Um eine Politik auf den Weg zu bringen, die sich nicht nach dem Prinzip «Gewinnen oder Verlieren» richtet, sondern mehr Perspektiven und Meinungen mit einbezieht, haben die beiden Schweizer das «Büro für Neue Politik» gegründet. Im Gespräch mit Transition News erklären die beiden, was sich hinter dieser Initiative verbirgt.

Transition News: Wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden?

Denis Bitterli: Seit dreissig Jahren forsche ich nach den Bedingungen und Voraussetzungen für Frieden. Bereits im Studium für Geschichte und Geografie an der Universität Basel war die Friedensforschung mein Studienschwerpunkt. Bei den Nachforschungen wurde klar, dass Friedensarbeit eine komplexe Angelegenheit ist und Sicherheit nicht mit Militär oder Diplomatie garantiert werden kann. Es braucht mehr.

In der beruflichen Tätigkeit als Mediator, Lehrer, Schulleiter und Erwachsenenbildner stellte sich heraus, dass für Frieden nicht nur der respektvolle Umgang oder Toleranz gegeben sein müssen, sondern auch strukturelle Voraussetzungen. Die Abhängigkeit des Privaten vom Öffentlichen ist überall sichtbar. Das Kollektive wirkt auf das Individuelle ein und das Individuelle bestimmt das Kollektive mit. Beides ist eng miteinander verbunden. Eine gelebte Friedenskultur spiegelt sich in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft wider. Das Dialogische muss sowohl im Grossen wie auch im Kleinen gesellschaftlich fest verankert und gelebt werden. Damit wird Friedensarbeit zu einem gemeinsamen Unterfangen.

Nicht nur Politikerinnen und Politiker sondern alle Menschen sind aufgefordert, bei der Schaffung einer gewalt- und herrschaftsfreien Welt mitzuhelfen. Um dies zu ermöglichen, braucht es passende politische Rahmenbedingungen. Die herkömmlichen Herrschaftssysteme gilt es durch Gemeinschaftssysteme auszutauschen. Wird unsere Gesellschaft dialogisch weiterentwickelt und im allparteilichen Sinne gestaltet, stellt sich Frieden von alleine ein. Allgemeiner Frieden wird gelebte Realität.

Wofür steht das «Büro für Neue Politik»?

Denis Bitterli: Für Frieden braucht es eine Neue Politik. Mit dem bestehenden Herrschaftsdenken lässt sich der Allgemeine Frieden nicht dauerhaft verwirklichen. Forschungsarbeiten machen deutlich, dass nur 100-Prozent-Entscheide die Sicherheit und das Wohlbefinden aller garantieren können. Die gesellschaftlichen Herausforderungen gilt es gemeinsam zu meistern. Integriert politisches Handeln ist unausweichlich. «Unus pro omnibus, omnes pro uno» – wie es seit 1902 ganz oben im Kuppelgewölbe des Schweizerischen Bundeshauses steht – ist auch in der Neuen Politik die politische Maxime. Mit der Kampagne «100% – Neue Politik» setzt sich das Büro für Neue Politik für die strukturellen und kulturellen Voraussetzungen für das integrierte politische Handeln ein.

Weshalb bedarf es einer «Neuen Politik»?

Ueli Keller: Ob offen und mit brutaler Gewalt oder versteckt und mit struktureller Gewalt: Die Welt ist voller Chaos, Krisen und Kriege, insbesondere inszeniert vom alten Herrschaftsdenken und bewirtschaftet von Grossmächtigen und von Schwerreichen. Das ist krank. Ohne Rücksicht auf Verluste wird mit Kollapsen oder gar Kriegen versucht, Probleme zu lösen. Erfolglos. Das Chaos wird noch grösser.

Viel Lärm von Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gehört zum Sound der Angst in den Köpfen von immer mehr Menschen. Wenn sie deshalb Herrschaft akzeptieren oder ihr gar glauben und vertrauen, werden sie selber ein Teil davon. Ihr Gott ist die Mehrheit; sie hat immer Recht. Und das auch dann, wenn es nicht für alle und für alles das Richtige ist. Um den Mehrheitskult reinzuhalten, werden unliebsame Meinungen und unerwünschte Informationen mit Hilfe sogenannter Faktenchecks als «Verschwörungstheorien» oder «Fake News» abgestempelt. Realitäten werden nicht als solche anerkannt, weil und wenn sie die Wahrheit der Herrschaft oder der Mehrheit in Frage stellen. Kognitive Dissonanzen werden vermieden, weil und wenn sie ein anderes Handeln bedingen würden.

Um Ängste zu verdrängen, werden Hoffnungen geschürt. Hopium: Hope is Dope! Hoffnungen, die vielen Menschen wie eine Droge dazu dienen sollen, damit sie faul in ihrem Schneckenhaus bleiben können, sich nicht mit der Realität auseinandersetzen und nichts Mutiges tun müssen. Die parlamentarische Parteiendemokratie ist mit ihrem Kampfmodus «Gewinnen oder Verlieren» ein Teil des Problems. Mit ihrem «Links-Rechts-Macht-Schach-Spiel» ist sie kaum in der Lage, Entscheidungen zu finden, die zu qualifizierten und nachhaltig zukunftsfähigen Lösungen führen, die alle und alles umfassen. Dafür braucht es eine neue Politik.

Was beinhaltet diese «Neue Politik»?

Denis Bitterli: Die Neue Politik beendet die polarisierenden Debatten der Parteienpolitik und ebnet die Grundlage für den Dialog zwischen den unterschiedlichsten Weltanschauungen und für 100-Prozent Lösungen. Die Haltung ist allparteilich. Anstatt Probleme isoliert voneinander zu bearbeiten, fordert die Neue Politik ein multifaktorielles Vorgehen. Es wird geschaut, wie verschiedene Problemfelder miteinander zusammenhängen und wie Probleme mit übergeordneten sowie bestmöglichst alle und alles umfassenden Massnahmen gelöst werden können. Vernetztes Denken fördert vielperspektivische Problemlösungen.

Dabei werden die Sichtweisen einander nicht gegenübergestellt. Sie werden als sich ergänzend gewürdigt. Es geht nicht darum, sich für die eine Meinung oder andere Meinungen zu entscheiden. Vielmehr geht es darum, alle Meinungen in einer Lösung zu verbinden.

Im Vordergrund stehen nicht mehr entzweiende ideologische Überzeugungen, sondern sachlich begründete Perspektiven. Das politische Handeln wird ganz und umfassend. Alle Menschen fühlen sich einbezogen und gehört. Die Kommunikation baut nicht auf «Ich überzeuge dich», sondern auf «Ich höre dich». Die Pendel- und Hickhack-Politik hat ein Ende.

Die Welt braucht eine geopolitische Vision. Werden die nationalen Interessen miteinander in einer gemeinsamen globalen Zielsetzung verbunden, kann die Sicherheit eines jeden Staates garantiert werden. Die kompromisslose konsensuale Haltung ist dabei Voraussetzung. Je mehr Menschen dies fordern und im konkreten Alltag daran arbeiten, umso mehr wird der Allgemeine Frieden gelebte Realität.

Wie können die Prinzipien dieser «Neuen Politik» umgesetzt werden?

Denis Bitterli: 100-Prozent-Entscheidungsprozesse, die im Zentrum der Neuen Politik stehen, müssen geübt werden. Die Art der Kommunikation, wie sie in der Regel bei indigenen Völkern üblich ist, ist für Menschen der herrschaftlich-industriell-militärisch-technokratischen Zivilisation neu und ungewohnt. In politischen Debatten stehen vor allem die Meinungen und Argumente im Zentrum der Gespräche. Bei der Neuen Politik rücken die Aspekte und die Fragen in den Vordergrund. Die Gespräche werden sachbezogener; alle beteiligten Personen richten ihr Augenmerk ganz auf die Sachlage. Es geht nicht mehr darum, die eigenen Lösungen durchzuboxen, vielmehr wird miteinander ergebnisoffen danach geforscht, wie sich Herausforderungen nachhaltig meistern lassen.

Welche Art von Veranstaltungen organisieren Sie? Was steht bei diesen Veranstaltungen im Fokus?

Denis Bitterli: Mit der Kampagne «100% – Neue Politik» werden die Grundsätze des integrierten politischen Handelns einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Die Kampagne umfasst Information, Aktionen, Projekte und Vernetzung.

Jeden Monat einmal organisiert das Büro für Neue Politik die Vollversammlung «Neues Parlament». Dabei wird die neue Art des Politisierens gelebt und der Aktionsplan für die Verbreitung der Neuen Politik zusammengestellt. Mitglieder des Neuen Parlaments haben am Internationalen Tag der Demokratie 2022 vom «Campus für Demokratie» mitgewirkt. Des Weiteren arbeitet eine Arbeitsgruppe an einer politischen Initiative zur Stärkung der Neuen Politik.

Die Bildung nimmt bei der Verbreitung der Neuen Politik einen grossen Stellenwert ein. Die Privat-, Freizeit- und Abendschule «Lernwält» ist ein Projekt, welches vom Büro für Neue Politik vor fünf Jahren initiiert wurde. Es zielt darauf, Friedenswissen zu vermitteln, Friedensfähigkeit zu fördern und Friedenshandeln einzuüben. Das Lernkonzept ist konsequent auf den Prinzipien der Neuen Politik aufgebaut.

Das Büro für Neue Politik baut nun mit Fachkräften aus dem Gesundheitswesen ein Gesundheitszentrum auf. Der Grundsatz, dass in der Beziehung zu sich selber und zur Welt der Mensch seine Gesundheit kräftigen und stärken kann, ist das Kernanliegen dieser Fachstelle. Man hört Patienten und Klienten zu. Sie erhalten Begleitung im Umgang mit den Nöten und Sorgen, und sie werden bei der Behandlung ihrer Erkrankungen ganzheitlich begleitet. Das medizinische Verständnis wurzelt in der Gewissheit, dass Zuwendung und Liebe die Voraussetzung für Heilungsprozesse sind. Informiert wird über die Neue Politik mit der Homepage Einestimme.ch, mit Informationsveranstaltungen, mit der Zeitung DAS BLATT, Podcasts und Filmen.

Welche Blattlinie verfolgt Ihre Zeitung? Welche Schwerpunkte hat DAS BLATT?

Denis Bitterli: Medien haben in der Friedensarbeit einen grossen Stellenwert. Wie über Ereignisse in der Welt berichtet wird, beeinflusst die Wahrnehmung der Leserinnen und Leser. Werden Lügen verbreitet oder wird die Wahrheit gesagt? Über welche Ereignisse soll berichtet werden? DAS BLATT hat sich zum Ziel gesetzt, ein vielfältiges Bild in der Berichterstattung zu zeichnen, allen Stimmen (auch den ungehörten) eine Plattform zu geben und auf diese Weise einen Beitrag für das Gemeinwohl zu leisten.

Was bedarf es, um diesen gesellschaftlichen Wandel zu erreichen? Wo muss er Ihrer Meinung nach beginnen?

Denis Bitterli: Um den unabdingbar notwendigen gesellschaftlichen Wandel zu erreichen, sollten möglichst viele Menschen die Neue Politik in der Praxis kennenlernen. Es hat sich gezeigt, dass Zuhörerinnen und Zuhörer von Vorträgen oder Leserinnen und Leser von Texten nur rudimentär von der Neuen Politik überzeugt werden können. Zu sehr herrschen überlieferte Glaubensmuster vor wie «100-Prozent-Entscheide sind mit vielen Menschen schwer umsetzbar und brauchen sehr viel Zeit» oder «Fortschritt lebt von Debatten». Erleben die Menschen hingegen die neue Art der Entscheidungsfindung und Problemlösung und des integriert politischen Handelns als aktiv Beteiligte, so lassen sich solche Zweifel konstruktiv bearbeiten.

In der Staatsverfassung sollte zudem festgelegt werden, dass gesellschaftliche Herausforderungen immer im Sinne des integrierten politischen Handelns gemeinschaftlich fundiert anzugehen sind und dass Eltern und Bildungsinstitutionen Kinder und Jugendliche den friedvollen Umgang lehren und vorleben. Das ist für den gesellschaftlichen Wandel ist es unerlässlich. Wenn Menschen als Botschafterinnen und Botschafter für eine Neue Politik zusammenfinden und miteinander die Win-Win-Mentalität leben, dann werden politische Herausforderungen zu einem lebendigen Lernziel, zu einer für alle gewinnbringenden Chance für eine neue friedlichere Welt.

Ueli Keller, Sie haben die Vision einer «Transformation von Unterrichtsschulen zur Bildung im Netzwerk». Was umfasst diese Vision?

Ueli Keller: Ein Bildungsnetzwerk umfasst eine Vielfalt von Lebenswelten und Lernorten draussen und drinnen: für ein «Frei sich miteinander bilden». Bedingungen des Gelingens sind, frei nach Vivian Dittmar: Zeit, erfüllende Beziehungen, Kreativität, Verbundenheit mit den Mysterien des Lebens sowie mit der unbändigen Schönheit der Natur. Ein solcher Reichtum steht nicht im Widerspruch zu einem fundamental notwendigen Wandel, sondern dieser wird im Gegenteil dadurch erst ermöglicht. In meinem Europäischen Netzwerk «Bildung & Raum» begegnen mir leibhaftig oder auch virtuell viele Projekte, die im Sinne meiner Vision unterwegs sind.

Denis Bitterli, Sie setzen sich für den Aufbau einer globalen Friedenslandschaft ein. Wie können wir dies erreichen?

Denis Bitterli: Für eine globale Friedenslandschaft braucht es die Erfahrung mit Projekten, die Neue Politik im Alltag konkret umsetzen. Wir sollten nicht über Frieden reden, sondern Frieden leben. Als Einzelne können wir unsere Mitmenschen zu konsensualen Lösungen ermuntern. Wenn wir das Familienleben im Sinne der 100%-Kultur gestalten, wenn wir Unternehmen, Vereine und Organisationen gründen, die auf den Grundsätzen des integrierten Denkens und Handelns aufbauen und in der Politik für integrierte Vorgehensweisen der Friedensförderung einstehen, dann beginnen wir handelnd und wirksam eine neue Wirklichkeit zu erschaffen. Frieden wird keine Utopie mehr bleiben, sondern erlebbare Wirklichkeit werden. Für den Aufbau einer Friedenslandschaft sind Vernetzung, Austausch und Information sehr wichtig. In diesem Sinne hoffe ich, dass viele Menschen helfen, der Neuen Politik ein lebendiges Gesicht zu geben.

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Ueli Keller ist ausgebildet als Lehrer, Heilpädagoge, Supervisor- und Organisationsentwickler sowie als Bildungswissenschaftler. Er war 45 Jahre lohnerwerbstätig. davon zwölf als Erfinder und Leiter der Abteilung «Schule als Lern- und Lebensraum» beim Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt. Seit 2012 pensioniert, ist er als freischaffender Bildungs- und Lebensraumkünstler mit Herz, Kopf, Hand und Fuss in diversen Tätigkeitsfeldern europaweit unterwegs, unter anderem im Rahmen seiner Vision einer «Transformation von Unterrichtsschulen zur Bildung im Netzwerk», sowie mit Aktionen. Sie sollen im Kleinen wie im Grossen bestmöglich bewirken, dass in der Welt eine Neue Politik gelebt werden kann und wird.

Denis Marcel Bitterli studierte an der Universität Basel Geschichte und Geografie, absolvierte am Lehrerseminar Liestal die Ausbildung zum Primarlehrer und liess sich im In- und Ausland bei Künstlerinnen und Künstlern zum Kulturschaffenden ausbilden. Weiterbildungen absolvierte er zum Praxislehrer an der Fachhochschule Nordwestschweiz, zum Schulleiter an der Akademie für Erwachsenenbildung, in Moderation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Psychologie, in Mediation am Ausbildungsinstitut Perspectiva und in Kunsttherapie am Institut APK. Bitterli ist Lehrer und Schulleiter an der Privatschule Lernwält. Mit dem Büro für Neue Politik setzt er sich für eine neue Politik ein. Sein zentrales berufliches Anliegen ist der Aufbau einer globalen Friedenslandschaft.

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